Reportajes internacionales
Die Besonderheit des Abkommens liegt darin, dass es sich nicht auf den Handel beschränkt, sondern aus den drei Komponenten Freihandel, politischer Dialog und Entwicklungszusammenarbeit besteht.
Zwischen Oktober 2007 und Februar 2010 fanden acht Verhandlungsrunden, zahlreiche technische Arbeitssitzungen, sowie Informations- und Konsultationstreffen mit Produzenten und Vertretern der Zivilgesellschaft statt.
Die Europäische Union hatte auf Verhandlungen von “Block zu Block” bestanden, Zentralamerika einigte sich intern auf einen rotierenden Verhandlungsvorsitz.
Bewertung aus costaricanischer Sicht
Von Februar bis Mai 2010 bestand ein starker Druck von beiden Seiten das Abkommen zu unterzeichnen. Zähe Verhandlungen innerhalb der Handelskomponente, und zwar vor allem über die Quoten für sensible Produkte, verzögerten den Abschluss. Erst das Entgegenkommen der EU in einigen Punkten ermöglichte die Unterzeichnung.
Grundlage der Handelskomponente ist das allgemeine Präferenzsystem für den Import zentralamerikanischer Produkte nach Europa APS+ (auf Spanisch SGP+).
In dem seit Jahren andauernden Streit um den Import von Bananen - gerade aus Costa Rica - in die EU, wird nun der Zoll auf 75 EUR/t innerhalb der nächsten 10 Jahre gesenkt, was einen großen Erfolg für die costaricanische Delegation darstellt.
Bezüglich der Herkunftsbezeichnungen der Produkte wurde beschlossen, dass bei Nahrungsmitteln die gesamte Wertschöpfungskette in der jeweiligen Region liegen muss. So lässt sich beispielsweise vermeiden, dass ein europäischer Anbieter äußerst preisgünstigen Kaffee aus Vietnam importiert, weiterverarbeitet und dann in der Kaffeeregion Zentralamerika verkauft. Bei den geographischen Herkunftsangaben wurde auf Druck des größten zentralamerikanischen Produzenten von Milchprodukten erreicht, dass bereits registrierte Marken wie z.B. “Käse Typ Mozzarella” bestehen bleiben dürfen. Vom europäischen Import nach Zentralamerika ausgeschlossen sind Milch, Fleisch, bestimmte Gemüsesorten und Süßigkeiten.
Das Abkommen beinhaltet die Möglichkeit, die Zölle wieder hoch zu setzen, falls Zentralamerika von auf Dumping oder Agrarsubventionen basierenden europäischen “Billigimporten” überschwemmt würde.
Laut dem costaricanischen Verhandlungsführer und mittlerweile Vize Außenhandelsminister Fernando Ocampo, stelle das Abkommen für Costa Rica eine Chance dar. Das Land könne nun nicht nur zu vorteilhaften Bedingungen auf dem größten gemeinsamen Markt der Welt von 500 Millionen Konsumenten verkaufen, sondern auch neue ausländische Direktinvestitionen anziehen. Diesen böte Costa Rica im regionalen Vergleich ein stabiles Umfeld und gut ausgebildete Arbeitskräfte. Zudem sei es auf Grund diverser Freihandelsverträge bald möglich, das, was im Land produziert wird, mit Leichtigkeit nicht nur in die USA, nach Kanada und Mexiko, sondern auch nach Europa, China und Singapur zu exportieren.
Im Unterschied zu anderen Freihandelsabkommen, umfasst die Handelskomponente des Assoziierungsabkommens ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung. Allerdings bestätigt das Abkommen nicht mehr und nicht weniger als die bereits von den zentralamerikanischen Staaten unterzeichneten Abkommen über Arbeiterrechte und Sozialstandards der International Labour Organisation. Die Europäische Union wollte sanktionsgebundene Mechanismen für Monitoring und Evaluation der von Zentralamerika ratifizierten Abkommen mit einschließen, was Zentralamerika jedoch verweigerte. Dies bedeutet einen Rückschritt vom APS+, welches solche Monitoringmechanismen bereits beinhaltet.
In der Komponente “Politischer Dialog” sind Menschenrechte, Arbeiterrechte und Umweltstandards mit eingeschlossen, aber nicht mehr als sowieso schon im APS +. Zu knapp fallen diese z.B. im Bereich indigene Rechte an Biodiversität aus. Die EU hatte vorgeschlagen eine größere Liste aktueller und zukünftiger Abkommen in das Abkommen mit aufzunehmen. Zentralamerika sprach sich auf Druck seiner Privatwirtschaft jedoch dagegen aus.
