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Europa schützen wir nicht durch Visionen, sondern durch verbindliche Konzepte und einsatzbereite Truppen

Diskussion über eine gemeinsame Armee an der Universität Potsdam

Ist Europa auf dem Weg zu einer gemeinsamen Armee? Darüber diskutierten wir am 16. Mai an der Universität Potsdam in Kooperation mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Potsdam, der Landesgruppe Brandenburg des Reservistenverband der Deutschen Bundeswehr e.V., der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und dem Lehrstuhl für Militärgeschichte der Universität Potsdam.

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Unter der Moderation von Anna-Lena Kirch von der Hertie School of Governance diskutieren an der Universität der Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann, der estnische Verteidigungsattaché Oberstleutnant i.G. Martin Kukk sowie der Inhaber des Lehrstuhls für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, Prof. Dr. Sönke Neitzel.

Eingangs erläuterte Professor Neitzel, dass 1954 schon einmal das Konzept einer europäischen Armee gescheitert sei. 1954 habe man militärisch geplant, also national homogene Divisionen sollten zu einer Armee verbunden werden. Heute gehe es bei den Debatten um eine europäische Armee offenbar eher um politische Kooperation, daher müsse zuvor klar entschieden werden: geht es um Politik oder um militärische Fähigkeiten?

Oberstleutnant i.G. Kukk kam 2018 nach Deutschland und dachte, jetzt über militärische Konzepte reden zu können. Dann aber ging es allein um Politik. Was solle das Ziel einer europäischen Armee eigentlich sein? Darauf gebe es keine Antwort, letztlich handele es sich um eine unkonkrete Vision. Sein Land Estland ist ein Frontstaat, ihn schütze man nicht durch Visionen, sondern durch die verschiedenen Verstärkungskonzepte, u.a. durch die permanente Stationierung realer Truppen. Dass britische Einheiten in Estland seien, sei ausgesprochen begrüßenswert, zumal Großbritannien im Ernstfall über Nuklearwaffen verfüge. Estland verfüge nur über 25000 Soldaten, die im Ernstfall für eine Verteidigung gegen etwaige russische Attacken nicht ausreichten. Eine europäische Armee gebe es in seiner Einschätzung auch in dreißig Jahren noch nicht. Jedoch gebe es zahlreiche Vorteile durch Kooperation, die jetzt bereits wichtig seien, etwa gemeinsame Rüstungsprojekte oder die Bündelung von militärischen Fähigkeiten auf bestimmten Gebieten.

Kapitän zur See Hillmann sieht in der gemeinsamen Zusammenarbeit in der Europäischen Union viele Vorteile, die weiter ausgebaut werden müssten, zugleich aber auch einige strukturelle Probleme. Die Deutschen seien mit dem Herz vor allem in der NATO, die Offiziere seien durch diese Erfahrung in ihren Laufbahnen geprägt. In Brüssel bei der EU säßen lediglich 390 Militärs unter nahezu 30000 Beamten. Klar sei, dass die Vision einer europäischen Armee nur in einer langfristigen Perspektive (über dreißig Jahre) interessant sei. Gemeinsame Rüstungsprojekte seien sinnvoll, allerdings sehr schwierig und problembehaftet. Ein gemeinsamer Rüstungsmarkt sollte in langfristiger Sicht ins Leben gerufen werden, alle Nationen müssten zu der Suche nach Lösungen beitragen. Kapitän Hillmann betonte, dass jüngste Umfragen des ZMSBw zeigten, dass die Deutschen die Bundeswehr überwiegend positiv sehen. 90 Prozent seien für eine engere Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union. Vielleicht traue also die Politik der Bevölkerung zu wenig zu, wenn gewisse Debatten über sicherheitspolitische Fragen kaum geführt würden. Über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union seien viele in Brüssel bei der Europäischen Union tätige Offiziere froh, hätten doch die Engländer in den vergangenen Jahren oft gebremst.

Professor Dr. Neitzel mahnte, auf lange Sicht müsse man zu Mehrheitsentscheidungen innerhalb der EU kommen, da sei Deutschland mit Blick auf die Bundeswehr jedoch ein „massiver Bremsklotz“. Sicherheitspolitisch sei Deutschland „Trittbrettfahrer“, es wolle nicht wirklich einsatzbereite Streitkräfte unterhalten, die im Fall des Falles auch kämpfen können. Die Militärs sagen, es sei nicht ihre Aufgabe, solche Debatten zu führen, sondern die Aufgabe der Politik; frage man bei Verteidigungsausschuss des Bundestages, erhielte man aber ebenfalls keine Antwort. Es gehe jedoch darum, die Frage zu klären: Wofür wollen wir Streitkräfte einsetzen? Er bemängelte das „Strategiedefizit“ in der deutschen Politik und Gesellschaft. Der NATO verspreche Deutschland drei Divisionen, mit einem wirklichen Einsatz dieser werde aber offenbar nicht gerechnet, denn die Divisionen seien nicht einsatzbereit. In vielen europäischen Partnerländen stelle man sich die Frage, was machen eigentlich die Deutschen, wenn es im Baltikum „knallt“? Die Haltung in Deutschland werde sich erst ändern, wenn der Druck steige, etwa die USA die NATO verließen.

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