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KONTEXT UND JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN
Eine revolutionäre Initiative war die Unterzeichnung des Grünen Protokolls des brasilianischen Bankenverbands (FEBRABAN) im Jahr 2009: Dieses Dokument definiert Maßnahmen und Praktiken der Banken für gesellschaftliche und umweltbezogene Verantwortung in Übereinstimmung mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung. Dies führte zu einer neuartigen Richtlinie, dem Beschluss Nr. 4.327 der brasilianischen Zentralbank, die die Implementierung einer Strategie zu sozial-ökologischer Unternehmensverantwortung in allen Finanzinstitutionen vorsieht.
Seitdem hat es einige Erfolgsgeschichten zunehmender Beteiligung des Privatsektors an der Klimafinanzierung (z. B. Green Bonds) gegeben, doch das Engagement des Privatsektors bleibt insgesamt marginal. Angesichts der ausgeschöpften Finanzierungskapazitäten des brasilianischen Staates infolge der anhaltenden schweren Wirtschaftskrise und damit verbundenen unvermeidlichen fiskalpolitischen Anpassungsmaßnahmen ist eine auf nationale Entwicklungsbanken konzentrierte Strategie wenig nachhaltig. Deshalb muss die brasilianische Regierung auf die Schwächen ihrer eigenen Politik reagieren – mit der gezielten Förderung von Privatinvestitionen und dem Abbau von Marktbarrieren.
RECHTLICHE GRUNDLAGEN UND IMPLEMENTIERUNG
Einem Bericht der G20 Climate Finance Study Group (CFSG) an die Finanzminister von 2015 zufolge „(ist) Brasiliens nationale Anpassungspolitik durch ein starkes gesetzliches Mandat gestützt, welches die Rollen und Verantwortung der Institutionen sowie Finanzierungsarrangements geklärt hat” (CFSG Vgl. 2015). Darüber hinaus benennt das „Brasilianische Gesetz zur Bekämpfung des Klimawandels” (PNMC, Gesetz Nr. 12.187/2009) 23 Instrumente, darunter spezifische Programme zur Vergabe von Darlehen und Finanzierungen an öffentliche und private Akteure.
Von grundlegender Bedeutung für den Paradigmenwechsel in der brasilianischen Entwicklungsstrategie ist außerdem der national festgelegte Klimaschutzbeitrag des Landes (NDC). Trotzdem sind weder die Verpflichtungen des brasilianischen NDC an den Zugang zu einer Finanzierung gekoppelt noch verfolgt das Land eine auf Klimafinanzierung ausgerichtete Politik. Nichtsdestotrotz gab es Entwicklungen im Hinblick auf Subventionen, Green Bonds und das CO2-Preissystem, die im Folgenden erläutert werden.
- Subventionen: Im Bereich der Subventionen bietet das 2010 begonnene Programm „Kohlenstoffarme Landwirtschaft” (ABC) Produzenten Zugang zu fest verzinsten Darlehen (aktuell 8,5 Prozent). Die Zinsdifferenz zum brasilianischen Standardzinssatz (12,25 Prozent) trägt die Regierung durch die BNDES. Um Zugang zu diesen vergünstigten Darlehen zu erhalten, muss der Produzent einen Projektentwurf mit klaren Umweltschutzzielen vorlegen, die zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen beitragen, wie etwa die Renaturierung von Weideflächen, Abfallbehandlung oder Wiederaufforstung. Dieses Programm ist bedeutsam, da die Landwirtschaft nach der Entwaldung Brasiliens zweitgrößter Treibhausgasemittent ist.
- Green Bonds: Im Juli 2016 umfasste der brasilianische Markt für festverzinsliche Wertpapiere mit positiven Umwelteigenschaften 2,9 Milliarden US-Dollar. Die erste Ausgabe von lokalen Green Bonds erfolgte 2015/2016. Besonders groß ist das Potenzial von Green Bonds im Agribusiness-, Forst- und Energiesektor, aber auch im Transportwesen sowie in der Bau- und Abwasserbranche. Unternehmen ohne Zugang zum Kapitalmarkt könnten Green Bonds durch Banken ausgeben. Allerdings weist der brasilianische Kapitalmarkt strukturelle Probleme auf, darunter hohe Marktbarrieren, eine geringe Börsennotierung der Wirtschaft und eine niedrige Liquiditätsrate.
