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Migron als „Symbol einer verfehlten Regierungspolitik“

Medienspiegel zur Räumung des israelischen Außenpostens Migron

Nach jahrelangem Rechtsstreit wurde die nach internationalem und israelischem Recht illegale jüdische Siedlung Migron am Sonntag, den 2. September geräumt. Während einige Familien den Ort bereits in der Nacht zuvor verließen, verharrte der Großteil der Siedler bis die israelischen Soldaten mit dem Räumungsbefehl anrückten. Die vom Obersten Israelischen Gerichtshof erlassene Frist sieht vor, dass bis zum 11. September alle Gebäude des Außenpostens zerstört werden müssen. Ausgenommen sind sechs Gebäude, bei denen nicht eindeutig feststeht, ob sie auf palästinensischem Privatbesitz erbaut wurden.

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Die Bilder der Räumung haben in der israelischen Medienlandschaft ein geteiltes Echo hervorgerufen. Nachfolgend wird ein Überblick über die Reaktionen der israelischen Medien gegeben. Die Auflistung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

THE JERUSALEM POST

Caroline B. Glick warnt in ihrem Artikel vor dem Einfluss der Justiz auf das Tagesgeschäft einer demokratisch legitimierten Regierung. Die Justiz habe sich mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die Einwohner Migrons aus ihren Wohnungen zu evakuieren, wissentlich über das Recht und die Entscheidungen der souveränen israelischen Regierung hinweggesetzt. Der Streit um Migron spiegele in einem weiteren Kontext den stetigen Machtkampf zwischen Israels ungewähltem, radikalen und von der extremen linken beeinflussten Justizsystems auf der einen Seite und der gewählten israelischen Regierung auf der anderen Seite wider. Angesichts dieser „Umwelt der justiziellen Tyrannei“ sei die einzig mögliche Antwort auf die Räumung von Migron eine Reform des israelischen Justizsystems.

YNETNEWS

Ynetnews, die englischsprachige Webseite der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth, setzt sich in mehreren Artikeln mit der Evakuierung von Migron auseinander. Nahum Barnea argumentiert in seinem Artikel, ursächlich für den Streit um Migron sei der Oberste Gerichtshof. Dieser habe über Jahre hinweg internationales Recht ignoriert, welches die Errichtung von Siedlungen in besetzten Gebieten untersagt. Stattdessen haben die Richter die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt gestellt und Juden erlaubt, überall im Westjordanland zu siedeln, es sei denn, das Land ist im Besitz von Palästinensern. Die unter diesen Vorraussetzungen entstandenen zahlreichen kleineren Siedlungen lassen sich nur unter hohem finanziellen Aufwand und mit zweifelhaftem Erfolg räumen. Die Regierung hätte den Ausbau dieser kleineren Siedlungen schon vor langer Zeit stoppen müssen, unter den aktuellen Umständen lässt sich eine Räumung von Siedlungen wie Migron laut Barnea kaum rechtfertigen.

Oren Yiftachel hebt hingegen die Gefahren hervor, die aus dem Siedlungsausbau im Westjordanland für Israel resultieren. Die fortwährende Politik des Siedlungsbaus solle im Kontext israelischer Maßnahmen im Westjordanland wie die Vertreibung von Palästinensern und die Verstaatlichung von Grund und Boden nicht als Besetzung bezeichnet werden. Akkurater mit den Begebenheiten vor Ort sei vielmehr der Begriff Kolonialisierung. Die Gefahren, welche aus der Kolonialisierung resultieren, seien weitaus größer als jede andere Gefahr. Dies schließt laut Yiftachel auch das Atomprogramm des Iran mit ein. Gefährlich sei die Kolonialisierung durch ihren internen Charakter, welcher Israel im Westjordanland in ein Apartheitsregime dränge.

