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Reportajes internacionales

Eindeutiger Sieg für Piñera im ersten Wahlgang der chilenischen Präsidentschaftswahlen

de Winfried Jung, Dr. Martin F. Meyer

Stichwahl am 17. Januar zwischen Piñera und Frei

In den am 13. Dezember angesetzten chilenischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen haben Sebastián Piñera und sein Parteienbündnis Coalición por el Cambio einen eindeutigen Wahlsieg errungen. Laut dem vorläufigen Endergebnis erhielt der Kandidat der Mitte-Rechts-Opposition 44,03 Prozent der Stimmen der registrierten Wähler, während der Anwärter des regierenden Mitte-Links-Bündnisses, Eduardo Frei Ruiz-Tagle, auf 29,62 Prozent kam.

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Es folgen die beiden unabhängigen Kandidaten Marco Enríquez-Ominami und Jorge Arrate mit 20,12 bzw. 6,21 Prozent, die sich mit diesem Ergebnis nun aus dem Rennen um das höchste politische Amt im Lande verabschieden müssen. Da Piñera keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erreichen konnte, wird er sich dem zweitplatzierten Präsidentschaftsanwärter am 17. Januar 2010 in einer Stichwahl gegenüberstellen müssen. Hier dürfte sich Piñera jedoch gute Chancen ausrechnen, die seit zwanzig Jahren regierende Concertación von der Macht zu verdrängen. Den Prognosen zufolge würde er in einem direkten Duell gegen Frei die Nase vorn haben: 43 gegenüber 37 Prozent. Bei den Wahlen für das Abgeordnetenhaus des Parlamentes konnte seine Coalición por el Cambio ebenfalls den Sieg für sich in Anspruch nehmen. Das Bündnis stellt in der nächsten Legislaturperiode insgesamt 58 von 120 Abgeordneten. Im Senat gewann jedoch die Concertación mit künftig 19 von 38 Senatoren. Besonders die Christdemokratische Partei konnte hier ein sehr gutes Ergebnis erzielen.

Am Sonntag, den 13. Dezember 2009, fand in Chile die Wahl des künftigen Staatspräsidenten statt. Insgesamt bewarben sich vier Kandidaten für das höchste politische Amt im Lande. Zur Wahl standen aber auch die Mandate von 18 der insgesamt 38 Senatoren im Oberhaus sowie von allen 120 Abgeordneten im Unterhaus. In Chile ist die Eintragung in das Wahlregister freiwillig, der anschließende Urnengang bei den Wahlen jedoch Pflicht – trotzdem machten nur 86 Prozent von den registrierten Wählern von ihrer Stimme gebrauch (7.135.331 von 8.285.486 registrierten Chilenen). Auch haben sich seit der letzten Wahl nur knapp 65.000 Chilenen in das Register neu einschreiben lassen, was symbolisch für die derzeitige politische Apathie insbesondere in der jungen Generation steht. In der Summe bedeutet dies, dass rund 4 Millionen und damit beinahe 40 Prozent aller wahlberechtigten Chilenen auf ihr Recht, sich an demokratischen Wahlen zu beteiligen, verzichtet haben. Dafür verliefen die Wahlen jedoch ruhig, korrekt und ohne die in vielen lateinamerikanischen Ländern allzu oft üblichen Störungen und Manipulationsversuche ab. Die chilenische Demokratie hat sich demnach einmal mehr als stabil und konsolidiert erwiesen.

Stichwahl zwischen Piñera und Frei

Mit 44,03 Prozent der Stimmen konnte der Mitte-Rechts-Kandidat Sebastián Piñera wie erwartet den ersten Wahlgang um die chilenische Präsidentschaft gewinnen. Mit diesem Ergebnis bestätigen sich die Prognosen mehrerer Meinungsforschungsinstitute, die in den letzten Monaten einen klaren Sieg des Oppositionsführers im ersten Wahlgang vorausgesagt hatten. Er erreichte jedoch nicht die absolute Mehrheit von mindestens 50 Prozent der Wählerstimmen, die den direkten Sieg bedeutet hätte. Am 17. Januar 2010 wird sich Piñera daher in einer Stichwahl gegen den zweitplatzierten Kandidaten stellen müssen, dem Christdemokraten Eduardo Frei Ruiz-Tagle vom regierenden Mitte-Links-Bündnis „Concertación“.

