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Country reports

Parlament aufgelöst

by Claudia Crawford
Heute, am 12. April, verlieren die Abgeordneten ihr Mandat, das Parlament beendet seine Arbeit. Dem vorausgegangen ist am Osterdienstag, den 6. April 2010, die Bitte des Premier Ministers Gordon Brown zur Auflösung des britischen Unterhauses durch Königin Elisabeth, um am 6. Mai 2010 Neuwahlen des Parlaments stattfinden zu lassen. Für diesen Schritt war nur noch bis zum 3. Juni Zeit. Der Wahlkampf ist eröffnet.

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Nach seiner Visite bei der Königin trat Brown mit seinem gesamten Kabinett vor Downing Street 10. In seiner kurzen Presseansprache betonte er, dass er ein Mann aus der Mittelklasse sei, der nicht vergessen hätte, von woher er kommt und welche Werte ihm seine Eltern gelehrt hätten: die richtigen Dinge tun, seine Aufgaben erledigen, Verantwortung übernehmen, die Wahrheit sagen, hart Arbeiten. Er arbeite im Team. Großbritanniens Wirtschaft sei auf dem Weg der Erholung und nichts was getan wird sollte den Aufschwung gefährden. Er, Brown, wird diese Botschaft durch das ganze Land tragen und allen Teilen der Bevölkerung sagen. In den nächsten Monaten seien viele wichtige Entscheidungen zu fällen, von denen die Zukunft des Landes abhängt. Diese müssen in gleicher Weise richtig getroffen werden, wie die Entscheidungen seiner Labour-Regierung in den letzten Monaten während der größten Weltwirtschaftskrise. Würden die Pläne, die seine Regierung gemacht hat, nicht umgesetzt, wird die Arbeitslosigkeit steigen. Das Haushaltsdefizit soll in den nächsten vier Jahren mittels fairer Steuern und Einsparungen bei den Staatsausgaben halbiert werden. Die Hilfe, die der Einzelne braucht, soll ihm zu jeder Zeit zur Verfügung stehen, denn öffentliche Dienstleistungen sollen jedem individuellen Bürger garantiert sein. Der Premier verwies auf den harten Dienst der britischen Soldaten in Afghanistan, die jede Unterstützung ihres Landes verdienen. Zudem bittet der Premier um ein Mandat, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Es soll Transparenz geschaffen werden. Dahinter steht der Vorschlag einer umfassenden Parlamentsreform, vor allem das House of Lord betreffend.

Auf der gegenüberliegenden Flussseite von Westminster hielt der Führer der Konservativen Partei, David Cameron, zeitgleich eine öffentliche Rede: Es gibt eine moderne konservative Alternative, die das Land verändern kann. Die Wahl für die Konservativen ist eine Wahl für Hoffnung, für Optimismus, für Wandel, für einen Neustart, den das Land so dringend braucht. Der Labour-Weg mit höheren Steuern und mehr Staat muss beendet werden. Es geht nicht um mehr Staat (big state), sondern um mehr Gesellschaft (big society). Junge Menschen brauchen Chancen, sie müssen aber auch Verantwortung übernehmen. Es geht um einen wirklichen Wandel. Die große Mittelklasse, die bislang ausgeblendet wurde, braucht Unterstützung. Niemand soll den Menschen einreden, es gäbe keine wirkliche Wahl bei diesen Wahlen. Nicht die Regierung sollte gefragt werden, was sie für den Einzelnen tun kann, sondern jeder sollte sich fragen, was kann er tun, um das Land besser zu machen. Die Menschen müssen das Gefühl bekommen, das Parlament arbeitet für sie.

