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Die Hafenschreier

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„Nee, ick hab grad keene Zeit. Ick muss arbeiten.“ Mit diesen Worten dreht sich der etwas ältere Mann weg, um seiner Arbeit nachzugehen: Mit lauter Stimme ruft er über den Kai. Doch seine Rufe gehen unter dem lauten Gedröhne der Schiffsmotoren unter, die an- oder ablegen. Ein Schiffshorn lässt die Menschenmenge zusammenzucken. Die Luft riecht nach Abgasen, nach verbranntem Benzin. Der Mann ruft immer weiter, doch kaum einer dreht sich zu ihm um, geschweige denn zeigt Interesse. Denn er ist lange nicht der einzige, der dieser Arbeit nachgeht: Über den gesamten Hafen verteilt stehen unzählige Menschen wie er. Alle mit weißer Kapitänsmütze und dunkelblauer Uniform, auf der diverse Abzeichen prangen, meist mit spärlichem, grauen Haar oder Glatze. Sie rufen: „Haaaaafenrundfahrten! Hinei´ mit euch ins Boot! Hafenrundfahrten!“

Insgesamt bieten 18 verschiedene Unternehmen Hafenrundfahrten in Hamburg an, mit Namen wie „Kapitän Prüsse“ „Reiner-Abicht Elbreederei“ oder auch „Willis Superhafenrundfahrt“. Über 300 Bote im Hamburger Hafen dienen diesem Zweck. In allen erdenklichen Größen tauchen sie auf: Riesenbote mit eingebautem Restaurant, große Boote mit offenem Deck, kleinere Barkassen.

Wie bei solcher Konkurrenz trotzdem alle Gewinne machen, kann Gert, Ticketverkäufer der Kapitän-Prüsse-Hafenrundfahrten, sich auch nicht erklären. Er lehnt an einem schäbigen alten Coca Cola Tisch, auf dem eine Kasse steht, unter einem großen Werbebanner: Hafenrundfahrten bei Kapitän Prüsse steht weiß auf rot darauf. Aus dem Kiosk nebenan weht leckerer Fischgeruch. Fünf Frauen kommen vorbei. Sofort ruft Gert ihnen zu, ob sie denn nicht eine Rundfahrt machen wollen. Unentschlossen schauen sich die Frauen an. Ein Lächeln fliegt über sein Gesicht, als wollte es rufen: „Endlich Kunden!“ Eine der Frauen nickt den anderen zu. „Komm´ se ran, komm´ se ran“, fordert Gert sie auf. Er rollt routiniert eine kleine Karte vor sich aus, auf der er den Frauen die möglichen Routen zeigt. Er verfolgt gespannt die Beratung der Frauen, nach welcher sie sich entschließen, die Standard-Tour zu nehmen, und nach dem Preis fragen. „18 Euro der Erwachsene, ick glaube kaum, dass eine von euch noch keine 12 ist, oder?“, meint Gerd und verstaut ruhig das Geld nacheinander in der Kasse. Daraufhin legt er nebeneinander langsam und säuberlich fünf rote Plastikchips mit goldener Schrift auf den Plastiktisch. Als er damit fertig ist, sagt er: „So, Ladies, jede von ihnen nimmt sich jetzt son Chip, ich zeig ihnen dann gleich wo sie hinmüssen.“ Mit den fünf Frauen im Schlepptau macht er sich auf den Weg. Als er nach kurzer Zeit wieder zurückkommt, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht, erzählt er: „Ich verkaufe nun seit anderthalb Jahren hier die Tickets, davor habe ich aber schon für Stadtrundfahrten Tickets verkauft. Am Anfang war es komisch, Fremde anzusprechen, doch mittlerweile ist es schön, mit so unterschiedlichen Menschen zu reden.“

Unterschiedlich trifft es gut. Denn es kommen unzählige Touristen aus der ganzen Welt nach Hamburg, um zum Beispiel den Hafen zu sehen. Am häufigsten sind es Niederländer, dicht gefolgt von Amerikanern, Franzosen, Belgiern und Briten und das Highlight in Hamburg ist und bleibt die Hafenrundfahrt.

Das sagt auch die Auskunft im sogenannten Hauptquartier von Kapitän Prüsse: „Früher waren die Hafenrundfahrten ein Saisongeschäft, und meist waren es die Hamburger selber, die den Hafen sehen wollten. Doch mittlerweile finden durchgängig Rundfahrten statt.“ Das Hauptquartier ist eine Steinhalle am Kai, in der Holzmöbel und eine Theke stehen. Der Raum ist voller ausgestellter Souvenirs. Es ist angenehm warm im Gegensatz zu draußen, wo ein Pappmatrose mit Akkordeon die Besucher grüßt. Doch warum fasziniert der Hafen so viele Touristen, dass es sich für 18 Anbieter lohnt, Hafenrundfahrten zu organisieren? Die Frau an der Auskunft erklärt: „Der Hafen verändert sich ständig, er ist immer in Bewegung. Wegen der hohen Liegeplatzgebüren liegt kaum ein Schiff länger im Hafen, als es muss. Daher gibt es im Hafen immer etwas zu sehen.“

Das bestätigen auch die Besucher und Teilnehmer der Hafenrundfahrt: „Also die Elbphilharmonie ist schon toll und die Speicherstadt ist auch sehr eindrucksvoll, aber der Hafen, mit den ganzen Schiffen, großen, kleinen, bunten, alle in Bewegung, das hat mich am meisten beeindruckt“, sagt Markus, den auch erst die Ticketverkäufer auf eine Hafenrundfahrt aufmerksam gemacht haben und erhält Zustimmung von seiner Begleitung: „Dem Treiben der Schiffe könnte ich stundenlang zuschauen, mir würde nicht langweilig werden. Die Hafenrundfahrt hat mich sehr beeindruckt!“

Es wird Abend. Motoren dröhnen, es riecht nach Abgasen und Fisch, ein Schiffshorn ertönt. Doch wer glaubt, nun würden die Hafenrundfahrtticketverkäufer ruhen, liegt falsch. Lichterfahrten und Nachtfahrten stehen jetzt auf dem Programm und werden lautstark beworben: „Haaaaafenrundfahrten! Hinei´ mit euch ins Boot! Hafenrundfahrten!“

Von Matthis Vosberg

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