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Country reports

Ringen um die Macht am Kap

by Christina Teichmann

Erste Reifeprüfung für Südafrika's junge Demokratie

Kapstadt ist die einzige der sechs Metropolen Südafrika's, in der dem African National Congress (ANC) die Rolle einer Oppositionspartei bei den Regierungsgeschäften zufällt. Durch eine von der Provinzregierung beabsichtigte Änderung der Regierungsform könnte sich dies nun schlagartig ändern. Doch Minister Dyantyi's Ankündigung, das ''Executive Mayoral System'' durch ein ''Executive Collective System'' ersetzen zu wollen, trifft selbst in den eigenen Reihen auf scharfe Kritik.

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Beim Spiel mit meinem inzwischen siebenjährigen Sohn- unabhängig ob es sich dabei um „Mensch Ärgere Dich Nicht“, „Mühle“ oder „Mau Mau“ handelt- kommt es des öfteren vor, daß Spielregeln kurzfristig und bei sich abzeichnender Niederlage großzügig modifiziert werden, zu einem solchen Grad, daß sich ihre Sinnhaftigkeit nur noch dem Eingeweihten- in diesem Fall meinem Sohn- offenbart.

Die politischen Schritte, die der African National Congress (ANC) derzeit in der Westkap Provinz unternimmt, um die Macht über die Metropole Kapstadt zurückzugewinnen, lassen in mancher Hinsicht gewisse Parallelen erkennen.

Mitte September, knapp sechs Monate nach der Amtseinführung von Helen Zille als neuer Bürgermeisterin Kapstadts, gibt der vom ANC gestellte MEC for Local Government and Housing, Richard Dyantyi bekannt, dass er von seiner rechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen will, das Executive Mayoral Committee System (MAYCO) in Kapstadt durch das Executive Collective System (EXCO) zu ersetzen.

Dyantyi begründet sein Vorhaben damit, dass die knappe Mehrheit der von der Democratic Alliance (DA) geführten Koalition im Stadtrat einer zügigen Ausführung kommunaler Dienstleistungen im Wege stünde und dass ein Executive Collective System dem Willen der Wähler gerechter würde, da es Parteien einem dem Wahlergebnis entsprechenden Anteil an den Regierungsgeschäften einräumt.

Die von Minister Dyantyi eingeleitete und vom ANC unterstützte Änderung des Systems hätte zur Folge, daß sich die Machtverhältnisse zugunsten eines 10-köpfigen Ausschusses, bestehend aus der DA (4 Sitze), dem ANC (4 Sitze) und den Independent Democrats (ID) (2 Sitzen), verschieben würde. Den bisher an der DA-geführten Koalition beteiligten kleineren Parteien fiele in diesem Szenario kaum Gewichtung zu.

Man braucht kein Rechenkünstler zu sein um festzustellen, dass es dem ANC unter dieser Konstellation eher gelingen dürfte, Eingaben durchzusetzen und wegweisende politische Entscheidungen zu treffen. Auch die Rolle der Independent Democrats würde durch die Änderung des Systems erheblich gestärkt, da ihr nun bei Abstimmungen die nicht zu unterschätzende Rolle des „Züngleins an der Waage“ zufiele.

Ein kurzer Rückblick:

Am 1. März 2006 finden in Südafrika die zweiten Kommunalwahlen statt. In den fünf der insgesamt sechs Metros kann der African National Congress (ANC) die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen.

Allein in Kapstadt gelingt es der Democratic Alliance nach einem knappen Wahlergebnis durch Koalitionsbildung mit sechs kleineren Parteien, sich mit ihrer Bürgermeisterkandidatin Helen Zille zu behaupten und einen Regierungswechsel einzuleiten.

Überraschend und trotz des vorhergehenden Wahlversprechens keine Koalition eingehen zu wollen, sichern die Independent Democrats unter der Führung von Patricia De Lille dem ANC und seiner Kandidatin Nomaindia Mfeketo ihre Unterstützung zu. Nur durch die Koalitionsbildung mit kleineren Oppositionsparteien schafft es Zille, mit einem knappen Vorsprung genug Stimmen im Stadtrat auf sich zu vereinen, um eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden.

Niederlagen offenbaren Demokratieverständnis- nicht Wahlerfolge!

Aufgrund der knappen Stimmenmehrheit im Stadtrat ist von vorneherein absehbar, dass Zille keinen leichten Stand haben wird. Wichtigen Entscheidungen und Abstimmungen müssen intensive Beratungsgespräche mit allen Koalitionspartnern vorausgehen. Trotz dieses scheinbaren Handicaps gelingt es der neuen Bürgermeisterin mit erstaunlicher Geschwindigkeit, Transparenz in ihre Amtsgeschäfte zu bringen und gegen frühere Angestellte der Stadt wegen Amtsmissbrauchs und Kompetenzüberschreitung rechtliche Schritte einzuleiten.

Die Änderung, die Minister Dyanti beabsichtigt, ist legitim und rechtens. Allein der Zeitpunkt lässt sein Vorhaben als erneuten Versuch des ANC’s erscheinen, Macht zurückzugewinnen. Die Frage stellt sich, warum ein solches System, sei es denn das repräsentativere, sprich dem Willen der Wähler entsprechenderes, nicht bereits unter Nomaindia Mfeketo eingeführt wurde und warum nicht auch alle anderen Kommunen in der Westkap Provinz nach diesem System funktionieren.

Mein Sohn wird die Erfahrung noch machen, daß er keinen Spielpartner mehr finden wird, wenn er Spielregeln je nach Bedarf neu definiert, um Niederlagen zu vermeiden und sich dadurch einem fairen Wettkampf entzieht.

Die von Minister Dyantyi beabsichtigte Intervention ist dehalb so bedenklich und beunruhigend, weil es dem ANC nicht möglich scheint, eine Niederlage zu akzeptieren und sich in die Rolle einer Oppositionspartei zu fügen. Einer Rolle, die in einer funktionierenden Demokratie durchaus Gestaltungsspielräume vorsieht. Doch es sind gearde Niederlagen- nicht Wahlerfolge- die über das tatsächliche Demokratieverständnis einer Partei Aufschluss geben.

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