Country reports
Verletzung ukrainischen und internationalen Rechts auf der Krim
Mit der Annexion der Ukraine verstieß der Kreml nicht nur gegen das Gewaltverbot – das oberste Gebot des Völkerrechts -, gegen die Helsinki Schlussakte und den russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag, sondern auch gegen das Versprechen im Budapester Memorandum 1994, die Grenzen der Ukraine zu respektieren und von jeglicher Form von Gewaltanwendung gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit der Ukraine abzusehen. An dem Vorgehen auf der Krim lässt sich ablesen, wie international geltendes Recht auch nach der Annexion missachtet wird. Obwohl die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits mehrere Resolutionen verabschiedet hat, um internationalen Missionen zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte und nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ordnungsgemäßen und uneingeschränkten Zugang zur Krim zu gewährleisten, wehrt sich die Russische Föderation bis heute dagegen. Der Menschenrechtsbericht der Vereinten Nationen dokumentierte wie jedes Jahr auch im Herbst 2017 wieder Fälle von Misshandlungen, Folter und willkürlichen Festnahmen. Nach wie vor werden vor allem ethnische Krimtataren unter Druck gesetzt. Laut der Nichtregierungsorganisation Krim SOS gibt es aktuell 76 politisch motivierte Strafverfahren auf der Krim, mehr als 50 Menschen sitzen deshalb im Gefängnis. Aber nicht nur die Menschenrechtslage ist im Fokus. Die Verletzung von internationalem Seerecht, Luftfahrtverträgen und Eigentumsrechten beschäftigt seitdem die Gerichte.
Im Osten kein Frieden in Sicht
Die Beobachtermission SMM („Special Monitoring Mission“) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verzeichnet weiterhin täglich Verstöße gegen die Waffenruhe. In einem Interview erläutert der Vize-Chef der Mission Alexander Hug: „Die Lage ist instabil und unberechenbar. Die Seiten stehen einander viel zu dicht gegenüber, sie haben sich im letzten Jahr sogar noch weiter auf die Kontaktlinie zubewegt“. Ein Abzug der schweren Waffen ist nicht erfolgt und die Bewohner leiden unter den schwierigen Lebensbedingungen in und nahe dem Gebiet der Kontaktlinie – 2017 wurden 86 Zivilisten getötet und 393 verletzt. Die Versorgung des Donbas durch humanitäre Organisationen ist schwierig aufgrund der schlechten Infrastruktur und der akuten Gefahrenlage. Trotzdem leben nach wie vor 3,4 Millionen Menschen in den Gebieten ohne ausreichende Grundversorgung und benötigen internationale Unterstützung und Schutz. Deutschland hat im letzten Jahr mehr als 23 Millionen Euro für Hilfsprojekte in der Region eingesetzt, unter anderem der Caritas, des Deutschen Roten Kreuzes und des Welternährungsprogramms und ist mit insgesamt 74 Millionen Euro seit 2014 der größte Geber für die Bewältigung der humanitären Krise in der Ukraine.
Aus dem Maßnahmenpaket Minsk II, welches seit drei Jahren gilt und auch weiterhin gemäß Koalitionsvertrag der deutschen Regierung ein maßgebliches Instrument im Friedensprozess bleiben soll, wurde bisher nur sehr wenig umgesetzt. Mühsam vereinbarte Waffenstillstände hielten immer nur kurz, der letzte am 5. März hielt nur einen Tag, am Tag darauf starb erneut ein ukrainischer Soldat. Auch die internationale Diskussion um eine Friedensmission der Vereinten Nationen bleibt ambivalent. Ein Vorstoß von Präsident Poroschenko für eine UN-Friedensmission vom Sommer 2015 blieb fast unbeachtet, wobei ein Vorschlag von Präsident Putin Ende 2017 zur Einsetzung einer internationalen Schutztruppe für die unbewaffnete SMM-Mission an der Kontaktlinie viel diskutiert wurde. Die ukrainische Regierung wäre nur mit einer Mission einverstanden, die auch zu den besetzten Gebieten im Donbas Zugang hätte und eine vorübergehende administrative Verwaltung übernähme. Russland hingegen würde einem solchen robusten Mandat mit administrativen Aufgaben im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht zustimmen. Mittlerweile hat sich also gezeigt, dass es zwischen diesen beiden Positionen kaum Schnittmengen gibt, die zu einer Lösung des Konflikts in absehbarer Zeit führen könnten.
