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Twenty Five Years Later

Ein Symposium an der GWU über die Hinterlassenschaften der DDR anlässlich des 25. Jahrestages des Berliner Mauerfalls

Beim Symposium am 14. November 2014 anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls referierten mit Mario Röllig und Ralph Kabisch zwei Zeitzeugen aus Deutschland und mit Mary-Beth Stein und Hope Harrison zwei Professorinnen der George Washington University (GWU) über die Hinterlassenschaften der DDR.

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Anlässlich des fünfundzwanzigsten Jahrestages des Falls der Berliner Mauer fand am 14. November 2014 in der Elliot School of International Affairs ein Symposium statt. Dieses wurde von dort angesiedelten Instituten in Kooperation mit der Deutschen Botschaft und der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert.

In den Räumlichkeiten der George-Washington-University (GWU) folgte das Publikum Schilderungen zweier Zeitzeugen aus Deutschland und Professorinnen der GWU. Den Einstieg gab Mario Röllig. Dieser schilderte mit tiefen Einblicken in seine Lebensgeschichte sein Leben in der DDR. Er, der mit 17 Jahren den Anwerbungsversuch der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) ablehnte und somit „meine Existenz vernichtete“, war fortan im Fadenkreuz der des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Nachdem sein Fluchtversuch über die „grüne Grenze nach Jugoslawien“ Ende Juni 1985 scheiterte und er inhaftiert wurde, verändert sich sein Leben fundamental. „Jeder, der in einem Gefängnis der Stasi war, kommt nicht so wieder heraus, wie er inhaftierte wurde.“ In völliger Isolation und unter unwürdigen Verhältnissen, wäre er dort der Gewalt des Systems und deren Gefängniswärter ausgeliefert gewesen. „Einem Glücksfall ist es zu verdanken“, dass er auf die politische Freikaufliste der Bunderepublik kam. Röllig wurde nach drei Monaten Haft für 90.000 DM freigekauft.

Nachdem er am Anfang 1999 seinen damaligen Gefängniswärter wieder begegnete und der, anstatt sich bei seinem Opfer zu entschuldigen “mich nur auslachte und sagte: Reue sei etwas für kleine Kinder“, sah Röllig keinen Ausweg mehr. Dennoch: Die Ärzte, „die mich nach meine gescheiterten Selbstmordversuch langsam wieder ins Leben zurückführten, sagten: Der beste Weg die Vergangenheit aufzuarbeiten sei es, wieder an die Stelle des Geschehens zurückzukehren und darüber zu sprechen, was passiert ist.“ Wenn Mario Röllig heute seine Lebensgeschichte bei Führungen durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen erzählt, zittere er nicht mehr, wie er es im Anblick der Stasi-Funktionäre getan hätte. „Das ist meine Rache“, die Deutung dieses Teils der deutschen Geschichte dürfe man keinesfalls den Tätern überlassen.

Nach der bewegenden Geschichte eines ehemaligen Ostberliners, bekam das Publikum durch den Vortrag des Trägers des Bundeverdienstkreuzes am Bande, Ralph Kabisch, Einblick in Aktivitäten einer Gruppe von Fluchthelfern aus Westberlin, namens Tunnel57. Anhand eines Bildervortrages schilderte Kabisch die spektakuläre Fluchtaktion, die 57 Staatsbürger der DDR nach Westberlin brachte. Eine rund 20-köpfigen Gruppe hatte im März des Jahres 1964, im Keller einer alten Bäckerei auf der Bernauer Straße in Westberlin einen Tunnel zu graben. Lebhaft beschrieb Kabisch die Arbeit im Tunnel anhand eines Bildervortrages.

Der Student des Bauingenieurswesens hatte „vorher noch nie selber wirklich etwas gebaut“. Dennoch war dieser erste Versuch gleich erfolgreich, die Berliner Mauer, „die nicht durchquert, überschritten oder überflogen werden konnte“, zu untergraben. Mit bis zu acht Personen pro Schicht arbeiteten sie sich Stück für Stück in 12 Metern Tiefe knapp über dem Grundwasserspiegel über 145 Meter in das sozialistische Ostberlin.

