Reportajes internacionales
„Mein Sohn ist die ganze Zeit im Gefängnis gefoltert worden“, sagte seine Mutter Reina Luisa Tamayo in einem Gespräch mit der bekannten kubanischen bloggerin Yoani Sanchez, die sich mit einem Aufnahmegerät Zugang zum Leichenschauhaus in Havana verschafft und die Informationen direkt über ihren blog Generación Y verbreitet hatte. „Unsere Nachbarn sind extrem arm, aber sie sind alle solidarisch mit mir“, fuhr Reina Luisa Tamayo fort und forderte die Welt auf, sich umso nachhaltiger für die Freilassung der politischen Gefangenen auf Kuba zu engagieren: „Ihnen soll nicht das passieren, was meinem Sohn passiert ist!“
Zapata war 2003 – zusammen mit 74 anderen Dissidenten während des sogenannten „Schwarzen Frühlings“ festgenommen worden. Während diese unter dem Vorwurf der „Konspiration zugunsten der USA“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, kam Zapata zunächst mit einer dreijährigen Einkerkerung wegen „öffentlichen Ungehorsams“ davon – später allerdings wurden seine Haftstrafen auf insgesamt 36 Jahre erweitert, ohne jegliche juristische Substanz und unter ähnlich fadenscheinigen Vorwänden wie bei seinen Mithäftlingen.
Dem Tod Zapatas folgten unmittelbar Dutzende von Festnahmen von Demokraten in verschiedenen Teilen Kubas, mit denen das Castro-Regime ganz offenbar deren Beteiligung am Begräbnis des jungen, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Schwarzen in seinem Heimatort Banes, 830 Kilometer von der Hauptstadt Havanna entfernt, verhindern wollte. Gleichwohl gingen bestürzende Bilder von trauernden Familienangehörigen und Freunden um die Welt. Elizardo Sanchez von der Menschenrechtskommission sprach davon, man habe 30 Bestätigungen über Verhaftungen und Hausarrest. Gleichwohl machten sich viele Menschen, allen voran Mitglieder der Damas de Blanco, auf den Weg nach Banes in der Provinz Holguin. Seit langen Jahren protestieren diese mutigen Frauen gegen die Einkerkerung ihrer Ehemänner.
Für die kubanische Regierung kommt der Tod zu einem ungünstigen Zeitpunkt, hat man doch auf dem gerade zu Ende gegangenen Lateinamerika-Gipfel im mexikanischen Cancún gerade erst wieder die Solidaritätsadressen die Subkontinents eingesammelt. Die Berichterstattung über den Tod Zapatas verdunkelt sogar die Bilder eines lächelnden Brasilianers Luis Ignacio „Lula“ da Silva, der seinen Kuba-Besuch auch zu einem Treffen mit den Castro-Brüdern und zur Einweihung umfangreicher, mit brasilianischer Hilfe errichteter, Infrastrukturprojekte nutzte.
Auch die spanische EU-Präsidentschaft scheint in der Klemme, war es doch ein erklärtes Ziel der spanischen Außenpolitik, eine Wiederannäherung mit Kubas Regime zu erreichen und die „gemeinsame Position“ der Europäischen Union, beschlossen gerade mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen auf der Insel, aufzuweichen. Umgehend drückte die spanische Botschaft in Havanna der Mutter von Zapata jetzt ihre Anteilnahme aus.
Triste Situation der Menschenrechte
Der Tod Zapatas passt zur insgesamt tristen Situation der Menschenrechte auf Kuba, bei der auch nach zwei Jahren Regierung von Raúl Castro keinerlei Fortschritte zu verzeichnen sind, im Gegenteil. Die Nervosität des Regimes zeigte sich schon jüngst einmal mehr an Übergriffen, z.B. auf die Bloggerin Yoani Sanchez und ihren Mann Reinaldo Escobar, im November 2009. Ihr Internetauftritt Generación Y ist schon seit längerem ein Sprachrohr der Unzufriedenheit und wir speziell von Jugendlichen besonders frequentiert.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat in ihrem jüngsten Bericht New Castro, Same Cuba zahlreiche Fälle aufgelistet, die eine Fortsetzung des alten Unterdrückungskurses deutlich machen. „Kubaner, die es wagen, Kritik an der Regierung zu üben, leben in ständiger Angst“, wird etwa der Leiter der Lateinamerika-Abteilung von HRW zitiert. Dazu gehört auch, das Bürger präventiv in Haft genommen werden, ohne das ihnen konkret etwas vorzuwerfen ist. Besonders beliebt ist diese Methoden immer im Vorfeld des Internationalen Tages der Menschenrechte, wo jegliche Art von Demonstration von vorn herein ausgeschlossen werden soll.