Den Prognosen zufolge hat Piñera gegenüber Frei für den zweiten Wahlgang einen klaren Vorteil: 43 gegenüber 37 Prozent laut der letzen Meinungsumfrage im November des renommierten Forschungsinstituts Centro de Estudios Públicos (CEP). Somit dürfte sich der schwerreiche Unternehmer und frühere Senator gute Chancen ausrechnen, das nun seit zwanzig Jahren an der Macht sich befindende Parteienbündnis aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Sozialisten abzulösen. Seine „Koalition für den Wechsel“ (Coalición por el Cambio) ist ein am 6. Mai 2009 gegründeter Zusammenschluss der beiden rechtskonservativen Parteien Renovación Nacional (RN) und Unión Demócrata Independiente (UDI), von denen die letzte während der Zeit der Militärdiktatur den damaligen Präsidenten Pinochet unterstützte, mit ChilePrimero, einer kleinen und jungen Partei, die eine sozialliberale Ideologie vertritt. Es wäre das erste Mal seit Chiles Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1989, dass mit Piñera ein Präsident aus dem Mitte-Rechts-Lager kommen würde.

Mit dem zweiten Platz und 29,62 Prozent der Stimmen konnte Eduardo Frei, der von 1994 bis 2000 schon einmal das Land regierte, lediglich sein Minimalziel für den ersten Wahlgang erreichen. Frei ist der Kandidat der regierenden Concertación, des Bündnisses, das sich aus der Christdemokratischen Partei (PDC), der Radikalen und Sozialdemokratischen Partei (PRSD), der Sozialdemokratischen Partei (PPD) sowie der Sozialistischen Partei (PS) zusammensetzt. Diese Koalition war aktiv an der Ablösung der Militärdiktatur Pinochets beteiligt und regiert seit nunmehr 20 Jahren ununterbrochen in Chile. Den Einzug in die Stichwahl im nächsten Monat zu verfehlen wäre für die Concertación eine absolute Katastrophe gewesen. Trotzdem ist das Ergebnis mit unter 30 Prozent zweifelsohne ein miserables Resultat für die Regierungskoalition. In allen Wahlen seit 1989 war der Präsidentschaftskandidat der Concertación bisher nie unter 45 Prozent geblieben.

In den letzten Monaten hatte Frei in fast allen Meinungsumfragen kontinuierlich an Boden verloren, nicht nur gegenüber Piñera sondern auch gegenüber dem drittplatzierten Kandidaten, Marco Enríquez-Ominami. Aufgrund seiner enttäuschenden Umfragewerte kann der zweite Platz lediglich als nötige Schadensbegrenzung bewertet werden. Ohne positive Auswirkung für Frei blieb die Verkündung aus Justizkreisen sechs Tage vor den Wahlen, dass der mysteriöse Tod seines Vaters, Eduardo Frei Montalva (Präsident Chiles von 1964 bis 1970), vor 28 Jahren eine Ermordung von Anhängern Pinochets gewesen sei. Im Vorfeld wurde von mehreren Experten vermutet, dass durch diese Tatsache den Wählern noch einmal vor Augen geführt werden dürfte, dass Frei der Concertación angehört, die sich aktiv gegen das Militärregime gestellt hat, welches wiederum von Piñeras Rechten unterstützt wurde.

Die bis dato große Überraschung des Wahlkampfes, Marco Enríquez-Ominami, kam mit 20,12 Prozent auf einen bemerkenswerten dritten Platz. Der erst 36-jährige Abgeordnete war im Juni aus der Sozialistischen Partei ausgetreten, nachdem die Parteiführung ihn für die Stichwahl, um den nächsten Präsidentschaftskandidaten der Concertación zu ermitteln, nicht berücksichtigen wollte. Seitdem trat er als unabhängiger Kandidat an und konnte mehrere beachtliche Erfolge feiern. Seine Umfragewerte stiegen in den Wochen vor der Wahl immer höher und betrugen im letzten Monat nur noch 7 Punkte Rückstand auf Frei.

