Zunächst zu den Wahlen
Bei diesen Wahlen wurde nichts dem Zufall überlassen. Stark kontrollierte Medien lenkten den öffentlichen Diskurs zugunsten der Regierung. Die Wahlkommission steuerte den Zuschnitt der Wahlkreise und das Nominierungsverfahren, wie von der Führung des Landes gewünscht, im Interesse der Regierungspartei. Eine geschwächte Zivilgesellschaft und kompromittierte Justiz verhinderten die Überwachung der Wahlen durch unabhängige Instanzen. Die EU-Wahlbeobachtungsmission beschrieb die Wahlen als geprägt von "eingeschränkten Rechten und mangelnder Chancengleichheit sowie Einschüchterung". Auffallend war jedoch, dass die Einschüchterung nicht wie in der Vergangenheit von Militär oder Polizei ausging. Im Zentrum der Vorwürfe stand die neu gegründete Vereinigung Forever Associates Zimbabwe (FAZ), der Verbindungen zum Geheimdienst nachgesagt werden. Auch der Einfluss der Parteistrukturen wurde durch neu geschaffene Organisationen verringert, die direkt auf Präsident Mnangagwa zugeschnitten waren. Dieses Vorgehen zeugt von Mnangagwas mangelndem Vertrauen in die Loyalität seiner eigenen Partei und der Sicherheitsorgane. Beide spielten schon beim Coup gegen seinen Vorgänger Robert Mugabe eine zentrale Rolle.
Ein knapper Sieg birgt Gefahren
Trotz der massiven Kampagne des gesamten Regierungsapparates und der öffentlichen Medien für seine Person und seine Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (ZANU-PF) konnte Mnangagwa nur 52,4% der Stimmen auf sich vereinen. Für den Präsidenten bedeutet dies zunächst fünf weitere Jahre Zugriff auf die immensen Ressourcen des Landes. Dennoch ist der knappe Sieg nicht die Machtdemonstration, die sich Mnangagwa angesichts seiner internen Herausforderer erhoffte. Vizepräsident Constantino Chiwenga (67) war der militärische Anführer des Coups gegen Mugabe. Als General ist er deutlich enger mit dem Militär verbunden als Mnangagwa selbst und scheint nur auf seine Chance zu warten, die Macht zu übernehmen. Auch Saviour Kasukuwere (53), Minister unter Mugabe, hat anscheinend noch Rückhalt in der Partei und positioniert sich als Anführer der durch den Coup entmachteten Parteifraktion. Er lebt derzeit im selbstgewählten Exil in Südafrika und wurde deshalb per Gerichtsbeschluss von dieser Wahl ausgeschlossen. Die Spaltung zwischen Mnangagwa und seiner Partei zeigt sich auch darin, dass er landesweit rund 144 000 Stimmen weniger erhielt als die Parlamentskandidaten der ZANU-PF. In neun Wahlkreisen, die ein ZANU-PF-Kandidat gewann, verlor er sogar gegen seinen Herausforderer Nelson Chamisa (45). Es entsteht das Bild einer Partei, die sich erneut von ihrem eigenen Präsidenten entfremdet – bereits 2008 hätte sie aufgrund interner Spaltungen fast die Macht verloren und 2017 hat sie sogar den Putsch angeführt, der das Ende langjährigen Machthabers Mugabe bedeutete. Es liegt im Interesse der Partei, nach dieser doch umstrittenen Wahl zunächst Signale der Kontinuität und Stabilität zu senden. Doch spätestens in fünf Jahren steht der Partei der zweite interne Machtwechsel in ihrer 43-jährigen Regierungsgeschichte bevor. Mnangagwa muss sich mit einem Nachfolger einigen oder doch noch eine Verfassungsänderung anstreben. Potenzielle Herausforderer haben angesichts seiner geringen Popularität und mangelnden innerparteilichen Unterstützung jedoch ein Interesse daran, sich frühzeitig in Stellung zu bringen und als Lösung für die Probleme des Landes zu präsentieren um abtrünnige Fraktionen unter sich zu einen. In diesem Fall würde sich Mnangagwa noch deutlich vor den nächsten Wahlen einem Machtkampf ausgesetzt sehen.