- CO2-Preissystem: Die brasilianische Bundesregierung hat bisher noch kein CO2-Preissystem implementiert, weder in Form eines Emissionshandelssystems (ETS) noch einer CO2-Steuer, obwohl das brasilianische Finanzministerium internationale Initiativen eingehend geprüft hat. Im Unterschied zu anderen Ländern sieht Brasiliens NDC keine Beteiligung an einem internationalen CO2-Markt vor, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Stattdessen legt der NDC fest, dass Brasilien sich seine Position in Bezug auf die Möglichkeit der Nutzung jeglicher Marktmechanismen vorbehält, die im Rahmen des Pariser Abkommens eingeführt werden können, und gibt damit nicht zu erkennen, wie die Selbstverpflichtungen erfüllt werden sollen. Um das Reduktionsziel in Höhe von 43 Prozent der nationalen Emissionen gegenüber einem Business-as-usual-Szenario bis 2030 zu erreichen, wird Brasilien allerdings neben einer effektiven Beendigung der illegalen Abholzung ein ETS benötigen, das CO2-Emissionen im Energiesektor mit ca. 50 US-Dollar pro Tonne CO2 belegt, damit Investitionsentscheidungen in diesem Sektor tatsächlich in Richtung erneuerbare Ressourcen und Biotreibstoffe gelenkt werden.
- Zusätzlich zielt das PNMC darauf ab, den „Brasilianischen Markt für die Emissionsreduzierung” (MBRE) zu stimulieren – ein börsenkontrollierter institutioneller Rahmen, der den Handel mit Emissionszertifikaten erleichtern soll. Allerdings herrscht in Brasilien mangelnde Nachfrage nach Emissionszertifikaten und die Festlegung von Details für die Regulierung dieses Marktes steht noch aus, etwa für die Art der zu handelnden Emissionszertifikate.
ANREIZE UND ERFAHRUNGSWERTE
Die Förderung der Privatsektor-Klimafinanzierung in Brasilien ist strategisch bedeutsam, da daraus zukünftig aller Voraussicht nach Wettbewerbsvor- bzw. -nachteile entstehen werden. Eine zunehmende Anzahl von Ländern implementiert Preissysteme für Treibhausgasemissionen, sodass in Zukunft die Einfuhr von mit Kohlendioxid hochbelasteten Produkten absehbar beschränkt werden wird. Das nationale ETS der Volksrepublik China (das 2018 in Kraft treten soll, doch bereits jetzt laufen in einigen Provinzen Pilotvorhaben) ist ein starkes Signal für andere Schwellenländer. In Kürze werden Großkunden von ihren Zulieferern Informationen bezüglich Treibhausgas-emissionen der Produkte einfordern, was effektiv ein neues Einkaufskriterium darstellt, da es wenig sinnvoll erscheint, wenn ein Staat seine Emissionen zwar im Inland senkt, aber weiterhin CO2-intensive Produkte einführt (sogenanntes Carbon Leakage). Außerdem stellt sich der Privatsektor auf zukünftige Regulierungen auf nationaler Ebene ein, sei es auf Regulationsrisiken und Imageverluste oder auf die Wahrnehmung von Geschäftsmöglichkeiten und die Förderung von Innovationen.
Damit Brasilien international nicht zurückbleibt und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie nicht noch weiter sinkt, treten brasilianische Unternehmen in zunehmendem Maße internationalen Initiativen bei, etwa Carbon Pricing Leadership Coalition (CPLC), Carbon Pricing Championund We Mean Business. Außerdem fördern mehrere internationale Initiativen den Einsatz von CO2-Preissystemen: Business Initiatives on Climate (IEC), Council for Sustainable Market Development (CEBDS), Ethos Institute Climate Forum und Global Compact Network Brazil. Hervorzuheben ist das GVces Companies for the Climate Platform (EPC) und die Simulation einesCap-and-Trade-Systems.Die Initiative begann 2014 als Lernmodell für Unternehmen und umfasste 2016 bereits 30 Großunternehmen aus neun Branchen, die ca. 60 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen (5,5 Prozent der landesweiten Emissionen im Jahr 2014, abgesehen von Landnutzungsänderungen). Diese Pionierinitiative ist das einzige aktive ETS in Lateinamerika.
