Das Wahlergebnis der diesjährigen PASO bietet ein klares Bild über die politische Stimmung in Argentinien: Mit gut 47 Prozent der Stimmen geht die politische Allianz des Peronisten Alberto Fernández und der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, Frente de Todos, als klarer Gewinner aus den Vorwahlen hervor. Das überraschend schlechte Ergebnis der Allianz des amtierenden Präsidenten Mauricio Macri, Juntos por el Cambio, die nur knapp 32 Prozent der Stimmen erhielt, spiegelt hingegen die Unzufriedenheit der Bürger mit der wirtschaftlichen Lage des Landes wider, wie Präsident Macri nach der Wahl anerkannte.
Die Wahlergebnisse der diesjährigen PASO stehen nicht nur in starkem Kontrast zu den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2017, als das Land von einer „gelben Welle“ (Farbe der Regierungsallianz) überrollt zu werden schien - besonders auffallend ist zudem auch die enorme Divergenz zu den Resultaten, die im Vorhinein von renommierten Think Tanks und Forschungsinstituten prognostiziert wurden. Auch wenn nahezu alle Umfrageergebnisse den Wahlsieg von Frente de Todos bereits im Vorfeld ankündigten, sollten die genauen Zahlen doch ganz anders aussehen: Nur wenige Tage vor den PASO kündigten selbst die der Opposition nahestehenden Think Tanks an, dass die Regierungsallianz mit nur wenigen (durchschnittlich drei bis fünf) Prozentpunkten hinter der Opposition liegen würde. Laut den Umfragen hatte Juntos por el Cambio in den letzten Monaten kontinuierlich an Zuspruch in der argentinischen Bevölkerung gewonnen. Da Präsident Macri auch bei den Vorwahlen 2015 mit neun Prozentpunkten hinter dem damaligen Gegenkandidaten des Peronismus, Daniel Scioli (Frente para la Vicotria), gelegen, die Präsidentschaftswahlen letztendlich jedoch in der zweiten Runde gewonnen hatte, konzentrierte sich die Regierungsallianz im Vorlauf zu den PASO besonders auf den Aufruf zur Wahlbeteiligung. Je stärker die Wahlbeteiligung, so die Annahme, umso wahrscheinlicher, dass mehr Stimmen an Juntos por el Cambio gehen würden. Gleichzeitig appellierte Präsident Macri immer wieder an die Wählerschaft, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und die begonnenen Reformen weiterzuführen. Ein Wahlsieg der Opposition hingegen, mit Alberto Fernández als Präsident und der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner als Vizepräsidentin, würde einen „Schritt zurück“ bedeuten.
In Anbetracht der starken Polarisierung der Gesellschaft bemühten sich die beiden großen Allianzen, Juntos por el Cambio und Frente de Todos, den Wahlkampf für die Vorwahlen zu nutzen, um die eigene Wählerschaft zu konsolidieren. Inhaltlich risikoreiches Territorium wurde dabei erfolgreich umgegangen: Während sich die Kandidaten der Frente de Todos nicht zu den Korruptionsvorwürfen äußerten, schwieg Juntos por el Cambio zu den wirtschaftlichen Fehltritten der aktuellen Regierung. Dass genau diese jedoch ein entscheidender Faktor bei der Stimmabgabe bei den Vorwahlen waren, wird in den Wahlergebnissen nur allzu deutlich. Wie die argentinische Wochenzeitung Buenos Aires Times schlussfolgerte, stand bei den PASO „der Geldbeutel über [dem] Gefühl“. Darüber hinaus wiesen die Forschungsinstitute auf die hohe Anzahl von votos vergonzantes hin: Die Wähler hätten sich geweigert, ihre Stimme Juntos por el Cambio zu geben, um so die Regierung Macri für ihre Wirtschaftspolitik zu strafen. In Folge der langanhaltenden Rezession und Inflation konnte die Allianz des Präsidenten Macri allein in der Provinz Córdoba sowie in der Autonomen Stadt Buenos Aires die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen, während die auf Landwirtschaft ausgerichteten Provinzen (La Pampa, Santa Fe, Entre Ríos) in den diesjährigen PASO mehrheitlich für die Gegenallianz stimmten. Am Sonntag der PASO schien Argentinien nicht mehr von einer gelben, sondern von der blauen Welle der Opposition überrollt zu werden. Der vorherige Zusammenschluss der Opposition Frente de Todos mit dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Sergio Massa aus dem Bereich der gemäßigten Peronisten, spielte dabei eine nicht unbedeutende Rolle und erklärt den enormen Stimmenzuwachs von fast zehn Prozentpunkten gegenüber den PASO im Jahr 2015.
Den vollständigen Länderbericht zu den Vorwahlen in Argentinien können Sie als PDF herunterladen.