Zur Begleitung der Umsetzung des Assoziierungsabkommens wird ein Komitee gebildet werden, an welchem auch Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen werden. Es handelt sich bei diesen um das Konsultativkomitee des Zentralamerikanischen Integrationssystems CC-SICA und sein europäisches Pendant CESE, so Carlos Molina, Vorsitzender des Konsultativkomitees.
Laut Molina lässt sich zusammenfassend feststellen, dass in den Komponenten “Politischer Dialog” und “Entwicklungszusammenarbeit” sehr gute Bestandteile enthalten sind, die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards aber durch mangelhafte Monitoring- und daran gekoppelte Sanktionsmechanismen im Handelsteil fragwürdig ist. Europa hätte auf diese bestehen und im Gegenzug stärkere Konzessionen in der Handelskomponente anbieten sollen.
Auf Grund der genannten Faktoren dürften die Gesamtauswirkungen des Abkommens nicht überschätzt werden. Dennoch könne mit der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in der Region gerechnet werden.
Die Bedeutung des Abkommens für beide Regionen
Nach den langwierigen und eher erfolglosen Verhandlungen mit dem MERCOSUR und der Andengemeinschaft war es für die Europäische Union wichtig zum ersten Mal einen Verhandlungserfolg von Region zu Region vorweisen zu können.
Mit dem Abkommen und den daran geknüpften Bedingungen, wie beispielsweise der Einrichtung einer Zollunion zwischen den Staaten Zentralamerikas, kann die EU (als einzig wirkliche Zollunion der Welt) beweisen, dass eine solche auch außerhalb der Grenzen Europas funktionieren kann.
Zentralamerikas Bedeutung als Durchgangsroute des Drogentransportes von Südamerika nach Europa und als Herkunftsregion von Immigranten, gerade nach Spanien, steigt. Im Hinblick auf diese beiden problematischen Entwicklungen, kann das Abkommen auch als Versuch der Europäer interpretiert werden, an Bedeutung in der Region hinzu zu gewinnen. Die Pflege zusätzlicher "Verbündeter” auf internationaler Ebene als Gegengewicht zu den USA mag zudem eine Rolle spielen. Im Einstiegsdiskurs der europäischen Verhandlungsführer jedenfalls nahm die Komponente “Politischer Dialog” den größten Raum ein.
In Zentralamerika stammen 60 % der Exporte nach Europa aus Costa Rica. Somit ist die EU für Costa Rica der zweitwichtigste Exportmarkt für gut 600 verschiedene Produkte, von denen ein beachtlicher Anteil von Kleinst-, Klein- und mittelgroßen Unternehmen hergestellt wird. Es ist folglich offensichtlich, dass Costa Rica vor allem an der Handelskomponente des Assoziierungsabkommens interessiert ist, wohingegen für Nicaragua, aber auch für Honduras und Guatemala (alle drei Schwerpunktländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit), vor allem die Entwicklungszusammenarbeitskomponente von Interesse ist.
Panama wiederum, welches erst als Beobachter teilnahm, letztendlich sich dann doch dem Abkommen anschloss, wird als Finanz- und Versicherungsdienstleistungszentrum und Besitzer des Kanals ebenfalls von der Handelskomponente profitieren wollen.
Nach den Erfahrungen mit dem Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens zwischen den USA und Zentralamerika CAFTA, welche in Costa Rica in einem die Bevölkerung spalteten Referendum gipfelte, stieß das Assoziierungsabkommen verständlicherweise zuerst auf Skepsis. Gerade aus Akademiker- und NRO-Kreisen hörte man die Befürchtung, es könne sich bei dem Abkommen schlicht und ergreifend um ein weiteres CAFTA handeln. Auch sorgte man sich, das Abkommen würde Verpflichtungen mit sich bringen, die im Verlauf ihrer Umsetzung von Zentralamerika nicht eingehalten werden könnten. Eine wichtige Frage hierbei war, ob die regionale Integration Zentralamerikas tatsächlich wie von der EU gefordert die Voraussetzung des Assoziierungsabkommen sein könne, oder aber erst das Ergebnis.
