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Am 1. März 2006 fanden die zweiten Kommunalwahlen in Südafrika statt. In fünf der insgesamt sechs Metros konnte der African National Congress (ANC) die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen.
Allein in Kapstadt gelingt es der Democratic Alliance (DA) nach einem knappen Wahlergebnis durch Koalitionsbildung mit sechs kleineren Parteien, sich mit ihrer Bürgermeisterkandidatin Helen Zille zu behaupten und einen Regierungswechsel einzuleiten.
Wahlergebnis bringt keine eindeutigen Gewinner
Weder dem ANC mit 37.9% und 81 Sitzen im Stadtrat noch der Democratic Alliance (DA) mit 41.8% und 90 Sitzen war es gelungen, als eindeutige Gewinner aus der Wahl am 1. März hervorzugehen. Kapstadts Stadtrat besteht aus 210 Sitzen, so daß eine Partei mindestens 106 Sitze benötigt, um eine regierungsfähige Mehrheit zu stellen.
Dieses lauwarme Ergebnis stärkte zunächst die Position der anderen Oppositionsparteien, insbesondere die der im Jahr 2003 von Patricia De Lille gegründeten Independent Democrats (ID), die mit 10,7% der Stimmen und 23 Sitzen ein beachtliches Debut auf kommunaler Ebene zustande brachten.
Auf die African Christian Democratic Party (ACDP), der quasi in letzter Minute die Teilnahme an der Wahl per Beschluss des Südafrikanischen Verfassungsgericht gestattet wurde, entfielen 3.2% der Stimmen und damit 7 Sitze. Sechs weitere kleine Parteien brachten es zusammengenommen auf insgesamt 3,5% und damit 9 Sitze.
Intensive Beratungen und Gespräche unter den Parteien folgten dem unentschiedenen Wahlergebnis, um die notwendigen Mehrheiten und Allianzen zu schmieden. Der von der DA verwendete Wahlkampfslogan „Don’t split the Opposition-Vote DA“, der von den kleineren Oppositionsparteien heftig kritisiert wurde, schien der Partei bei diesen Verhandlungen nicht gerade weiterzuhelfen.
Die ID, die bereits im Vorfeld der Wahl als „kingmaker“ gehandelt wurde, dementierte auch nach der Wahl alle Gerüchte über mögliche Koalitionspläne. Sie plädierte stattdessen für die Einführung eines „executive committee systems“, das den Parteien einen dem Wahlergebnis entsprechenden Anteil an den Regierungsgeschäften einräumt.
Auch die anderen Parteien hielten sich bis zuletzt bedeckt, was ihre Koalitionspläne anbelangte, so daß mit größter Spannung eine für den 15. März angesetzte erste Sitzungen des neuen Stadtrats erwartet wurde, die die Entscheidung bringen sollte.
Während die Independent Democrats entgegen früherer Bekundungen der ANC Kandidatin Nomaindia Mfeketo bei der Abstimmung ihre Unterstützung gaben, gelang es der Democratic Alliance, sich mit sechs kleineren Parteien zu verbünden und mit drei Stimmen Vorsprung Helen Zille als Bürgermeisterkandidatin durchzusetzen. Stellvertretender Bürgermeister wurde Andrew Arnold von der ACDP.
Ein Rückblick:
„Service Delivery“- das Wahlkampfthema
Auch die Natur schien auf ihre Weise den Wahlkampf am Kap kräftig anzufeueren. Anhaltende Hitze, orkanartige Böen und nicht zuletzt menschliche Unvernunft hatten in den letzten Wochen verheerende Brände im Western Cape verursacht. Vor allem das Feuer am Tafelberg, bei dem eine britische Touristin ums Leben kam, sorgte für internationale Schlagzeilen.
Die Brände, mit denen die Kapregion in den Sommermonaten mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu kämpfen hat, entwickelten sich im Vorfeld der Kommunalwahlen zum Politikum. Sie sorgten für weiteren Diskussionsstoff rund um das Thema „Service Delivery“, das heißt der Bereitstellung elementarer Dienstleistungen durch die Kommunen.
Unzufriedenheit mit Dienstleistungen der Kommunen wächst
Kritik an der vom African National Congress (ANC) gestellten Bürgermeisterin Kapstadts Nomaindia Mfeketo wurde in diesem Zusammenhang laut und richtete sich insbesondere gegen ihre Entscheidung, das Budget für die materielle und personelle Ausstattung der Feuerwehren nicht, wie von der Opposition gefordert, dem steigenden Bedarf anzupassen.
Die Democratic Alliance (DA), die mit Helen Zille als Bürgermeisterkandidatin als stärkster Herausforderer des ANC galt, aber auch andere Oppositionsparteien nahmen das Thema zum Anlass, ihren Wahlkampf auf die allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen auszurichten. Es verwundert daher nicht, dass die Slogans aller Parteien mit diesem Thema arbeiteten.