G20 UND GLOBAL GOVERNANCE
Mit Blick auf die politischen Ungewissheiten in den USA und die zu erwartenden, durch den Klimawandel wachsenden Instabilitäten und Konflikte sind sich brasilianische Experten einig, dass Institutionen und Governance-Strukturen wie die G20 gestärkt werden müssen. Mit der UNEP Inquiry,derFinancial Stability Board’s Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures und der CFSG wurden bereits wichtige Meilensteine innerhalb von internationalen Organisationen erreicht, die die Diskussion voranbringen. Die deutsche G20-Präsidentschaft 2017 hat zudem die Hoffnung geweckt, dass die Privatsektor-Klimafinanzierung international vorangetrieben wird, da Brasilien Deutschland als führende Industrienation in der Klima- und Energiepolitik wahrnimmt.
Hohe Erwartungen sind auch an neue von Schwellenländern geführte Finanzinstitutionen geknüpft, etwa an die New Development Bank(NDB) der BRICS-Staaten, an der Brasilien beteiligt ist, und die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), deren Gründungsmemorandum Brasilien unterzeichnet hat (gegenwärtig befindet sich Brasilien im Endstadium der Formalisierung seiner Mitgliedschaft in dieser Bank). Sowohl die NDB als auch die AIIB verfügen über Startkapital in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar und geben sich das Motto „Lean, Clean and Green” (etwa „unbürokratisch, sauber und umweltfreundlich”). Während die NDB ankündigte, nach ersten Darlehen zur Finanzierung nachhaltiger Projekte ihre Darlehen bis 2017 auf 2,5 Milliarden US-Dollar aufzustocken, entwickelte die AIIB ein zielorientiertes Darlehensprogramm mit insgesamt neun Kreditprogrammen, die Ende 2016 insgesamt 1,73 Milliarden US-Dollar umfassten.
FAZIT UND AUSBLICK
Es ist anzunehmen, dass die Implementierung einer CO2-Steuer oder eines ETS in Brasilien nicht vor 2018 erfolgen wird, da sich die Regierung bisher zu diesem Thema nicht entschlossen geäußert hat und die Ausarbeitung von derlei Instrumenten zeitintensiv ist. Fortschritte in der Übernahme eines Emissionsmarktmechanismus sind für das Land in mehrfacher Hinsicht von Vorteil: Brasilien könnte sich als Pionier in Lateinamerika positionieren und ein Zentrum für den Handel mit Emissionszertifikaten in der Region werden. Außerdem ist die Privatsektor-Klimafinanzierung von entscheidender Bedeutung auf dem Weg hin zu einer Dekarbonisierung der Wirtschaft bis 2100, die im Kontext der Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen im Jahr 2015 verkündet wurde. Es wäre wünschenswert dass die G20 einen Beitrag dazu leistet, die Privatsektor-Klimafinanzierung in den Mittelpunkt der brasilianischen Klimapolitik zu rücken und entschieden politisch zu unterstützen.
ÜBER DIE AUTORINNEN
Karina Marzano Franco ist Projektkoordinatorin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung in Lima, Peru.
Marina Caetano ist Projektkoordinatorin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rio de Janeiro.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
CFSG 2015: Report to the Finance Ministers, in: http://bit.ly/2vtfC33 (06.07.2017).
FEBRABAN/CEBDS 2016: Guidelines for Issuing Green Bonds in Brazil in 2016, in: http://bit.ly/2vtbXCu (06.07.2017).
Institut du développement durable et des relations internationales (IDDRI) 2015: Beyond the Numbers: Understanding the Transformation Induced by INDCs, in: http://bit.ly/2uqjswZ (06.07.2017).
Konrad-Adenauer-Stiftung 2016: Mudanças climáticas: o desafio do século, Cadernos Adenauer 2/2016, in: http://bit.ly/2t6VS4N (06.07.2017).
Presidência da República, Casa Civil 2010: Subchefia para Assuntos Jurídicos (2009-2010), Política Nacional sobre Mudança do Clima, PNMC, in: http://bit.ly/2v8QejO (06.07.2017).
Samaniego, Joseluis/Schneider, Heloísa 2017: Financiamiento para el cambio climático en América Latina y el Caribe en 2015, CEPAL, in: http://bit.ly/2u0yMhd (06.07.2017).