Interessant ist die Bewertung Kubas im sogenannten Latinobarometro, dessen Ergebnisse 2009 auf der Basis von 20.000 Interviews im ganzen Kontinent gerade veröffentlicht wurden. Demnach erhält die Insel mit 4,1 auf einer Skala von bis zu 10 Punkten das schlechteste Ergebnis aller Länder – die Kubaner selbst konnten einmal mehr nicht repräsentativ befragt werden. Bei der Bewertung politischer Führer findet sich Fidel Castro dabei auf dem vorletzten Platz – gefolgt nur von seinem ALBA-Partner Hugo Chávez.
Einen Teilerfolg erzielt Kuba immerhin bezüglich der Embargo-Politik der Vereinigten Staaten. Sie wird von 60 Prozent der befragten Lateinamerika abgelehnt, werden 30 Prozent sie befürworten. Besonders verärgert reagierte das Regime derweil auf die Ankündigung der USA, Reisende aus diesem Land besonderen Kontrollen zu unterziehen wie sie für alle die Staaten gelten, die der Unterstützung terroristischer Aktivitäten verdächtig sind.
Druck von der Wirtschaftsfront
Zum Ende des Jahres der fünfzigsten Feierlichkeiten der Kubanischen Revolution sieht auch die Gesamtlage auf der Insel trister aus denn je: Die Wirtschaft ist im freien Fall, selbst jahrzehntelange Errungenschaften werden zurückgenommen. Die Grundversorgung ist für viele Kubaner kaum noch gesichert. Gleichwohl bleiben die von Raúl Castro zu Beginn seiner Amtszeit angekündigten Reformen weitgehend Stückwerk – im politischen Bereich finden sie gleich gar nicht statt.
Eigentlich sollte ja der Oktober 2009 ein besonderes Signal für Kuba setzen. Für diesen Zeitpunkt nämlich wollte Raúl Castro den mehrfach verschobenen VI. Kongress der Kommunistischen Partei Kubas einberufen und ein Aufbruchssignal ins 21. Jahrhundert setzen – die aktuelle Wirtschaftskrise lieferte dann allerdings den Vorwand, den Termin wieder einmal und ohne festes Datum nach hinten zu rücken. Stattdessen regnete es das ganze Jahr über Durchhalteparolen, partielle Kabinettsumbildungen fanden statt und international gelang es Kuba, seine Position in Lateinamerika eher zu stärken. Die Annäherung an die USA beschränkte sich demgegenüber auf bescheidene Gesten.
„Heilige Kühe“ werden geschlachtet
Die kubanische Regierung ist derweil dabei, die Sozialleistungen und Subsidien weiter zu reduzieren. In einigen Ministerien wurden die „comedores obreros“ - 24.500 soll es davon im ganzen Lande geben – „versuchsweise“ geschlossen – eine Einsparung von rund 350 Millionen Dollar will man so erreichen. Sogar die Abschaffung der sogenannten libreta und der Vergünstigungen für Grundnahrungsmittel wird diskutiert, gilt allerdings mangels Alternativen als unwahrscheinlich. 70 Prozent der 11 Millionen Kubaner kennen seit der Revolution vor 51 Jahren nichts anderes als diese Verwaltung des Mangels. 230 Gramm Fleischmix, 3,5 Kilo Reis, 2,5 Kilo Zucker, ein halbes Kilo Bohnen, 230 Gramm Öl, 460 Gramm Fisch, 460 Gramm Huhn, zehn Eier, 460 Gramm Nudeln und 115 Gramm Kaffee stehen jedem Kubaner danach monatlich zu, hinzu kommen täglich ein Brot - Kinder unter sieben Jahren sollen ferner einen Liter Milch täglich erhalten. Der Gegenwert dieser canasta basica liegt umgerechnet bei drei Dollar – nach offiziellen Angaben lag das Durchschnittseinkommen auf Kuba Ende 2008 bei 17 Dollar.
