Donald Trump hat ihr vorgeworfen, eine „Marionette“ Chinas zu sein und hat die Beziehungen zu ihr abgebrochen – Joe Biden will wieder mit ihr zusammenarbeiten. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, war im Jahr der Corona-Pandemie so kontrovers im Gespräch wie schon lange nicht mehr. Hat sie ihren Job gut gemacht? War Trumps Kritik berechtigt? Welchen Einfluss hat sie überhaupt?
Laut Dr. Olaf Wientzek, Leiter des Multilateralen Dialogs Genf der Konrad-Adenauer-Stiftung, war die Performance der WHO während der Pandemie nicht perfekt, aber alles in allem gut. „Die WHO hat durchaus eine wichtige Rolle gespielt: sie hat die Mitgliedsstaaten beraten, hat bereits im Februar 2020 Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern zusammengebracht, um die Forschung im Bezug auf Medikamente und Diagnostik zu koordinieren. Und sie hat auch materielle Hilfe geleistet.“
Die Kritik, die WHO sei China gegenüber zu devot, findet Olaf Wientzek nur teilweise gerechtfertigt. „Dass die WHO von China kontrolliert wird, das kann man nicht sagen. Es ist generell so, dass die WHO sehr von ihren Mitgliedsstaaten abhängig ist, allein, um Zugang zu Ursprungsorten von Epidemien zu bekommen. Da hätte es der WHO wenig gebracht, China öffentlich härter anzugehen – denn dann hätte sie wahrscheinlich gar keinen Zugang ins Land bekommen.“
Muss die WHO reformiert werden?
Das selbsterklärte Ziel der WHO ist es, dazu beizutragen, dass in allen Ländern der Welt der bestmögliche Gesundheitszustand herrscht. Das Problem: sie ist in ihren finanziellen Mitteln begrenzt – die Pflichtbeiträge der 194 Mitgliedsländer decken derzeit nur 20 Prozent ihres Finanzbedarfs ab – und sie hat kaum Sanktionsmöglichkeiten.
Wie sehr die WHO auf den „good will“ ihrer Mitgliedsstaaten angewiesen ist, zeigt sich aktuell bei der Diskussion um eine gerechtere Verteilung von Corona-Impfstoffen. Die WHO hat die Initiative Covax ins Leben gerufen, die gewährleisten soll, dass auch ärmere Länder Zugang zu Corona-Vakzinen bekommen.
Bislang aber wurden viel weniger Impfdosen an ärmere Länder geliefert, als eigentlich geplant – während die Bevölkerung vieler reicher Länder bereits großflächig geimpft ist. Daran sei aber nicht die WHO Schuld, so Olaf Wientzek. So haben Länder wie die USA und Großbritannien z. B. zunächst gar keinen Impfstoff exportiert. Dagegen hat WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus immer wieder heftig protestiert. Mehr Möglichkeiten, als öffentlichen Druck auszuüben und Gespräche mit den Mitgliedsländern zu führen, habe er aber nun mal nicht, sagt Olaf Wientzek.
„Die WHO kann sich keine Kompetenzen backen – sie hat keine Sanktionsmechanismen. Das ist letztendlich das Problem bei allen multilateralen, internationalen Organisationen. Sie können ihrer Mitgliedstaaten nicht wirklich zu etwas zwingen.“
Riesendiskussionen auch in der WTO
Auch die WTO, die Welthandelsorganisation, ebenfalls mit Sitz in Genf, drängt auf eine fairere Verteilung von Corona-Impfstoffen. Die Generaldirektorin der WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, fordert Länder wie die USA und Großbritannien auf, Impfstoff für den Export freizugeben. Und sie appelliert an die Impfstoff-Hersteller, den Weg für Lizenzfertigung durch andere Unternehmen freizumachen. Olaf Wientzek beobachtet in Genf die Gespräche, die dazu geführt werden.
„Das ist eine Riesendiskussion in der WTO. Eine Reihe von etwa 60 ärmeren Staaten, angeführt von Indien und Südafrika, gehen gerade sogar einen Schritt weiter und drängen auf die Aufhebung von Urheberrechten für Impfstoffe und andere Medikamente. Auf der anderen Seite stehen die EU, die USA, Kanada, die Schweiz, die das sehr skeptisch sehen. Da gibt es gerade wöchentlich Treffen, der politische Druck ist sehr hoch.“
Es sei ein hochemotionales Thema, berichtet Olaf Wientzek. In Genf würden manche gar von der „Impfapartheid“ sprechen. Er selbst kann auch die Haltung der Industrienationen verstehen. „Ich bin auch kein großer Fan davon, Urheberrechte für Medikamente auszusetzen, weil man damit Anreize für Unternehmen reduziert, viel Geld und Manpower in die Forschung zu stecken. Aber es ist auch klar, dass es nicht weitergehen kann, wie bisher.“
Wichtige Dialog-Plattformen
Bei aller, auch durchaus berechtigter Kritik, steht für Olaf Wientzek fest: die Weltgemeinschaft braucht Organisationen wie die WHO und die WHO. „Natürlich können diese Organisationen nicht alle Probleme selbst lösen, aber es gibt globale Herausforderungen, für die wir solche Plattform unbedingt brauchen. Allein schon, um im Dialog zu bleiben. Das zeigt uns auch die Pandemie: was nützt uns eine Organisation, in der nur die „besten Freunde“ sitzen. Da müssen möglichst alle Länder mit drin sein, denn eine Pandemie macht vor Ländergrenzen nicht halt.“
Das ganze Interview mit Dr. Olaf Wientzek und viele weitere Interviews aus der Reihe #KASkonkret findet ihr auf dem Youtube-Kanal der Konrad-Adenauer-Stiftung, onlinekas. Schaut vorbei, lasst uns ein Like da und abonniert den Kanal.