Der dritte Bewerber, Nick Clegg von den Liberalen, gab sich sicher, dass diese Wahlen das Ende von Gordon Brown als Regierungschef sind. Er unterstrich, dass die eigentliche Alternative nicht zwischen Labour und den Konservativen besteht, sondern zwischen diesen beiden und wirklich etwas Neuem – den Liberalen. Sie kämpfen für große Werte: für Fairness, den richtigen Wandel, die Erneuerung der Politik, die Wirtschaft in die richtige Bahn zu bringen, die andere Stimme zu sein, auf die die Menschen warten.

Damit sind die Themen für den Wahlkampf gesetzt. Gewonnen wird die Wahl, wer überzeugen kann, die Wirtschaft wieder voranzubringen und Arbeitsplätze zu sichern. Genauso muss eine Antwort gegeben werden, wie das große Haushaltsdefizit, das mit fast 12% an griechische Werte heranreicht, zu reduzieren geht. Ohne Einschnitte im öffentlichen Dienst und ohne Steuererhöhungen ist dies kaum darstellbar – beides aber höchst unpopuläre Maßnahmen, die man im Wahlkampf lieber nicht so genau anspricht.

Nach den Wahlkampferöffnungsstatements eilten die drei Parteivorsitzenden hinaus in das Land, um vor allem in den umstrittenen Wahlkreisen* für ihre Partei zu werben. Schulen und Altenheime, Krankenhäuser und Unternehmen wurden besucht – immer darauf bedacht, einen bürgernahen Eindruck zu vermitteln.

Auch wenn traditionell wirtschaftlich schwierige Zeiten eher den Konservativen zugute kommen, so scheint die Profilierung auf diesem Gebiet bei den Konservativen gebremst. Cameron hat in den vergangen Jahren viel darin investiert, seiner Partei einen moderneren Anstrich zu geben, die sich auch der Belange des Durchschnittsbürgers annimmt und soziale Themen aufgreift. Das darf durch zu harte marktwirtschaftliche Rhetorik nicht wieder gefährdet werden. Die Wahlkampfslogans sind dementsprechend auch mehr den amerikanischen Demokraten als den Republikanern entlehnt. Er schaffte, seine Partei auf hohe Popularitätswerte zu bringen, die ihm einen großen Vorsprung gegenüber Labour in den Umfragen im letzten Jahr gaben.

Dieser Vorsprung schmilzt. Die Umfragen der letzten Wochen schwanken zwischen 4-8% Punkten Vorsprung der Konservativen gegenüber Labour. Nicht genug, um mit Sicherheit den Wahlausgang bestimmen zu können. Dafür wären 6,9% das Mindeste - das ist der Preis des Mehrheitswahlsystems. Es könnte am Ende eine Mehrheit ohne Sieg für Cameron sein; zwar die meisten Stimmen, aber nicht ausreichend Mandate, um regieren zu können. Die Medien bieten inzwischen vielerlei Berechnungen an, wie viele Wahlkreise von Labour auf die Konservativen wechseln müssten. Es ist mit 116 Wahlkreisen eine so hohe Zahl, wie sie in der Geschichte noch nicht gewonnen wurden.

Umso mehr richtet sich der Blick auf Nick Clegg: Was werden die Liberalen tun? Die salomonische Sprachregelung ‚die Liberalen unterstützen den, der vom Wähler das stärkste Mandat bekommt’ läst offen, ob derjenige gewonnen hat, der die meisten Stimmen hat oder der mit den meisten Mandaten. Die Türen werden offen gehalten.

Nicht wenige gehen in London von einem „Hung Parliament“ aus – und für diesen Fall, dass binnen Jahresfrist neu gewählt wird. Was sicher ist, dass dieser Wahlkampf sehr spannend wird. Schon am Donnerstag, den 15. April, findet das erste TV-Gespräch der drei Spitzenkandidaten statt. Ein Novum in der britischen Wahlkampfgeschichte – auch das ein Zeichen für den offenen Ausgang dieser Wahl.

*Diese sind über das ganze Land verteilt. Siehe u. a.: http://www.guardian.co.uk/politics/interactive/2010/apr/05/general-election-map-swingometer (show marginal seats)

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