Mnangagwas ‚Weiter-so‘-Kabinett
Mit dem neu ernannten Kabinett zeigt Mnangagwa kein Interesse an einer Neuausrichtung des Landes. Am deutlichsten wird dies an der Wiederernennung von Finanzminister Mthuli Ncube, der für die Einführung der neuen simbabwischen Währung und deren dramatischen Wertverfall seit 2018 verantwortlich ist. Seinen eigenen Wahlkreis hat Ncube deutlich gegen einen sehr jungen Kandidaten der oppositionellen CCC verloren. Trotz heftiger Kritik ernannte Mnangagwa seinen 34-jährigen Sohn zu Ncubes Stellvertreter. Mit Blick auf die zukünftige Geld- und Währungspolitik ist damit weder ein Kompetenzzuwachs noch ein strategisches Umdenken zu erkennen, das für eine Verbesserung der Situation notwendig wäre. Auffällig ist auch die Versetzung des inhaltlich als kompetent geltenden Bergbauministers Winston Chitando auf den Posten des Ministers für Kommunalverwaltung. Damit wird das Bergbauministerium, das eine entscheidende Rolle für die Verwaltung von Simbabwes Bodenschätzen spielt, geschwächt. Gerade in den beiden Bereichen, die stets im Verdacht stehen, für die Bereicherung der Eliten von zentraler Bedeutung zu sein, zeichnet sich nun ab, dass Mnangagwa selbst eine stärkere Kontrolle ausüben möchte. Diese Entwicklung – verbunden mit der Tatsache, dass Mnangagwas Vertraute weiterhin – und nun auch Familienmitglieder - im Kabinett vertreten sind scheint ein klares Signal zu senden: Die nächste Amtszeit wird keine Reformen mit sich bringen.
Die Opposition übt sich in neuen Strategien
Die Oppositionspartei Citizens Coalition for Change (CCC) von Nelson Chamisa erkennt das Wahlergebnis nicht an und fordert Neuwahlen unter Aufsicht regionaler Institutionen. Dennoch beschloss sie, das Wahlergebnis nicht gerichtlich anzufechten - ohne konkrete Gründe dafür zu anzugeben. Auch Wochen nach der Wahl antwortet Chamisa auf Fragen nach den nächsten Schritten seiner Partei nur mit den Slogans Wandel kommt, Hilfe kommt oder Gott ist dabei. So macht sich unter den Anhängern Resignation breit und die Kritik am mangelnden Führungswillen des Oppositionsführers wird lauter.
Im Wahlkampf setzte die Partei auf neue Strategien, um Sabotage und Einflussnahme durch das Regime zu verhindern. Sie hielt ihre Strukturen weitgehend geheim und verfolgte nach eigenen Angaben eine "strategische Ambiguität" in ihrer Kommunikation. Dies erschwerte es Wählern und Beobachtern, die strategische Positionierung und Reichweite der Partei einzuschätzen. Das Ergebnis zeigt letztlich, dass es der neu gegründeten Partei trotz aller Schikanen gelungen ist, selbst in ehemaligen ZANU-PF-Wahlkreisen zu überzeugen. So wurde die absolute Mehrheit der Regierungspartei gebrochen, und die zuvor zersplitterte Opposition im Parlament wurde unter der CCC vereint. Angesichts der großen Hoffnungen auf einen erklärten Sieg bei den Präsidentschaftswahlen fällt es der Partei jedoch schwer, diesen Erfolg angemessen zu kommunizieren. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es der CCC und Chamisa zu verdanken ist, dass der Wahltag und die Tage nach der Verkündung der Ergebnisse friedlich verliefen.