ISRAEL HAYOM

Auch die israelische Tageszeitung Israel HaYom widmet der Thematik mehrere Artikel. Dan Margalit unterstreicht in seiner Argumentation die Richtigkeit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Die Bewohner von Migron hätten gemäß der Überzeugung gehandelt, das eine dem Siedlungsbau gegenüber freundlich eingestellte Regierung es ermöglichen würde, Land ohne entsprechende Erlaubnis in Besitz zu nehmen. Dies sei nicht der Fall und auch der nachträgliche Erwerb von Grundstücken durch die Siedler mache die vorherige illegale Inbesitznahme palästinensischen Privateigentums nicht rechtens. Besorgt zeigt sich Margalit über die teilweise scharfe Kritik am Obersten Gerichtshof, nachdem dieser beschlossen hatte, palästinensische Eigentumsrechte zu respektieren. Wenig Verständnis zeigt er in diesem Zusammenhang auch für die Einwohner von Migron, die in einer offiziellen Verlautbarung die Räumung der Siedlung mit dem Slogan „Schwarzer Tag für den Staat Israel“ versehen haben.

Auch Aviad Hacohen hebt in seinem Artikel die Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit hervor. Diese bewähre sich dann, wenn Gesetze und justizielle Entscheidungen gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung durchgesetzt werden müssen. Dies habe der Oberste Gerichtshof durch seine Entscheidung zur Räumung von Migron getan. Die Schuld für die Entstehung des Problems lokalisiert er bei der Regierung. Repräsentanten dieser hätten schon vor fünf Jahren erklärt, dass der Außenposten illegal sei. Anstatt schnell eine angemessene Lösung zu finden, die den Erhalt der Siedlung ermöglicht hätte, habe die Regierung nicht auf die absehbar brisante Situation reagiert.

HAARETZ

Die israelische Tageszeitung Haaretz behandelt die Räumung von Migron ausführlich. Joel Greenberg betont, dass die Debatte um Migron in den letzten Jahren einen unverhältnismäßig hohen Stellenwert in der Berichterstattung der israelischen Medien eingenommen hat. Die Räumung des Außenpostens verlief nahezu ohne Widerstand, was mit den nahegelegenen Fertigbauten zu tun habe, die extra für die von der Räumung betroffenen Siedler errichtet wurden. Der überwiegend friedliche Verlauf der Aktion sei auch ein vielsagendes Zeichen dafür, dass die zahlreichen Warnungen der letzten Jahre über mögliche Gewaltausbrüche bei einer Evakuierung übertrieben waren. Michael Sfard, Anwalt der klagenden palästinensischen Landbesitzer, wird mit den Worten zitiert, der Fall von Migron unterstreiche, dass eine Räumung von Siedlungen im Westjordanland möglich sei. Migron sei nun nicht länger ein Symbol für den Ausbau von Siedlungen, sondern für deren Beseitigung.

Yossi Verter übt im selben Blatt scharfe Kritik am Verhalten der Bewohner von Migron. Sie seien zu weit gegangen, als sie die Durchsetzung rechtstaatlicher Prinzipien als Versagen des Staates Israel deklariert haben, im selben Moment aber die eigens für sie als Kompensation und durch Steuergelder in Höhe von 30 Millionen Schekel errichteten Wohnungen in einer der nahegelegenen Siedlung bezogen. Selbst aus den eigenen Reihen würde Kritik an den Äußerungen geübt. So mahnte der Vorsitzende des Yesha-Siedlungsrates, Danny Dayan, dass die von der Räumung betroffenen Siedler mehr mit der Regierung zusammenarbeiten und größere Kompromissbereitschaft zeigen sollten.

In einem Leitartikel wird die Position vertreten, dass sich die politischen und juristischen Entscheidungsträger für die zeitnahe Räumung aller Siedlungen im Westjordanland einsetzen sollten. Die immensen Steuermittel, welche die Regierung in eine Ersatzsiedlung für die Migron-Evakuierten investiert, zeigen, dass durch Siedler begangenes Unrecht nicht bestraft, sondern honoriert wird. Migron ist somit ein Symbol für die verfehlte Regierungspolitik der letzten Jahre, gleichzeitig aber dennoch auch ein Aushängeschild für die erfolgreiche Arbeit israelischer Menschenrechtsorganisationen und Friedensaktivisten.

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