Beispiele für nicht eingehaltene Versprechen gibt es im Western Cape leider genug. Ein ambitioniertes öffentliches Wohnungsbauprojekt, das entlang der N2 entsteht, liegt weit hinter dem gesteckten Zeitplan zurück. Damit bekommen die vom Flughafen ins Zentrum Kapstadts fahrenden Touristen weiterhin einen ersten Eindruck von den menschenunwürdigen Squattercamps Südafrikas.
Die zunehmende Häufung von flächendeckenden Stromausfällen, die Kapstadt und Umgebung in den letzten Wochen immer wieder zum Erliegen brachten, für chaotische Verkehrsverhältnisse sorgten und der Wirtschaft große finanzielle Einbußen bescherten, verstärkt den Eindruck von schlechter Koordination und mangelnder Planung.
Abgesehen von tatsächlichen Versäumnissen und Unzulänglichkeiten der Kommune, besteht das eigentliche Dilemma Kapstadts wohl auch darin, daß der Bedarf an öffentlichen Dienstleistungen, sei es auf dem Gebiet des öffentlichen Wohnungsbaus, der Versorgung mit Trinkwasser, sanitärer Anlagen, Elektrizität, öffentlichen Transportmitteln, etc. unkontrolliert zunimmt. So geht eine Untersuchung der Universität Kapstadt davon aus, dass jährlich etwa 35 000 Migranten, die meisten davon aus der Provinz Eastern Cape, in der Hoffung auf Arbeit und eine bessere Lebenssituation nach Kapstadt strömen.
Vertrauensvorschuß der Regierungspartei nimmt ab
Die Unzufriedenheit mit kommunalen Dienstleistungen sowie eine Reihe von Korruptionsskandalen innerhalb des ANC’s, schadeten zudem dem Ansehen der Partei unter ihrer Stammwählerschaft. Die Korruptionsaffaire um den ehemaligen Vizepräsidenten Jacob Zuma, der in der Zwischenzeit auch noch der Vergewaltigung angeklagt wird, spaltet ANC-Wähler in verschiedene Lager.
Auch der „Travelgate“-Skandal, bei dem Parlamentsmitglieder des Mißbrauchs von Dienstreise-Gutscheinen überführt wurden, wirkt sich imageschädigend aus und bringt die Partei, die als Befreiungspartei noch lange einen Vertrauensvorschuß bei der Bevölkerung wird geniessen dürfen, in einen Erklärungsnotstand.
Die neue Vizepräsidentin und Nachfolgerin Zuma’s Phumzile Mlambo-Ngcuka zeigte indess wenig Fingerspitzengefühl für die Lage ihrer Partei. Für eine private Urlaubsreise nach Dubai im Dezember letzten Jahres, bei der sie von Familienmitgliedern und einer befreundeten Geschäftsfrau begleitet wurde, benutzte sie ein Militärflugzeug des Typs Falcon 900. Eine Reise, die den Südafrikanischen Steuerzahler rund 700.000 Rand kostete.
Prognosen und tatsächliches Wählerverhalten
Auch wenn sich diese Skandale auf nationaler Ebene abspielten, gaben sie dennoch berechtigten Anlaß zu der Vermutung, daß sie sich auf das Wählerverhalten bei den Kommunalwahlen auswirken würden. Eine kurz vor den Wahlen veröffentlichte Meinungsumfrage des Forschungsinstituts Markinor prognostizierte, daß 46% der Befragten bei den anstehenden Kommunalwahlen für den ANC stimmen würden. Ein eindeutiger Abwärtstrend verglichen mit den 69%, die noch im Jahr 2000 diese Absicht bekundeten (Mail & Guardian, 24.02.2006).
Um so erstaunlicher ist es, daß es dem ANC in diesen Kommunalwahlen dennoch gelungen ist, ein Traumergebnis von landesweit 66,3% zu erreichen und damit das Ergebnis der letzten Kommunalwahlen um etwa 6 Prozentpunkte zu verbessern. Im Vergleich dazu kam die Democratic Alliance landesweit auf 14,8%, die Inkatha Freedom Party auf 8,0%, die Independent Democrats auf 2,0%, die United Democratic Movement auf 1,3% und die African Christian Democratic Party auf 1,2% (Quelle: IEC).
Steven Friedman vom Centre for Policy Studies faßt die Diskrepanz zwischen dem Wahlerfolg des ANC einerseits und der wachsenden Unzufriedenheit unter seiner Stammwählerschaft andererseits, so zusammen: “We must simply accept how strong party loyalities, which are an extension of one’s identity, continue to be in South Africa“ (Business Day, 03.03.2006).