Das demokratische Potenzial des Parlamentes
Im Zentrum der demokratischen Hoffnungen für die nächsten fünf Jahre steht das neue Parlament. Dieses tagt nicht nur in einem neuen, mit chinesischem Geld finanzierten Gebäude, sondern auch in einer deutlich anderen Zusammensetzung. Nur 30 Prozent der Abgeordneten waren auch in der letzten Legislaturperiode schon Mitglieder des Hohen Hauses. Zudem ist das Durchschnittsalter - nicht nur wegen der eingeführten Jugendquote - deutlich gesunken. Hoffnung für das neue Parlament macht vor allem die gestärkte und geeinte Opposition. Während sich deren Stimmen bisher auf 69 MDC-Abgeordnete, 19 CCC-Abgeordnete und einen Unabhängigen verteilten, konnte die CCC im neuen Parlament mit 103 von insgesamt 280 Abgeordneten die gesamte Opposition auf sich vereinen. Sie hat damit zwar keine Mehrheit, allerdings eine Sperrminorität für Verfassungsänderungen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Damit wächst das Potenzial für die Opposition, die Korruptions- und Reformdebatte gezielt an die Öffentlichkeit zu tragen - vorausgesetzt, die Partei kann sich zu einem klaren strategischen Vorgehen durchringen. Von einer lebendigen Diskussionskultur im Parlament würde auch der von Feindseligkeit geprägte politische Diskurs im Land profitieren. Von der ZANU-PF ist in dieser Hinsicht nicht viel zu erwarten. Zwar sind viele junge und neue Mitglieder der Regierungspartei ins Parlament eingezogen, aber die Auseinandersetzung mit der neu formierten Opposition findet auf einem anderen Parkett statt. Kaum einen Monat nach den Wahlen kam es bereits zu politisch motivierten Verhaftungen und Anklagen gegen zwei CCC-Abgeordnete und zwei Kommunalpolitiker.
Belastete regionale Beziehungen
Die überraschend deutliche Kritik an den Wahlen von Seiten der SADC macht es Mnangagwa schwer, in den Außenbeziehungen einfach zur Tagesordnung überzugehen. Zuletzt hatte es 2008 regionale Kritik gegeben, als die SADC nach umstrittenen und gewaltsamen Wahlen intervenierte, um eine große Koalition zwischen der ZANU-PF und der Opposition auszuhandeln. Entsprechend heftig reagierte die Regierung auf den vorläufigen Bericht der SADC-Mission, der über die Wahlen urteilte, dass sie „nicht im Einklang mit regionalen und internationalen demokratischen Standards“ stünden.
Die Anfeindungen gegen den sambischen Missionschef und ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Nevers Mumba eskalierten bis zur Sperrung des X-Accounts (früher Twitter) von Mnangagwas Sprecher George Charamba. Die Regierung versucht, den Bericht als einen Alleingang des unbeliebten demokratischen Nachbarn Sambia darzustellen. Die Bemühungen von Präsident Hichilema, ein außerordentliches SADC-Treffen zu den Wahlen in Simbabwe abzuhalten, wurden als Angriff auf die Souveränität Simbabwes verurteilt. Die übrigen SADC-Staaten wurden zur Verbrüderung gegen „westliche Marionetten“ aufgerufen – mit einigem Erfolg. Nach einer kurzen Stille im Nachgang der Ergebnisse kamen Glückwünsche von wichtigen regionalen Partnern wie Südafrika, Tansania und der Demokratischen Republik Kongo. Eine Intervention der SADC, auf die die Opposition noch zu hoffen scheint, ist damit unwahrscheinlich.
Das Ergebnis ist ein für viele Beobachter unbefriedigender Mittelweg der SADC - mit einem kritischen Abschlussbericht, aber ohne weitere Handlungsschritte. Dies verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen denjenigen, die den Block als unkritische Legitimationsquelle sehen, und denjenigen, die der SADC in Zukunft mehr regionale Verantwortung zuschreiben wollen. Dabei ist eine leichte Machtverschiebung zugunsten der Letzteren zu beobachten.