Herausforderungen während der Verhandlungen
Für die EU fanden sich sensible Themen vor allem in der Handelskomponente und bezüglich konzeptioneller Fragen. Teilweise führten Definitionsunterschiede von Konzepten wie beispielsweise “Gute Regierungsführung” oder “Sozialstandards” zu Missverständnissen, die Einigung auf Importquoten zu langwierigen Diskussionen, so Christina Martins-Barreira, Geschäftsträgerin der Europäischen Kommission für Costa Rica und Panama.
Zentralamerika hatte Schwierigkeiten mit den Regelungen bezüglich seiner Hauptexportprodukte, Migration, indigener Rechte an Biodiversität und der Tatsache, dass Costa Rica sich weigert dem zentralamerikanischen Parlament PARLACEN sowie dem Zentralamerikanischen Gerichtshof beizutreten.
In der siebten Verhandlungsrunde Ende März 2009 in Tegucigalpa, Honduras, überraschte Nicaragua nicht nur die europäischen Verhandlungsführer, sondern auch seine zentralamerikanischen Mitverhandler, in dem es im Alleingang die Einrichtung eines Kooperationsfonds forderte. Dieser Fonds sollte den Produktivsektor und die Infrastruktur Zentralamerikas fördern, um dadurch bessere Voraussetzungen für den Handel mit Europa zu schaffen. Er sollte 60 Mrd. Euro umfassen, von denen die EU 90%, Zentralamerika 10% übernehmen sollten. Costa Rica, El Salvador und Guatemala sprachen sich gegen den Vorschlag aus, da kein zentralamerikanischer Staat zu Zeiten der Wirtschaftskrise über 1,2 Mrd. Euro für diesen Fond verfügte. Auch die EU lehnte den Vorschlag daraufhin ab (zumal die Kooperationsgelder für die Region mittels der Zentralamerikastrategie 2007-13 bereits festgelegt sind). Daraufhin zog sich Nicaragua zurück und die Verhandlungen wurden vorläufig suspendiert. Diese sollten unter Teilnahme Nicaraguas und ohne auf der Schaffung besagten Fonds zu insistieren, Anfang Juli 2009 wieder aufgenommen werden.
Als Reaktion auf den Staatsstreich in Honduras am 29. Juni 2009, schlossen die anderen zentralamerikanischen Staaten das Land aus dem SICA aus und die Verhandlungen des Assoziierungsabkommens wurden erneut auf Eis gelegt. Honduras Wiederaufnahme in das Zentralamerikanische Integrationssystem war ein umstrittenes Thema und wurde erst Ende Juli diesen Jahres beschlossen. Dennoch wurden die Verhandlungen bereits im Februar weitergeführt. Honduras nahm an diesen in eingeschränktem Maße teil und unterzeichnete das Abkommen.
Panama hatte während der Verhandlungen des Assoziierungsabkommens zuerst lediglich Beobachterstatus inne, entschloss sich jedoch letztendlich dem Abkommen beizutreten. Dazu wird sich das Land sowohl der regionalen Zollunion, als auch dem Zentralamerikanischen Wirtschaftsintegrationssystem SIECA anschließen.
Bislang hatte Panama zwar dem Zentralamerikanischen Integrationssystem SICA, nicht jedoch dem Wirtschaftsintegrationssystem SIECA angehört.
Zeitgleich versucht Panama aus dem als wirkungslos geltenden Regionalparlament PARLACEN auszutreten. Da die Mitgliedschaft im regionalen Parlament keine von der EU geforderte Voraussetzung für den Beitritt zum Assoziierungsabkommen ist, hat dies in diesem Bereich keine Konsequenzen. Der panamesische Außenminister Juan Carlos Varela wirbt derzeit für den Ersatz des PARLACEN durch ein neugestaltetes Regionalparlament, welches die regionale Integration effektiv und effizient vorantreiben solle.
Da Costa Rica und Panama sich weigerten PARLACEN und den Zentralamerikanischen Gerichtshof in das Abkommen mit einzuschließen, muss dieses nun von den sechs nationalen Parlamenten ratifiziert werden.
Seit Anfang Juli hat El Salvador den pro tempore Vorsitz des Zentralamerikanischen Wirtschaftsintegrationssystem SIECA inne und kündigte an, in den folgenden sechs Monaten intensiv die Ratifizierung des Abkommens durch die nationalen Parlamente und die Homologisierung der Gesetze in Richtung Zollunion voranzutreiben.