Agrégateur de contenus
Kollegiatinnen und Kollegiaten
Internationales Promotionskolleg „Demokratien in Europa“
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Matilda Bako
Sprach- und Politwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Dissertation:
»Narratives of the ‘New Cold War’: A Comparative Study of Image Building and Political Discourses of Russia(phobia) in Germany, the UK and the Western Balkans.«
Abstract:
Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat in ganz Europa vielfältige Reaktionen und Narrative ausgelöst. Besonders prägend ist die Neuausrichtung der europäischen Politik und Sicherheit, die die „Rückkehr der Geopolitik“ verdeutlicht und die Notwendigkeit einer Anpassung der EU an die veränderten Rahmenbedingungen unterstreicht. Der Krieg macht die systematischen Konflikte zwischen dem Westen und Russland deutlich oder, wie Monaghan (2015) es beschreibt, einen „clash of Europes“, der sich im letzten Jahrzehnt zwischen dem westlich geprägten EU-Modell Europas und der russischen Gegenvision entwickelt hat. Dieser Kampf um die Legitimierung konkurrierender Vorstellungen lässt sich durch die klassische Opposition von Selbst und Anderem (Self vs. Other) konzeptualisieren. Durch medial vermittelte Bilder von anderen Staaten können kollektive Identitäten konstruiert werden, die sich in Form von Stereotypen, Vorurteilen oder sogar Feindbildern gesellschaftlich verankern. Vor diesem Hintergrund untersucht meine Dissertation vergleichend die politischen und medialen Diskurse in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Albanien hinsichtlich der Konstruktion Russlands als das „Andere“ im Kontext des Ukrainekriegs. Ziel ist es, aufzuzeigen, wie der Konflikt in drei Ländern mit unterschiedlichen Positionen innerhalb der EU und verschiedenen außenpolitischen Agenden diskursiv konstruiert wird. Die Untersuchung integriert linguistische Diskursanalyse mit politikwissenschaftlichen Ansätzen und folgt einem transregionalen europäischen Vergleichsansatz. Methodisch wird eine Mixed-Methods-Strategie angewendet, die eine quantitative Inhaltsanalyse der Medienberichterstattung mit einer qualitativen kritischen Diskursanalyse kombiniert. Die Analyse eines Korpus von 300 Artikeln aus jeweils einer rechts- und einer linksliberalen Zeitung pro Land soll dominante Narrative, Themen und Muster sowie mögliche Unterschiede in der Wahrnehmung des Konflikts identifizieren. Darüber hinaus wird untersucht, wie sich die Narrative über einen Zeitraum von zwei Jahren (2022–2024) entwickelt haben. Damit soll analysiert werden, ob und inwieweit mediale Rahmungen mit den außenpolitischen Diskursen Deutschlands, des Vereinigten Königreichs und Albaniens in Verbindung stehen und zu diesen beitragen.
Mario Cavaliere
Politikwissenschaft, Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Dissertation:
»Sanior Pars oder Blockade-Instrument? Die Rolle des Deutschen Bundesrates bei der Verbesserung von Gesetzgebung und Politikergebnissen«
Abstract:
Diese Dissertation untersucht, ob und wie föderale zweite Kammern die Politikergebnisse beeinflussen. Im Mittelpunkt steht die Analyse der Auswirkungen des Deutschen Bundesrates auf die Verbesserung von Bundesgesetzen. Ziel ist es, die Effektivität der Gesetzgebung und die Beeinflussung politischer Ergebnisse durch Parlamente zu bewerten. Damit wird auf die politikgestaltende Wirkung zweiter Kammern abgezielt, womit sich diese Arbeit im Schnittpunkt von Parlaments-, Policy- und Föderalismusforschung bewegt. Die empirisch-analytische Fragestellung basiert auf der in der Literatur vertretenen Annahme, dass zweite Kammern als sanior pars (lat.: „der vernünftige Teil“) Politikergebnisse verbessern. Diese Annahme wurde bisher nicht systematisch und vollerschöpfend auf ihren empirischen Wahrheitsgehalt geprüft. Dazu werden potenzielle Wirkungsketten identifiziert, die von der institutionellen Zusammensetzung und Arbeitsweise des Bundesrates und seiner Akteure (unabhängige Variable) zu einer Verbesserung oder Verschlechterung von Gesetzen und somit von Politikergebnissen (abhängige Variable) führen können. Unter Berücksichtigung institutionalistischer und rationalistischer Annahmen wird festgestellt, dass der Exekutivföderalismus und die daraus resultierende Verwaltungs- und Umsetzungsperspektive, geprägt von den territorialen Interessen der Länder, die Qualität von Gesetzen und politischen Ergebnissen beeinflusst. Allerdings schränkt die jeweilige parteipolitische Konstellation (intervenierende Variable) diese Wirkung ein. Zur Untersuchung werden qualitative Daten in Form von leitfadengestützten Experten-Interviews und der Analyse von Dokumenten und Protokollen gesammelt. Anhand eines qualitativen Vergleichs von fünf Fällen wird der Gesetzgebungsprozess verfolgt – von der Überweisung in die Bundesratsausschüsse über die Entscheidung im Bundesratsplenum bis hin zu den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Ein tieferes Verständnis der Aussagen von Entscheidungsträgern und Experten soll die möglichen Einflussfaktoren des Bundesrates auf die Verbesserung oder Verschlechterung von Gesetzen und politischen Ergebnissen aufzeigen.
