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Reportajes internacionales

Neue Machtbasis oder „loser Haufen“?

de Dr. Bernd Löhmann

Wie stark ist die Opposition im neuen argentinischen Kongress?

Am gestrigen Donnerstag trat in Argentinien der teilerneuerte Kongress zusammen. Die Wahlen im Juni 2009 hatten das Ende der präsidialen Mehrheiten in beiden Kammern des argentinischen Parlaments gebracht. Noch ist aber nicht ausgemacht, ob die Opposition die veränderte Machtbasis im Kongress für sich nutzen kann. Die Regierung der Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner verfügt über Mittel, eine mit gestaltende Rolle des Parlaments einzuschränken, und das Bündnis der zahlreichen oppositionellen Gruppierungen erscheint prekär.

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Für manchen war es bereits der Anfang vom Ende der Regierung Kirchner: landesweit nur rund 30 Prozent für die, die Präsidentin unterstützende Wahlplattform und der Verlust eigener Mehrheiten in beiden Häusern! Das war das Ergebnis der nationalen Wahlen vom 28. Juni 2009, die auf Betreiben der Regierung um einige Monate vorverlegt worden waren. Anders als es das Kalkül des Kirchner-Lagers wohl vorgesehen hatte, gelang es den oppositionellen Gruppierungen, sich kurzfristig zu formieren und am Wahltag unerwartet erfolgreich zu sein.

Zwölf sich zur Opposition gegen die Regierung bekennende Parteien werden im Abgeordnetenhaus vertreten sein, das zur Hälfte neu besetzt wird. Zu ihren 53 vorhandenen Sitzen kommen nun weitere 77 hinzu. Zusammengenommen verfügt die Opposition also mit 130 von insgesamt 257 Sitzen über eine ansehnliche Mehrheit in der neuen Volksvertretung. Die fünf kirchnertreuen Gruppierungen – unter ihnen die Regierungspartei Frente Para la Victoria (FPV), die mit 96 Sitzen die weitaus stärkste Formation im Parlament bleibt – stellen dagegen 110 Abgeordnete. Auf 17 Sitze bringen es sieben weitere Parteien, die sich zur gelegentlichen Zusammenarbeit mit der Regierung bereit finden.

Im Senat, dessen Mitglieder zu einem Drittel im Juni neu gewählt worden sind, hat sich das Wahlergebnis nicht im gleichen Maße zuungunsten der Regierung und der ihr nahe stehenden Gruppierungen entwickelt. Zwar gewinnen die Oppositionsparteien vier Sitze hinzu und nehmen künftig 34 Senatorenposten ein, doch kommt das Regierungslager in dem 72-köpfigen Gremium auf 36 Sitze, so dass es die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt. Zwei Senatoren werden von Gruppierungen gestellt, die sich weder eindeutig auf die Unterstützung des Regierungslagers, noch auf eine Oppositionsrolle festgelegt haben. Schon die Tatsache, dass die Opposition für eine Mehrheit drei zusätzliche Stimmen braucht, aber die Regierung auf nur eine weitere Stimme außerhalb ihres Lagers angewiesen ist, zeigt: Anders als im Abgeordnetenhaus haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat nicht umgekehrt.

So schwierig es sein wird, im Senat fremde Stimmen zu gewinnen. Noch viel schwieriger ist es wohl, in beiden Häusern die Opposition beieinander zu halten sowie gemeinsame Initiativen zu entwickeln und zu vertreten. Das Spektrum der oppositionellen Gruppen ist außerordentlich breit und reicht von den Sozialisten und Radikalen (UCR) bis hin zu den Vertretern von PRO und den Nicht-Kirchner-Peronisten. Ganz ausgeschlossen ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit dennoch nicht. Als es in der vorherigen Woche bei einer Vorbereitungssitzung im Abgeordnetenhaus um die Besetzung der Leitungsämter und die Bildung der Kommissionen ging, blieb die Opposition geschlossen.