Der fulminante Aufstieg des als krasser Außenseiter gestarteten Abgeordneten aus Santiago erlangte im Vorfeld auch internationale Aufmerksamkeit. So wurde z.B. in einem Artikel des renommierten amerikanischen Nachrichtenmagazins Newsweek vom 6. November die Tatsache hervorgehoben, dass ein „frischer, junger und unabhängiger Kandidat gute Aussichten hat, eine der bemerkenswertesten, stabilsten und effektivsten Regierungskoalitionen in der Geschichte Lateinamerikas von der Macht zu verdrängen“. Dieses Ziel hat Enríquez-Ominami zwar verpasst, jedoch dürfte laut Newsweek sein gutes Abschneiden eine positive Entwicklung für Chile und Lateinamerika sein, die unter Beweis stellt, dass parteilose Kandidaten in einer effektiven und demokratischen Art auch gegen das Establishment um das höchste politische Amt im Land ringen können. Enríquez-Ominami schlug sich weitaus besser als der andere unabhängige Präsidentschaftskandidat, Jorge Arrate aus dem Lager des kommunistischen Bündnisses Juntos Podemos. Mit 6,21 Prozent kam er weit abgeschlagen auf den vierten Platz.

Das chilenische Wahlsystem

Das gute Abschneiden von Enríquez-Ominami ist umso erstaunlicher, wenn man Chiles so genanntes binominales Wahlrecht bedenkt, das kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten normalerweise wenige Aussichten auf Erfolg schenkt. Dieses Wahlrecht – ein Überbleibsel aus der Zeit Pinochets, das die Macht von Mitte-Links-Parteien im Falle eines Wahlsieges einschränken sollte – verteilt in jedem Wahlkreis zwei Mandate, wobei das erste Mandat an den Kandidaten mit den meisten Stimmen geht, der zweite Abgeordnete jedoch in der Regel vom zweitplatzierten Bündnis gestellt wird. Eine Liste kann nur dann beide Kandidaten ins Parlament entsenden, wenn sie in einem Wahlkreis doppelt so viele Stimmen erhält wie die zweitplatzierte (Prinzip des „doblaje“). Alle anderen Parteien gehen leer aus – die für sie abgegebenen Stimmen haben somit keinerlei Einfluss auf das Ergebnis. Dies hat dazu beigetragen, dass Abgeordnete bisher fast ausschließlich aus den Reihen der Regierungs- und Oppositionskoalitionen kamen und sich in Chile ein rigides System aus zwei Parteibündnissen formieren konnte.

Außerhalb dieser Bündnisse besteht für Parteien meistens keine ernsthafte Chance zur Erlangung politischer Macht. Kritiker bezeichnen das binominale Wahlsystem daher als undemokratisch, da die Stimmen vieler Wähler nicht berücksichtigt werden und die parlamentarische Repräsentation kleiner Listen verhindert wird. Dies wurde letztendlich auch Enríquez-Ominami zum Verhängnis. Er persönlich konnte in den Präsidentschaftswahlen ein beachtliches Ergebnis erzielen, in den Parlamentswahlen bekam jedoch kein einziger Kandidat seiner Liste den Zuschlag. Auch sein Adoptiv-Vater, Carlos Ominami, verpasste den Einzug in den Senat als unabhängiger Kandidat. Enríquez-Ominami selbst, zurzeit noch Abgeordneter, wird ebenfalls nicht dem neuen Parlament angehören.

