Der Rechtsstaatlichkeit sind in Guatemala weitere schwere Rückschläge versetzt worden. Wie die größte Tageszeitung des Landes, Prensa Libre, schrieb, sind die Generalstaatsanwältin und die seit mehr als zwei Jahren nur noch kommissarisch amtierenden Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs "die willigen Handlanger der schmutzigen Machenschaften einer Elite aus Politikern, Militärs und Unternehmern", die sich den Justizapparat immer gefügiger machen. Es gehe darum, sich Straflosigkeit nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch in alle Zukunft zu sichern.
Eine ehemalige Mitarbeiterin der Internationalen Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala CICIG, Leily Santizo, hat die Generalstaatsanwaltschaft festnehmen lassen, gegen Xiomara Sosa, eine frühere Kollegin bei der eigenen Sonderstaatsanwaltschaft gegen die Straflosigkeit, FECI, wurde ein Haftbefehl erwirkt. Beide hatten als Anwältinnen die Verteidigung von ins Visier der Mächtigen geratenen und aus dem Dienst entfernten ehemaligen Leiterinnen und Leitern der FECI übernommen. Formell vorgeworfen wird Santizo Obstruktion der Justiz, weil sie beantragt hatte, die Untersuchung gegen den früheren FECI-Chef Sandoval mit dem größten Korruptionsskandal Lateinamerikas, dem sogenannten Fall Odebrecht, zu verbinden, was die für diesen Fall zuständige Richterin, Erika Aifán, auch bestätigte. Um zu verdecken, wie konstruiert die Vorwürfe gegen Santizo sind, hat Generalstaatsanwältin Consuelo Porras den Fall gegen die Juristin als „geheim“ (bajo reserva) eingestuft.
Die international für ihre Anti-Korruptionsbemühungen bekannte und ausgezeichnete Richterin Aifán selbst muss sich seit einiger Zeit gegen Versuche wehren, ihr die richterliche Immunität zu entziehen, um gegen sie Ermittlungen einleiten zu können. Genau dies ist nun einem Kollegen passiert, dem Richter Pablo Xitumul, und zwar wegen eines Falles, in dem Recht und Gesetz ganz offensichtlich auf den Kopf gestellt werden. Xitumul hatte sich in aller Form über einen Inspektor der Nationalpolizei PNC beschwert, weil der ihn zu Unrecht genötigt hatte, aus seinem Auto auszusteigen, ihn beleidigte und körperlich angegangen war. All dies ist auf einem Video dokumentiert. Dennoch hat der Polizist den Richter wegen Amtsanmaßung angezeigt, und genau deswegen wurde diesem nun vom Obersten Gerichtshof die Immunität entzogen. Xitumul war unter anderem an der Verurteilung zu 15 Jahren Haft wegen Korruption der früheren Vize-Präsidenten Roxana Baldetti und zu 80 Jahren Haft wegen Völkermordes des ehemaligen Militärdiktators Efraín Ríos Montt beteiligt, weshalb der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof CIDH Guatemala sogar aufgefordert hatte, dem Richter besonderen Personenschutz zukommen zu lassen. Die Tochter von Ríos Montt, Zury Ríos, ist Favoritin der Machtclique für die Nachfolge von Präsident Alejandro Giammattei.
Dem früheren Kollegen am Obersten Gerichtshof und derzeitigen Präsidenten des Wahlgerichtshofs TSE, Ranulfo Rafael Rojas, dem nicht nur die Fälschung seines akademischen Titels, sondern auch Beteiligung an einer versuchten Manipulation bei der Vergabe von Justizposten vorgeworfen werden, entzog man die Immunität hingegen nicht, so dass die Vorwürfe ungeklärt bleiben werden. Zudem wurde bekannt, dass Rojas seit Oktober ein General des Militärs als Berater zur Seite steht, der ihn unter anderem in Fragen der Vorkehrungen für die geordnete Durchführung der nächsten Wahlen im Juni und August 2023 beraten soll.
Zu all dem passt, dass Guatemala im Rechtsstaatlichkeits-Ranking des World Justice Project auf Platz 109 von 139 abgerutscht ist.
Die Hängepartie im neu gewählten, aber gespaltenen Kongress in Honduras konnte Anfang der Woche beendet werden. Der Abgeordnete der Regierungspartei Libre, Jorge Cálix, der sich ausgerechnet mit den Stimmen der oppositionellen Nationalpartei (PNH) und knapp der Hälfte seiner Fraktionskolleginnen und –kollegen zum Präsidenten des Parlaments hatte wählen lassen, erklärte seinen Verzicht auf das Amt und reihte sich wieder in die Ränge der Fraktion ein. Auch das Angebot von Präsidentin Castro, als Minister die Regierungsgeschäfte zu koordinieren, nahm er nicht an. Aber selbst wenn jetzt das „alternative“ Parlamentspräsidium um den Abgeordneten Luis Redondo von der Partei Salvador de Honduras (PSH) amtiert, zweifeln Verfassungsexperten dessen Legitimation weiterhin an und drängen auf eine Neuwahl.
Die derzeit wichtigste Debatte im Kongress dreht sich um die Einrichtung einer von den VN geführten internationalen Anti-Korruptionskommission für Honduras, CICIH. Dazu bedarf es auch der Mitwirkung (wenigstens eines Teils) der PNH, ohne die die erforderliche „qualifizierte Mehrheit“ von 86 Stimmen nicht zustande kommt. Oppositionsführer Tomas Zambrano hat auf Befragung im Parlament erklärt, dass die PNH der Einrichtung zustimmt, wenn das Mandat der CICIH auf mindestens 12 Jahre festgeschrieben wird. So will die Partei erreichen, dass ggf. auch Entscheidungen und Maßnahmen der derzeitigen Regierung Castro irgendwann untersucht werden können. Die USA haben jedenfalls bereits ihre Unterstützung für die Arbeit der Kommission zugesagt. Praktisch gleichzeitig erklärte US-Außenminister Blinken persönlich, dass Ex-Präsident Juan Orlando Hernández bereits seit Juli letzten Jahres auf der sog. Engel-Liste geführt wird. Sein Visum für die USA ist damit widerrufen. Hernández ließ daraufhin seinen persönlichen Anwalt beim Obersten Gerichtshof von Honduras nachfragen, ob ein Auslieferungsgesuch der Amerikaner gegen ihn vorliege, was offenbar bislang jedoch noch nicht der Fall ist.