In einer von tumultartigen Szenen nicht freien Auseinandersetzung im Parlament bewahrte die Opposition ihren Standpunkt, dass die Parlamentswahl vom 28. Juni als klare Niederlage der Regierung gewertet werden müsse, und beharrte auf neue Ämter für die Opposition und auf eine veränderte neue Sitzverteilung in den Kommissionen. Die Regierung widersprach und beanspruchte mit Verweis darauf, dass sie die größte Parteiformation im Parlament stellt, die Ämter des Parlamentpräsidenten und des ersten Vize-Präsidenten, ferner den Vorsitz aller 45 Kommissionen.

Am Ende nahm die Regierungsseite den Vorschlag der Opposition an: Demnach bleibt der bisherige Parlamentspräsident, Eduardo Fellner, im Amt. Die Opposition erhält die Mehrheit in allen Kommissionen, doch wird der FPV in machtpolitisch bedeutenden Gremien wie „Haushalt und Finanzen“, „Verfassungsfragen“ oder „Amtenthebungsverfahren“ eine sie bevorzugende Sitzverteilung gewährt: 50 Prozent minus einen Sitz. In 25 Kommissionen geht der Vorsitz an die Regierungsseite.

Nach der Sitzung feierte die Opposition das Ergebnis als Sieg und Zeichen ihrer Einheit. Regierungsnahe Stimmen sprachen dagegen von Konsens und Einigung. Ein Regierungsvertreter wollte das Bild einer einigen und vielleicht gestärkten Opposition nicht stehen lassen und stellte sie als „losen Haufen“ („un rejunte“) dar.

Wenig spricht dafür, dass die Casa Rosada gegenüber dem neuen Parlament einen auf Einigung und Kollaboration ausgerichteten Kurs einschlägt. Unmittelbar nach den Auseinandersetzungen in der vorbereitenden Sitzung deutete der Kabinettschef Aníbal Fernández an, die Präsidentin werde gegebenenfalls von ihrem Veto-Recht Gebrauch machen und Gesetzinitiativen der Opposition an das Parlament zurück oder ins Archiv verweisen.

Vertreter der Opposition haben inzwischen heftig auf die Veto-Drohung der Regierung reagiert: Die Menschen würden einen Missbrauch des Veto-Rechts nicht hinnehmen, die Regierung müsse sich auf Proteste einstellen. Vielmehr als der öffentliche Aufschrei bliebe der Opposition auch nicht. Um ein Veto zu überstimmen, wäre eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern nötig – Mehrheiten, über die die oppositionellen Gruppen nicht verfügen.

In ihrer bisherigen Amtszeit ist die Präsidentin eher zurückhaltend mit der Anwendung ihres Veto-Rechts verfahren. Ihr stehen auch angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse andere Instrumente zur Verfügung, um eine mit gestaltende Rolle der Opposition einzudämmen. In den bedeutenden Kommissionen des Abgeordnetenhauses, in denen der Regierungspartei eine Stimme zur Mehrheit fehlt, können legislative Prozesse problemlos auf die lange Bank geschoben werden. Im Senat scheitern Gesetzesvorhaben, wenn nur ein einziger Senator mehr zur Regierungsseite überwechselt. Schon in der Vergangenheit hat sich die Regierung als erfolgreich und nicht zimperlich darin erwiesen, positiven wie negativen Druck auf einzelne Mitglieder des Kongress auszuüben und sie aus der Oppositionsfront herauszulösen. Mehr oder bleibende Mittel für die eigene finanzschwache Provinz gehören zu den positiven Anreizen.

Die Chancen für eine dem Land dienliche Entfaltung der jeweiligen politischen Institutionen im Sinne der Gewaltenteilung stehen nicht gut. Viele scheinen sich bereits auf eine gegenseitige Blockade einzurichten. Dennoch: Hoffnung darf man haben, wenn die neuen Abgeordneten ihre gestrige Vereidigung im Parlament ernst nehmen!

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Olaf Jacob

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