Buenos Aires-Briefing
Präsidentschaftskandidatur von Alberto Fernández und Cristina Fernández de Kirchner
Am Samstag, den 18. Mai 2019, kündigte Cristina Fernández de Kirchner (CFK) überraschenderweise ihre Kandidatur als Vize-Präsidentin für die anstehenden Wahlen im Oktober an. Als Kandidatin ihrer Partei Unidad Ciudadana wird sich die ehemalige Präsidentin und derzeitige Senatorin der Provinz Buenos Aires gemeinsam mit Alberto Fernández als Präsidentschaftskandidat zur Wahl stellen. A. Fernández war Kabinettschef während der Präsidentschaft von Cristina Fernández de Kirchner und deren verstorbenem Ehemann Néstor Kirchner. Fernández-Fernández ist das erste Duo, das seine Kandidatur in den argentinischen Präsidentschaftswahlen im Oktober offiziell bekannt gab. Alberto Fernández erklärte in einem Interview, dass er die Industrie fördern wolle, um so die Wirtschaft anzukurbeln, Argentiniens steigende Armutsrate bekämpfen und die internationalen Schulden des Landes abzahlen zu können. Die Formel Fernández-Fernández lässt sich aus gleich mehreren strategischen Gesichtspunkten erklären: Zum einen ist zu erwarten, dass A. Fernández die Unterstützung eines breiteren Spektrums gewinnen kann. Während CFK zwar besonders im linken Flügel des Peronismus großen Rückhalt genießt, steht ihr der moderate Flügel mit sehr viel mehr Skepsis gegenüber. A. Fernández, der 2015 selber starke Kritik an Kirchners Politik übte, wird als Pragmatiker gesehen, der sowohl unter den extremen Linken als auch bei den moderateren Peronisten auf Zustimmung trifft. Als ehemaliger Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde des Versicherungswesen und als Berater des ehemaligen als liberal geltenden Wirtschaftsministers Domingo Cavallo, verfügt A. Fernández sowohl über politische Vorerfahrung als auch wirtschaftliche Kompetenzen. Zudem war der Präsidentschaftskandidat als Kabinettsleiter unter der Präsidentschaft Néstor Kirchners bereits 2003 in die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds eingebunden.
Entwicklungen innerhalb der Alternativa Federal mit Hinsicht auf die Präsidentschaftswahl
Die Ankündigung der neuen Formel Fernández-Fernández gab Anlass zu weiteren Positionierungen innerhalb der argentinischen Parteienlandschaft. Insbesondere die neu gegründete politische Allianz Alternativa Federal, deren Mitglieder sich als Peronisten der Mitte nicht hinter eine Kandidatur CFKs stellen, rückte weiter in den Mittelpunkt der medialen Öffentlichkeit. So betonte die Allianz nur kurz nach Bekanntgabe der Doppel-Kandidatur Fernández-Fernández die Notwendigkeit einer dritten Option zur amtierenden Regierung und den Fernández. Mitbegründer der Alternativa Federal und amtierender Senator der Provinz Córdoba, Juan Schiaretti, erklärte, dass die Alternativa Federal eine solche dritte Option bieten werde. Als Befürworter eines moderaten Peronismus möchten die Gründer der Alternativa Federal Juan Schiaretti, der Gouverneur der Provinz Salta, Juan Manuel Urtubey, und Senator der Provinz Río Negro, Miguel Ángel Pichetto, die politischen Kräfte der Mitte vereinen. Eine gemeinsame Kandidatur mit dem Duo Fernández-Fernández schließt die Alternativa aus. Statt in gemeinsamen Vorwahlen gegen CFK und Fernández anzutreten, möchte die Alternativa Federal ihren eigenen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen stellen. So betonte Schiaretti in einem Fernsehinterview, dass der „föderale Peronismus ein Angebot für sich“ darstellen müsse. Wer genau den Kandidaten der Alternativa Federal stellen wird, und wie dieser entschieden wird, wird sich jedoch erst in den kommenden Wochen klären. Der Volkswirt und ehemalige Diplomat Roberto Lavagna, der 2002 bis 2005, während der Präsidentschaft Duhaldes und Néstor Kirchners Wirtschaftsminister war, kündigte bereits an, dass er nicht als Kandidat für die Alternativa Federal antreten werde. Stattdessen wird Lavagna sich als Kandidat der politischen Bewegung Consenso 19, hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der Sozialdemokratie und Vertretern des Peronismus der Mitte, zur Wahl stellen. Am 5. Juni gab er offiziell seine Bewerbung für das Präsidentenamt bekannt.