Der innenpolitische Kampf gegen die Korruption
Eine nicht weniger große Herausforderung für das vom russisch-ukrainischen Konflikt und dem Verlust wichtiger Gebiete, Menschen und Ressourcen gepeinigte Land, ist die Umsetzung der innenpolitischen Reformen und die Rückgewinnung von Vertrauen der ukrainischen Bürger in staatliche Institutionen und die politische Elite. Ende Februar wurde das von der Zivilgesellschaft und den internationalen Unterstützern lange geforderte Gesetz zur Schaffung eines Anti-Korruptions-Gerichts in der ersten Lesung mit 282 Stimmen verabschiedet. Noch ist das Gesetz allerdings unfertig und muss überarbeitet werden. Große Teile der politischen Elite wehren sich in der Ukraine gegen die Ermittlungen von NABU, dem unabhängigen Anti-Korruptions-Büro, welches mit dem zu schaffenden Gericht ein wirkungsvolles Vollzugsorgan an seine Seite bekäme. Präsident Poroschenko beeilte sich daher auch gleich in einem Interview gegenüber der Financial Times zu versichern, dass man den internationalen Unterstützern keine Entscheidungsgewalt über die Ausgestaltung des Gesetzes geben werde, lediglich eine Beratungsfunktion. Damit reagierte er direkt auf die anhaltende Kritik, unter anderem der Venedig-Kommission des Europarats, des ukrainischen NGO-Zusammenschlusses „Reanimation Package for Reforms“ und des Internationalen Währungsfonds, welche zur Überarbeitung des Entwurfs aufriefen und insbesondere darauf hinweisen, dass die Nominierung von Richtern durch internationale Experten erfolgen müsse um tatsächliche Unabhängigkeit zu gewähren.
Der Internationale Währungsfonds wird die nächste Tranche aus dem Gesamtpaket von 17,5 Milliarden USD nicht überweisen bis zu der Etablierung eines Gerichtshofs, der allen Kriterien entspricht. Die Ukrainer halten die Anti-Korruptions-Reform mittlerweile für die wichtigste Reform (60 %). Gleichzeitig sind 86 % der Bevölkerung der Meinung, dass die Bekämpfung der Korruption im letzten Jahr erfolglos war. Die adäquate Ergänzung dieses Gesetzes sollte also eine Priorität der Regierung sein, nicht nur um den internationalen Geldgebern Rechenschaft abzulegen, sondern auch für die Überzeugung der ukrainischen Bevölkerung.
Annäherung an EU und NATO Wahlkampfthema für Regierungsparteien
Präsident Poroschenko und seine Regierung setzen weiter auf die Euroatlantische Integration der Ukraine. Durch eine Roadmap zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU vom 22. Februar einerseits und einer Annäherung an die Standards der NATO andererseits. Neu ist dabei der Vorstoß, die europäische und euroatlantische Integration in der ukrainischen Verfassung zu verankern. Seit dem 10. März wird die Ukraine auch auf der Website der NATO offiziell als ein Land aufgeführt, dass die Mitgliedschaft in der NATO anstrebt. Die Bevölkerung steht momentan beiden Institutionen sehr positiv gegenüber, was durchaus für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im nächsten Jahr die Wahlentscheidung beeinflussen kann. Eine in ukrainischen Medien immer wieder diskutierte vorgezogene Wahl noch in diesem Jahr ist unwahrscheinlich. Laut aktuellen Umfragen führen die Präsidentschaftskandidaten Poroschenko und Timoschenko mit leichtem Abstand das Tableau an. Allerdings liegt der Prozentsatz derjenigen Wähler, die unentschieden sind, bei über 50 %.
Fazit
Es wird erwartet, dass sich das Reformtempo vor den Wahlen 2019 verlangsamen wird, um vor allem die Bevölkerung mit schmerzhaften Reformen nicht in die Hände von Populisten zu treiben und somit wertvolle Wählerstimmen zu verlieren. Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Schaffung eines Anti-Korruptions-Gerichts ist aber noch in diesem Jahr zu rechnen, ebenso wird die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung des Assoziierungsabkommens und der NATO-Standards Priorität bleiben. Die Ukraine orientiert sich weiter gen Westen. Darüber darf allerdings nicht vergessen werden, dass bereits 4 Jahre vergangen sind, ohne dass eine Lösung im russisch-ukrainischen Konflikt in Sicht ist. Auch ist völlig unklar, wie die Annexion der Krim wieder rückgängig gemacht werden könnte.