Im Oktober 1964 erreichten die Tunnelgräber dann das Tageslicht in einem Garten auf der Strelitzer Straße. In den beiden Nächten vom 3. und 4. Oktober konnten nach einem festgelegten Zeitplan insgesamt 57 Staatsbürger der DDR nach Westberlin fliehen. Am Ende der zweiten Nacht spürte die Stasi mit Grenzsoldaten den Tunnel auf. In der Dunkelheit seien Schüsse gefallen und am Ende stehe den 57 erfolgreichen Fluchtversuchen auch ein getöteter Grenzsoldat gegenüber. So gut der Wille der Fluchthelfer auch gewesen sei, „ein Toter sei eben einer zu viel“, pflichtete Kabisch bei.

Nach den zwei Zeitzeugenberichten befassten sich die beiden Professorinnen mit der wissenschaftlich-kritischen Beleuchtung der Gedenkstätte Hohenschönhausen und mit der Frage, wie sich die Erinnerung des Mauerfalls verändert hat. Mary-Beth Stein referierte zum Thema Kritikpunkte der Gedenkstätte Hohenschönhausen. So wies sie darauf hin, dass in dieser das Augenmerk auf die Opfer und die brutale und menschenverachtende Gewalt, die sie erleiden mussten, gelegt würden. Zum vollständigen Verständnis sei aber eine ganzheitliche Betrachtung der Geschichte nötig. Die Frage, ob die Gedenkstätte nur der Erinnerung an die Verbrechen des sozialistischen Systems der DDR dienen oder auch aufklären soll, müsse auch gestellt werden, so Stein. Die geringe Aufarbeitung der NS-Geschichte in der DDR komme in der Rückbesinnung durch die Zeitzeugen häufig zu kurz.

Auch der Leiter der Gedenkstätte Hubertus Knabe steht für kontroverse Aussagen in der Kritik. Äußerungen, wie „Hohenschönhausen ist das Dachau des Kommunismus“, würden mit seinem Namen in Zusammenhang gebracht, so Prof. Dr. Stein. Es ginge ihm vor allem um die Forderung, die Leugnung der kommunistischen Verbrechen unter Strafe zu stellen, so wie es in Deutschland bereits für den Holocaust gilt. Doch ein Vergleich mit dem Holocaust gebiete sich nicht, beide Verbrechen sind in ihrer Menschenverachtung einzigartig. Insgesamt befürwortet Stein eine kritische Auseinandersetzung mit der heutigen Nutzung des ehemaligen Stasi-Gefängnisses.

Geschichtsprofessorin Hope Harrison schloss die Liste der Vortragenden mit einer Präsentation über die deutsche Sicht auf die eigene Wiedervereinigung. Bis 2004 „hat Deutschland nicht genug gemacht“, stellte sie eingangs fest. An zwei Ereignisse macht Harrison aber einen Wandel fest. Da sei zum einen mit der Errichtung des Holocaust-Denkmal in Berlin 2005 ein Stück Bewältigung und Zeichen des Wiedergutmachens und zum zweiten der teilweise wiedergewonnen Nationalstolz nach der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006. In der Folgezeit habe sich auch der Bundestag mit dem Thema der Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 befasst, auf die Deutschland stolz sein könne, so Harrison; die Ausstellung zur friedlichen Revolution am Alexanderplatz oder auch das Fest zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls mit der Mauer aus Dominosteinen, die symbolisch fielen, zeigten das. Sie konkludierte, Deutschland sei nun in einen Kreis von Nationen, so wie Frankreich oder den USA, aufgenommen worden, die auf Grundlage von demokratischen Revolutionen entstanden seien. Es gebe nun einen Teil der Geschichte der gefeiert werden dürfe.

Für die Geschichtsprofessorin und Gastgeberin stehe fest, dass mit dem Fall der Berliner Mauer dem Sieg der Freiheit und Demokratie ein Denkmal gesetzt wurde. Sie appelliert aber gleichzeitig, die damals gewonnen Werte auf ewig als gesichert zu glauben. Außerdem müsse bedacht werden, dass die Revolution nicht ausschließlich friedlich abgelaufen sei. Diesem Faktum müsse weiter im Sinne der Aufarbeitung Rechnung getragen werden.

Das Symposium in der George Washington University zum 25. Jahrestag des Berliner Mauerfalls war durch die beiden Zeitzeugen mitunter sehr bewegend und durch die beiden Professorenvorträge auch wissenschaftlich gefüllt. Vermittlung von Geschichte und auch von jüngerer Geschichte hilft, nationale Denkweisen zu verstehen und so transnationalen Dialog zu erleichtern.

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