Gerichtsverfahren gegen CFK
Nur wenige Tage nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur als Vize-Präsidentin, begann am Dienstag, den 21. Mai 2019, das Gerichtsverfahren des Falls „Vialidad“ (umgangssprachlich für die Behörde für Verkehrssicherheit und Straßenbau) gegen die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. CFK wird vorgeworfen, während ihrer Präsidentschaft Bestechungsgelder der Baufirma Báez angenommen zu haben. Im Gegenzug soll die Regierung CFKs der Firma Bauaufträge in Millionenhöhe in der Provinz Santa Cruz vermittelt haben. Neben der ehemaligen Präsidentin stehen zwölf weitere Personen vor Gericht, unter ihnen gleich mehrere ehemalige Funktionäre des Kabinetts Kirchner. Der Fall Vialidad/Baéz ist nicht der erste Fall, in dem sich die ehemalige Präsidentin vor Gericht verantworten muss. Es wird in mehr als zehn weiteren Fällen gegen sie ermittelt. Bereits vor Beginn des Verfahrens löste der Fall „Vialidad“ heftige Diskussionen über den Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens aus, welches nun mit Beginn des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen im Oktober kollidiert. Während einerseits die Krankheit von Fernández de Kirchners Tochter, Florencia Kirchner, den Beginn des Gerichtsprozesses hinauszögerte, wurde zugleich der Justiz vorgeworfen, sich von den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen beeinflussen zu lassen. Wie die argentinische Zeitung La Nación berichtet, habe die Möglichkeit einer erneuten Präsidentschaft Fernández de Kirchners zu einer Verzögerung des Gerichtsprozesses geführt. Auch die politischen Anhänger Kirchners schienen sich vom Beginn des Gerichtsprozesses kaum irritieren zu lassen: Den Korruptionsvorwürfen zum Trotz, versammelten sich am Dienstag Menschenrechtsaktivisten, linksgerichtete Politiker und einige Gewerkschafter vor dem Gerichtshof, um dort ihre Unterstützung für die ehemalige Präsidentin und kandidierende Vize-Präsidentin zum Ausdruck zu bringen. Ob sich noch unentschiedene Wählerinnen und Wähler von den Korruptionsvorwürfen ebenso wenig betroffen zeigen, bleibt jedoch abzuwarten.
Generalstreik am 29. Mai
Argentiniens Gewerkschaftsdachverband Confederación General del Trabajo (CGT) rief zu einem weiteren Generalstreik am Mittwoch, den 29. Mai auf. Dies ist bereits der fünfte solcher Streiks, der sich gegen die Wirtschaftspolitik der aktuellen Regierung richtet. Einen weiteren Streik des Verbands der Arbeit des öffentlichen Verkehrsbetriebs (Confederación Argentina de Trabajadores del Transporte, CATT), ursprünglich für Samstag, den 25. Mai 2019 angesetzt, konnte die Regierung durch Gespräche mit Gewerkschaftern vorerst erfolgreich abwenden. So versprach sie dem Verband, für die kommenden 60 Tage einen runden Tisch zusammenzurufen. An diesem sollen sich die zuständigen Minister mit der Forderung der Gewerkschafter auseinandersetzen, Einkommenssteuern auf ausgezahlte Überstunden zu reduzieren. Die Versuche der Regierung, den Generalstreik am 29. Mai 2019 ebenfalls zu verhindern, scheiterten. So forderte die CGT unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns, eine Umorientierung des nationalen Wirtschaftskurses und einen verbesserten Kündigungsschutz. Zudem kritisiert die CGT das Darlehen des Internationalen Währungsfonds und die hohe Arbeitslosigkeit. Der Vorsitzende der Bauarbeitergewerkschaft, Gerardo Martínez, beschreibt den Streik als „Ausdruck der Wut, des Unwohlseins und der Angst, die das gesamte argentinische Volk fühle“. Auch die CATT kündigte ihre Teilnahme am Streik an. So waren für 24 Stunden im gesamten Land weder Busse noch U-Bahnen oder Züge verfügbar. Weitere am Streik beteiligte Bereiche waren der Flugverkehr, Häfen, Banken, öffentliche Einrichtungen wie Gerichte und Behörden sowie öffentliche Schulen. Krankenhäuser waren nur in Notfällen zugänglich. Zudem hatte der Gewerkschaftsdachverband Demonstrationen organisiert. In den sozialen Medien fand unter den Hashtags #YoParoPor und #YoNoParo (Yo trabajo por un país mejor) derweil eine öffentliche Debatte statt, warum die Leute sich für oder gegen den Streik aussprachen. Schätzungen des Finanzministeriums zu Folge, hat das Land durch den Streik 40 Milliarden Argentinische Pesos (ca. 800 Millionen Euro) verloren.
Alma Wisskirchen und Olaf Jacob
Sobre esta serie
La Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. en Argentina quiere dar a todas las personas interesadas un mejor acceso a los acontecimientos políticos del país. Para ello, publicamos un breve resumen mensual con las noticias más importantes del país.
Susanne Käss
Representante de la Fundación Konrad Adenauer en Argentina / Representante de la Fundación Konrad Adenauer en Brasil (en funciones)