Der ungeliebte internationale Blick
Für die Bemühungen um bessere Beziehungen zu Europa und Amerika bedeutet diese Wahl zunächst einmal einen Rückschritt. Mnangagwa hat in der kommenden - seiner letzten - Amtszeit auch keine große politische Motivation mehr, einen schweren Reformweg einzuschlagen, um diese Beziehungen zu verbessern. Es heißt, dass der Dialog über die Umschuldung mit den internationalen Gebern auch nach den Wahlen fortgesetzt wird, obwohl Zusagen zu guter Regierungsführung nicht eingehalten wurden. Es ist noch unklar, ob die Pläne, dem Commonwealth wieder beizutreten, von den Wahlen beeinflusst werden. Da die Erwartungen der ausländischen Beobachter niedrig waren und es keine überraschenden Nachrichten zum Wahlverlauf gab, werden sich internationale Reaktionen wohl auch eher in Grenzen halten. Die alten Partner China, Russland und Südafrika bleiben die "Allwetterfreunde" Simbabwes, und die Beziehungen zu Europa und Amerika bleiben schwierig. Daraus ergibt sich für Simbabwe das wirtschaftliche Problem, dass Investitionen weiterhin ausbleiben. Die Eliten des Landes können diesen Umstand allerdings für sich durch den Rohstoffhandel mit China und Bergbaulizenzen kompensieren.
Die Wirtschaft bleibt Geisel der Politik
Trotz der schwierigen Situation beim Zugang zu Kapital und Investitionen hat die Regierung gezeigt, dass sie in strategischen Sektoren wirtschaftliche Erfolge erzielen kann. Beispiele dafür sind die Tabakproduktion (die als Exportgut dringend benötigte US-Dollar ins Land bringt) und die zuletzt deutlich gestiegene Getreideproduktion (als Absicherung gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine). Entscheidend für diese Erfolge war jedoch allein der politische Wille, diese Sektoren separat zu behandeln, und von den wirtschaftlichen Schwankungen im Land abzuschirmen. Das Wahlergebnis bedeutet vor allem, dass sich die Wirtschaft weiterhin nur in Abhängigkeit von der Regierung entwickeln kann. Daran hat die Regierung aber wenig Interesse, denn die Bereicherung eines größeren Teils der Bevölkerung birgt das Potenzial für das finanzielle Erstarken der Opposition. Zudem sind die Faktoren, die die makroökonomischen Bedingungen so unberechenbar machen, gleichzeitig die Haupteinnahmequellen der Eliten des Landes. Der Wahlsieg bedeutet keine Verbesserung der erratischen Geldpolitik, der unzuverlässigen Stromversorgung und der opportunistischen Besteuerung einzelner Wirtschaftszweige. Vielmehr ist mit einem Ende der wirtschaftlichen Scheinstabilität der Wahlkampfwochen zu rechnen.
Was bleibt?
Die Situation in Simbabwe nach den Wahlen unterscheidet sich nicht wesentlich von der vor den Wahlen. In Bezug auf die Wirtschaft, die innenpolitische Machtdynamik und die internationalen Beziehungen sind nur wenige Veränderungen zu verzeichnen oder zu erwarten. Die stärksten Auswirkungen werden die Wahlen auf das interne Machtgefüge der Regierungspartei haben, was sich allerdings erst im Zuge des anstehenden Machtwechsels zeigen wird. Die Opposition hat nun eine neue Basis im Parlament, über deren strategische Nutzung sie bei den nächsten Wahlen Rechenschaft ablegen muss. Darüber hinaus wird die CCC zeigen müssen, dass sie über die ‚strategische Ambiguität‘ der Wahlkampfzeit hinaus als Partei durch inhaltliche und personelle Führung der Oppositionsbewegung überzeugen kann. Auf internationaler Ebene ist die Wahl eine klare Enttäuschung für diejenigen, die seit 2017 mit Verweis auf die neue außenpolitische Rhetorik Mnangagwas für eine stärkere Annäherung an die Regierung in Harare plädiert hatten.