Auch führt die Notwendigkeit der „doblaje“ zur Durchsetzung des zweiten Kandidaten einer Liste in den Wahlkreisen dazu, dass bei zwei konkurrierenden politischen Lagern jeder Stimmenanteil, den ein Parteienblock zwischen 33,4 und 66,7 Prozent der Gesamtstimmen erhält, praktisch wertlos ist. Aus diesem Grund ist es nicht unbedingt notwendig, um den Wahlsieg zu kämpfen, sondern lediglich um ein zur Platzierung des eigenen Kandidaten notwendiges Ergebnis. Die Kompetivität zwischen Parteien und Kandidaten wird so gravierend eingeschränkt. Obwohl die Notwendigkeit einer Wahlrechtsänderung oft anerkannt wird, konnten sich die Parteien bisher nicht über die nötigen Reformen einigen.

Concertación siegt im Senat, Coalición im Unterhaus

Im Gegensatz zum enttäuschenden Ergebnis der Präsidentschaftswahlen konnte die regierende Concertación bei den Senatswahlen einen wichtigen Erfolg feiern, und mit 19 von 38 Senatoren ihre Mehrheit im Oberhaus erfolgreich verteidigen (obwohl sie insgesamt ein Mandat verloren hat). Dies ist insbesondere dem erstaunlich guten Abschneiden der Christdemokratischen Partei zu verdanken, die 3 zusätzliche Mandate gegenüber den Wahlen 2005 gewann (sogar 4, wenn man die derzeitige Fraktion nach dem Parteiausschluss von Adolfo Zaldívar zum Ausgangspunkt nimmt) und somit künftig insgesamt 9 Senatoren stellen wird. Bei den vorigen Wahlen hatte die Christdemokratische Partei eine empfindliche Niederlage erlitten, als sie mit nur sechs Senatoren von der ehemals stärksten zur vierten Kraft abgerutscht war und ihre Repräsentanz im Oberhaus dadurch quasi halbiert wurde. Nach den gestrigen Wahlen ist sie vor den beiden rechtskonservativen Parteien UDI und RN wieder stärkste Kraft im Senat, und zweitstärkste im Parlament.

Andererseits konnte die oppositionelle Coalición por el Cambio einen großen Erfolg bezüglich der Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus für die nächste Legislaturperiode verbuchen. Zum ersten Mal seit 1989 errang sie mehr Mandate als das Mitte-Links-Lager, obwohl die Concertación sich für die Wahlen des Unterhauses mit der kommunistischen Partei (PC) des Bündnisses Juntos Podemos zusammengeschlossen hatte, um so ein besseres Ergebnis zu erlangen. Dieser Pakt, geschlossen mit dem Ziel, den bisherigen Ausschluss der Kommunistischen Partei zu korrigieren, vor allem aber auch, um die sechs „doblajes“ der Concertación - also zwei Abgeordnete im selben Wahlkreis – bei den vorherigen Wahlen zu verteidigen, ging so nicht auf. Während die kommunistische Partei mit 3 Abgeordneten zum ersten Mal seit 36 Jahren wieder ins Parlament einzieht, konnte die Concertación in keinem einzigen Wahlkreis beide Kandidaten durchbringen. Dies gelang nur der Coalición por el Cambio im arrivierten Stadtteil Las Condes-Vitacura in Santiago.

Insgesamt stellt die Coalición künftig 58 von 120 Abgeordneten und konnte ihren Stimmenanteil von 38,70 Prozent bei den Wahlen im Jahre 2005 auf nun 43,4 Prozent steigern. Dies ist nach 2001 das beste Ergebnis, das das Mitte-Rechts-Lager seit 1989 erreicht hat. Stärkste Kraft ist weiterhin die Unión Demócrata Independiente (UDI), die einen beachtlichen Zuwachs von 5 Mandaten erreichen konnte, obwohl sie keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schickte.

