Event reports
„Ich habe keinen Zweifel, dass Großbritannien als aktives Mitglied innerhalb der Europäischen Union besser dasteht“, sagte Sir John Major gleich zu Beginn seiner Rede. Er sei sich bewusst, dass sein Land in seiner 40-jährigen Mitgliedschaft nicht immer ein leichter Partner gewesen sei. Aber es habe dort immer Minderheiten gegeben, die mit ‚Europa‘ nicht einverstanden gewesen seien und die tiefergehende politische Verschmelzung nach der wirtschaftlichen habe nun zu einer kritischen Masse der Gegner Europas geführt. „Ich wünsche es mir nicht, aber die Chance, dass mein Land sich für unabhängig erklärt, schätze ich auf 50 Prozent“, so der ehemalige Premierminister Großbritanniens. Eine Unabhängigkeit würde jedoch beiden Seiten schaden, sowohl Großbritannien, als auch der Europäischen Union.
Die europakritische Partei UKIP sei heute bereits drittstärkste Kraft in Großbritannien und die Unzufriedenheit wachse. „Als eine sehr alte Demokratie können wir die öffentliche Meinung nicht ignorieren.“ Deshalb habe der derzeitige Premierminister David Cameron ein Referendum für 2017 über die EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, sollte er 2015 wieder gewählt werden. „Jetzt ist es an uns, Argumente für unsere Mitgliedschaft zu finden und somit durch Überzeugung unseren Platz ein für alle Mal einzunehmen.“ Er wolle nicht, dass Großbritannien oder irgendein anderes Land in der EU seine eigene Identität verliert, doch Europa könne seinen Status in der Welt nur erhalten, wenn es zusammensteht. „Kein Land schafft das alleine.“
"Subsidiaritätsprinzip muss durchgesetzt werden"
Dessen ungeachtet lehne sein Land eine europäische Einmischung in den ‚British way of life‘ ab und es stehe mit dieser Sicht nicht alleine. Darum hätte er, gemeinsam mit Deutschland, beim Vertrag von Maastricht für die Festschreibung des Subsidiaritätsprinzips gekämpft. „Dieses Prinzip muss nun nicht nur festgesetzt, sondern auch durchgesetzt werden“, fordert Major.
Die neu ins Amt gekommene Europäische Kommission stehe heute vor großen Herausforderungen, denn das Wirtschaftswachstum sei niedrig und die Arbeitslosigkeit in Europa – mit der Ausnahme Deutschlands – sehr hoch. Daher müsse die Union grundsätzlich reformiert werden, damit sie den Nationalstaaten mehr Raum lasse. Jenseits aller derzeitigen Probleme habe die Europäische Union in den vergangenen 50 Jahren jedoch eine großartige Entwicklung hin zu einer Weltmacht vollzogen „und die Erwartungen ihrer Gründerväter übertroffen“.
Großbritannien werde heute vorgeworfen, dass es das Recht auf Freizügigkeit einschränken wolle. Das greife jedoch zu kurz, „denn wir sind eine offene Gesellschaft, sprechen eine weltweit beliebte Sprache und haben mit London die kosmopolitischste Stadt der Welt“. Während die Bevölkerung in vielen Ländern Kontinentaleuropas jedoch schrumpfe, sei sie auf der Insel in den vergangenen zehn Jahren durch Zuwanderung um sieben Prozent gewachsen. „Das sind Dimensionen, die unsere kleine Insel nicht aushält, ohne dass es zu Schwierigkeiten kommt.“ Deshalb brauche und erwarte sein Land Unterstützung seiner europäischen Partner. „Wir wollen die Freizügigkeit nicht einschränken, aber wenn der Druck anhält, müssen wir handeln.“ Europa sei immer erfolgreich gewesen bei der Suche nach Kompromissen und so hoffe er, dass auch in diesem Fall eine pragmatische Lösung gefunden werde.
"Beide Seiten würden bei einem Austritt viel verlieren"
Die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens sei ein Zeichen seiner Welt-Zugewandtheit, die ihm helfe, die Welt zu gestalten, um nicht von ihr gestaltet zu werden. Das Ausscheiden aus der EU wäre schlecht für das Land, denn es würde den direkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt und jegliches Mitwirkungsrecht verlieren. International würde seine Stimme an Gewicht verlieren. „Doch auch Europa würde einiges verlieren: die zweigrößte und robusteste Volkswirtschaft, den vielleicht am weitesten reichenden diplomatischen Arm und die größte militärische Kapazität der EU mit Nuklearwaffen.“
Er hoffe, dass es soweit nicht kommt, denn die Welt ändere sich heute schneller, als je zuvor und Europa müsse Schritt halten. Eines gelte es immer zu bedenken: „Geteilt sind wir Zwerge in einer Welt der Riesen. Doch gemeinsam sind wir selbst ein Riese.“
In seiner Begrüßungsrede dankte Dr. Hans-Gert Pöttering Sir John Major für dessen europäisches Engagement und erinnerte an seine erste Bonner Rede als britischer Premierminister im Jahr 1991, als er sagte, er wünsche sich, dass sein Land dort hinkomme, wo es hingehöre – „Britain at the very heart of Europe“. Besonders würdigte Pöttering Majors Engagement für den Vertrag von Maastricht, der die Europäische Union begründete.