Die Versorgungskrise ist weiterhin dramatisch. Aufgrund von Zahlungsengpässen etwa gingen die kubanischen Importe im vergangenen Jahr von 14 auf vier Milliarden Dollar zurück – allein die Importe aus Spanien sanken um 60 Prozent. Für ein Land, das sich landwirtschaftlich nicht selbst versorgen kann, hat dies unmittelbare Auswirkungen. Wirtschaftsminister Marino Murillo bezifferte den Rückgang der Importe insgesamt auf 37,4 Prozent gegenüber 2008, die kubanischen Exporte seien um 22,9 Prozent niedriger ausgefallen. Interessant dabei, dass die Vereinigten Staaten – trotz der „Boykott-Rhetorik“ seitens der Insel und trotz Embargo – der fünftwichtigste Handelspartner der Insel sind. Das Volumen ist mit geschätzten 590 Millionen Dollar im Jahr 2009 gleichwohl bescheiden – und um 40 Prozent geringer als 2008.
Interessant ist in Murillos Rechenschaftsbericht auch die Angabe, dass die Produktivität im Lande 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent gesunken sei. Unterbeschäftigung und „aufgeblasene“ Mitarbeiterzahlen in den Unternehmen seien dafür der Grund. Das erwartete Wirtschaftswachstum für 2010 gibt die Regierung mit bescheidenen 1,9 Prozent an. Angesichts der Zahlungsengpässe sei die Finanzierung für Divisen bringende Bereiche wie Nickel, Biotechnologie, Tourismus, Tabak und Rum vorrangig.
Das Wirtschaftswachstum des Landes hatte die Regierung für 2009 zunächst mit sechs Prozent angesetzt, die Ziffer dann aber auf 1,8 Prozent reduziert. Unabhängige Beobachter glauben, 2009 könne die Wirtschaftsleistung Kubas sogar deutlich rückläufig gewesen sein.
Gleichwohl werden grundlegende Wirtschaftsreformen auf Kuba wohl weiter auf sich warten lassen. Raúl Castro dämpfte entsprechende Erwartungen und sagte, die angepeilte Reformen würden weit langsamer eingeführt als beabsichtigt. Es gäbe keinen Spielraum für „Improvisation“.
Niedergang der Infrastruktur
Mittlerweile ist der Niedergang der Infrastruktur des Landes sogar Gegenstand der Berichterstattung in den staatlichen Medien. Mit dem Titel „Mit dem Wasser bis zum Hals?“ überschrieb das Parteiorgan Granma etwa einen Beitrag über Probleme der Wasserversorgung. Zuvor hatte die Presse einen Bericht veröffentlicht, nachdem 75 Prozent der asphaltierten Wege und Straße im einem beklagenswerten Zustand seien. Gleiches gelte für die Eisenbahnstrecken in 94 Prozent des Schienennetzes sowie für 40 Prozent der Lokomotiven und Wagons.
Dies alles hindert Kuba nicht, außenpolitisch weiterhin Zeichen zu setzen und speziell die Beziehungen zu seinem Hauptfinanzier Hugo Chavez in Caracas zu vertiefen. Mit der Entsendung des Revolutionsveterans Ramiro Valdés – Minister für Information und Kommunikation sowie Vizepräsident des Staatsrates – nach Venezuela hat die Allianz mit ihm eine weitere interessante Komponente erhalten. Offiziell soll sich Valdés um das marode Energiesystems Venezuelas kümmern, eigentlich aber gilt er eher als Experte für Repression und Einschüchterung – pikant im Vorfeld der Wahlen in Venezuela im Herbst diesen Jahres.
Rund 60.000 Kubaner sollen mittlerweile in Venezuela stationiert sein, als Gegenleistung für die 100.000 Barrel Erdöl, die die Insel täglich zu Vorzugspreisen erhält. Und längst sind sie nicht mehr nur im Gesundheits- und Bildungswesen tätig. Beunruhigend findet man in der venezuelanischen Armee, dass sie auch dort an Schaltstellen sitzen.