Alle Parteien der Concertación haben hingegen Mandate verloren und mussten einen empfindlichen Rückgang ihrer Wählerschaft von 51,77 Prozent bei den letzten Wahlen 2005 auf nun 44,4 Prozent hinnehmen. Dies ist somit das schlechteste Ergebnis der Regierungsparteien seit der Rückkehr zur Demokratie. Innerhalb des Mitte-Links-Bündnisses erreichte die Christdemokratische Partei noch ein mehr oder weniger respektables Ergebnis, wenn man das enttäuschende Gesamtresultat der Concertación berücksichtigt. Die PDC verlor zwar im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren 2 Mandate im Abgeordnetenhaus und rund 6 Prozent der Stimmen, ist mit 19 Mandaten jedoch zusammen mir der Sozialdemokratischen Partei wieder stärkste Kraft im Mitte-Links-Parteienbündnis. Nach dem desaströsen Abschneiden bei den Kommunalwahlen im Oktober 2008 mit 13,96 Prozent kam die Christdemokratie nun auf 14,30 Prozent der Stimmen, eine leichte Verbesserung, die in der Parteizentrale mit Erleichterung aufgenommen wurde. Das Ergebnis fällt sogar noch etwas günstiger aus, wenn man berücksichtigt, dass die aktuelle Fraktion der Christdemokraten nach dem Austritt in 2007 von 5 ihrer Mitglieder nur noch 16 Abgeordnete umfasst.

Auf 3 Abgeordnete und 4 Prozent der Stimmen kam die Regionalistische Partei Unabhängiger Kandidaten (PRI), in deren Reihen sich mehrere ehemalige Mitglieder der Christdemokratischen Partei befinden, unter anderem Adolfo Zaldívar, der 2007 aus der PDC ausgeschlossen worden war, dieses Mal jedoch nicht kandidierte. Im neuen Unterhaus werden künftig 18 Frauen sowie 45 Neulinge vertreten sein. Das Durchschnittsalter der 120 gewählten Abgeordneten beträgt 50 Jahre.

Ausblick

Dank seines Vorsprungs von 14 Prozentpunkten (und mehr als einer Million Stimmen) auf seinen schärfsten Kontrahenten gab sich Piñera am Abend des Wahltages seinen Anhängern gegenüber erwartungsgemäß siegesbewusst. Realistisch gesehen dürfte ihm der Sieg kaum noch zu nehmen sein. Am Tag nach der Wahl sprach die Presse dementsprechend schon vom Anfang einer neuen Ära. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Piñera in allen Regionen des Landes auf den ersten Platz kam, sogar in den ländlichen und ärmeren Teilen Chiles, die bislang traditionell für die Concertación gestimm t haben. Trotz der deutlichen Mehrheit im ersten Wahlgang darf er sich jedoch nicht zu sicher sein, der nächste Präsident Chiles zu werden. Im Lager der Concertación wird hervorgehoben, dass bei den Wahlen 2005 Piñera und der zweite rechtskonservative Kandidat Lavín auf insgesamt 48 Prozent kamen und die Concertación mit Michelle Bachelet trotzdem den zweiten Wahlgang gewinnen konnte.

In den kommenden 30 Tagen bis zur Stichwahl wird sich Piñera deshalb insbesondere um die Anhänger Arrates und Enríquez-Ominamis sowie um noch unentschlossene oder unzufriedene Wähler aus der Mitte der Gesellschaft kümmern müssen. Hier macht Piñera weiterhin sein Image zu schaffen, das ihm schon in der letzten Wahl 2005 gegen Bachelet letztendlich den Sieg kostete. Piñera gilt in Chile, und selbst innerhalb der eigenen Koalition, als sehr umstrittene Person. Sein Ruf als einer der reichsten Unternehmer des Landes ist weiterhin an ihm haften geblieben und könnte Wähler abschrecken, die keine politischen Kompetenzen an jemanden übertragen möchten, der sie schon im wirtschaftlichen Raum besitzt. Möchte sich Piñera als die beste Option für das Präsidentenamt darstellen, muss es ihm gelingen, noch mehr Stimmen aus dem politischen Zentrum auf sich zu ziehen. Schafft es der Unternehmer, in den kommenden Wochen bis zur Stichwahl seine Offensive in Richtung der politischen Mitte zu verstärken, ist es durchaus denkbar, dass auch traditionell christdemokratische Wähler im zweiten Wahlgang seine Kandidatur unterstützen.