Nicht zuletzt aufgrund der durch die Medien angespornten öffentlichen Auseinandersetzung mit den Themen „Service Delivery“ und „Corruption“ hatten Experten damit gerechnet, daß mehr Wähler mobilisiert würden und tatsächlich den Gang zu den Urnen antreten würden. So stellte eine von der Independen Electoral Commission (IEC) vor der Wahl in Auftrag gegebene und vom Human Science Research Council (HSRC) durchgeführte Umfrage fest, dass 8 aus 10 registrierten Wählern ihre Stimme am 1. März abgeben wollten (Business Day, 15.02.2006). Die Befragung ergab allerdings auch, dass die Bereitschaft, wählen zu gehen, in den Provinzen Western Cape und Northern Cape unter den Befragten am geringsten ist. Sicherlich spielte bei dieser Tendenz auch die Tatsache eine Rolle, dass sich die Wähler aufgrund der durch das „floor-crossing“ eingeleiteten Machtverschiebung nicht mehr ernst genommen fühlen und infolgedessen ganz darauf verzichten, ihre Stimme abzugeben. So wundert es auch wenig, wenn die Hälfte aller Befragten sich negativ über die „floor-crossing“-Gestzgebung äusserten, die es Mandatsträgern ermöglicht, die Partei zu wechseln ohne ihr Mandat zu verlieren.
Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung am 01. März landesweit bei 48,7% und damit nur leicht höher als bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2000 (48,07%). Die Wahlbeteiligung für die Provinz Western Cape lag bei 51.79% (2000: 57.87%) und damit um einige Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt.
Das Zünglein an der Waage
Der Wahlkampf um die Metro Kapstadt war wohl aus verschiedenen Gründen einer der spannensten überhaupt. Kapstadt wurde als eine der wenigen Metros gehandelt, wo der Opposition eine reelle Chance eingeräumt wurde, die Wahl zu gewinnen. Bereits bei den im Jahre 2000 stattfindenden Kommunalwahlen konnte die Democratic Alliance, ein Zusammenschluss aus der damals noch existierenden New National Party (NNP) und der Democratic Party (DP), im Western Cape 49,8% der Stimmen auf sich vereinen. Der ANC erhielt dagegen nur 39,7% der Stimmen. Im Jahr 2003 gelang es dem ANC nur durch die neue „floor-crossing“-Gesetzgebung, die Regierungsgeschäfte in Kapstadt zu übernehmen und Nomaindia Mfeketo als Bürgermeisterin einzusetzen.
Für weitere Spannung sorgte auch die erstmalige Teilnahme der Independent Democrats (ID) auf lokaler Ebene. Als „new kid on the block“ erfreut sich die im Jahr 2003 von Patricia De Lille gegründete Partei einer gesunden Wählerbasis. Mehr als 7% der Stimmen konnten die ID bei den im Jahr 2004 durchgeführten Nationalwahlen auf sich vereinen und in bestimmten Wahlkreisen des Western Capes sogar noch bessere Ergebnisse erzielen.
Als Bürgermeisterkandidaten schickten die ID Simon Grindrod, ein bisher politisch ganz unbeschriebenes Blatt, ins Rennen. Obwohl die Chancen der Partei, den zukünftigen Bürgermeister zu stellen von vorneherein als eher gering eingeschätzt wurden, gingen Politikexperten dennoch davon aus, daß ihr bei einem knappen Wahlausgang die Rolle des „Züngleins an der Waage“ zufallen würde.
Die African Christian Democratic Party (ACDP), die mit Pauline Cupido als Bürgermeisterkandidatin in den Wahlkampf zog, hatte in den letzten Wochen hart darum gekämpft, überhaupt an der Kommunalwahl für die Metro Kapstadt teilnehmen zu dürfen. So hatte es die Partei laut Aussage der Independent Electoral Commission (IEC) für diesen Wahlbezirk versäumt, rechtzeitig die zur Registrierung notwendige Zahlung zu hinterlegen. Ein früheres Gerichtsurteil, das zugunsten der IEC entschieden hatte und dem Ausschluss der Partei stattgab, wurde am 24. Februar, also nur wenige Tage vor der Wahl durch das Südafrikanische Verfassungsgericht widerrufen. Während das Urteil des Verfassungsgerichts von Vertretern aller Parteien offiziell begrüsst wurde, hatte die IEC mit der logistischen Herausforderung zu kämpfen, innerhalb kürzester Zeit alte Stimmzettel einzustampfen, drei Millionen neue Stimmzettel zu drucken und die Wahlunterlagen rechtzeitig an alle Wahlstationen zu verteilen.
Christina Teichmann