Die Kampagne von Frei hatte in den Monaten vor der Wahl meistens nur im negativen Sinne Schlagzeilen gemacht. Zu den enttäuschenden Umfragewerten des Präsidentschaftskandidaten summierte sich der aktuell schlechte Zustand der Concertación, die sich in letzter Zeit immer niedrigeren Mitgliederzahlen, Korruptionsproblemen und Parteiaustritten von prominenten Abgeordneten gegenüber sah. Aus diesem Grund driftete das Bündnis in den Monaten vor der Wahl immer weiter auseinander.

Auch war Frei nur bedingt in der Lage, die momentan hohe Popularität der Regierung auf seine Kampagne zu übertragen. Aus dem Wahlkampfteam Freis wurde angedeutet, dass man für den zweiten Wahlgang verstärkt auf das Umfragehoch der Staatspräsidentin und ihrer Regierung setzen möchte. So plant man, sich als die beste Option zu präsentieren, um die erfolgreiche Politik der Concertación fortzuführen. Bisher hat der Bachelet-Faktor jedoch wenig Wirkung gezeigt. Das schlechte Ergebnis von Frei war deshalb auch für die Regierung ein großer Schock. Sie reagierte umgehend. Am Tag nach der Wahl gab eine Vertraute Bachelets, die Pressesprecherin Carolina Tohá, ihren Rücktritt bekannt, um das Wahlkampfteam Freis zu verstärken.

Auch hofft man bei der Concertación, die Wähler von Arrate und Enríquez-Ominami im ersten Wahlgang von den Vorzügen Freis überzeugen zu können. Enríquez-Ominami hat allerdings unmittelbar nach den Wahlen angekündigt, keine direkte Wahlempfehlung auszusprechen, während Arrate sich zu Gesprächen bereit erklärt hat, jedoch Frei keinen „Blankoscheck“ ausstellen möchte. Trotzdem war man am Abend der Wahl in der Parteizentrale der Christdemokraten optimistisch, die Mehrheit der Wähler der beiden geschlagenen Kandidaten auf Frei vereinen zu können. Die meisten Chilenen, so die Einschätzung, seien progressiv und linksgerichtet und würden demnach am 17. Januar den Kandidaten des Mitte-Links-Bündnisses wählen. Dennoch muss bezweifelt werden, ob eine Polarisierung der Wählerschaft, die sich in den letzten Jahren zunehmend von der überholten Dichotomie „Links-Rechts“ abgewandt hat, den ersehnten Erfolg im zweiten Wahlgang bringen wird.

Ungeachtet, ob letztendlich Piñera oder Frei die Stichwahl gewinnt, scheint die Kontinuität des erfolgreichen chilenischen Wachstumsmodells der letzten Jahre sichergestellt zu sein. Beide Anwärter auf Chiles höchstes politisches Amt haben sich in den letzten Monaten als die beste Option präsentiert, um das Land aus der globalen Wirtschaftskrise zu führen, die auch an Chile nicht spurlos vorbeigezogen ist. Frei glaubt, dass der Staat auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Wirtschaftspolitik spielen muss, während der wirtschaftsliberale Unternehmer Piñera einen weniger aktiven Staat bevorzugt und in den letzten Monaten insbesondere die zu hohen Ausgaben oder Markteingriffe der Regierung kritisiert hat. Es besteht allerdings Konsens zwischen beiden Kandidaten, dass es angesichts des kleinen Binnenmarkts keine Alternative zu einer starken Einbindung in die Weltwirtschaft gibt. Wegen des beispiellosen Erfolges will man am bisherigen marktwirtschaftlichen Modell, einem soliden Haushalt und der Integration in den Welthandel festhalten. Protektionistische Maßnahmen und eine Abkehr vom Außenwirtschaftskurs der vergangenen Jahre sind daher nicht zu erwarten, egal wer letztendlich in die Moneda, den chilenischen Präsidentenpalast, einzieht. Es ist zu erwarten, dass sich das Land unter großer politischer Stabilität weiter in Richtung wirtschaftlichen Fortschritts und zunehmender sozialer Gerechtigkeit entwickelt.

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