Jonas Deuringer
Rechtswissenschaften, Universität Augsburg
Dissertation:
»Bürgerräte in verfassungsrechtlicher Perspektive: Chancen und Regelungsbedürftigkeit deliberativer Verfahren «
Abstract:
Die Arbeit geht dem aktuellen Thema der Etablierung von Bürgerräten auf Bundesebene nach. Unter Bürgerräten werden dabei zufallsbasierte Gremien verstanden, die in einem deliberativen Verfahren konkrete und konsultative Handlungsempfehlungen formulieren. Zunächst werden Bürgerräte gegenüber anderen Formen direkter und partizipativer Demokratie abgegrenzt. Grundsätzlich bieten Bürgerräte als Element von partizipativer Demokratie enorme Potenziale für die parlamentarische Demokratie, wenn sie richtig umgesetzt werden. Dementsprechend untersucht die Arbeit, auch anhand von aktuellen Beispielen, ob und wie Bürgerräte auf Bundesebene umgesetzt werden können. Gleichzeitig ist Schwerpunkt der Arbeit, dass mögliche verfassungsrechtliche Spannungen untersucht werden und schließlich konkrete Empfehlungen zur Umsetzung erarbeitet werden. Methodisch wird dabei die Brücke zwischen der politologischen und juristischen Forschung geschlagen, weshalb das Dissertationsvorhaben bewusst interdisziplinär ausgerichtet ist.
Robert Fedler
Politikwissenschaften, TU Darmstadt
Dissertation:
»Minderheitsregierungen und Potential wechselnder Mehrheiten «
Abstract:
Die Fragmentierung des deutschen Parteiensystems führt spätestens seit Gründung der Alternative für Deutschland zu einem erschwerten Mehrheitsbildungsprozess. Besonders gravierend findet sich dieses Phänomen in den neuen Bundesländern allgemein und in Thüringen und im Besonderen. Dort verfügen AfD und Linke über eine absolute Mehrheit bei Ausschluss einer Kooperation. Deshalb untersucht dieses Forschungsvorhaben am Thüringer Beispiel alternative Regierungskonzepte im Sinne von Minderheitsregierungen und wechselnden Mehrheiten. Dabei werden die institutionellen Bedingungen wie die Investitur untersucht, die Auswirkungen auf die Regierungsbildung haben. Darauf aufbauend werden Kriterien für erfolgreiche Regierungsarbeit wie Stabilität und Gesetzgebungsprozesse betrachtet, anhand derer das Potenzial von Minderheitsregierungen vor allem auf Länderebene analysiert wird. Da anzunehmen ist, dass die Problemlage sich verschärfen wird, zeigt die Arbeit institutionelle Optimierungsmöglichkeiten auf.
Lara Helmke
Politikwissenschaft, Universität Leipzig
Dissertation:
»Strategie- und Narrativbildung extrem rechten Gruppierungen: Eine Untersuchung kooperierender Strukturen und Mobilisierungsmechanismen«
Abstract:
Das Erstarken extrem rechter Kräfte, inklusive der in der Gesamtgesellschaft korrespondierenden Normalisierungstendenzen sind seit Jahren zu beobachten. Besonders seit der Corona-Pandemie sind eine generelle Verlagerung und stärkere Nutzung von hybriden Räumen und der gezielten Instrumentalisierung dieser durch rechte Akteure ersichtlich. In diesem Dissertationsprojekt werden gemeinsam entwickelte Strategien und Narrative zweier extrem rechter Gruppierungen analysiert. Beide haben den territorialen Fokus primär auf die östlichen Bundesländer, speziell Sachsen, gelegt und versuchen über nationale und internationale Geschehnisse Anknüpfungspunkte zu potenziellen Anhänger*innen zu generieren. Durch den Datenfokus auf Telegram-Kanäle wird die Komponente der strategischen Online-Kommunikation, unter Berücksichtigung der dort frei zugänglichen Informationen für Interessent*innen, fokussiert. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen einen Beitrag zum aktuellen Diskurs und zum Verständnis der Kooperations- und Kommunikationsstrategien extrem rechter Akteur*innen schaffen.
Leonie Heyn
Politwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Dissertation:
»Anti-Government-Extremism as a New Threat to Liberal Democracy? Studies on the Interconnectedness of Extremist Digital Spheres and their Radicalisation Potential«
Abstract:
Stürme auf staatliche Institutionen in Berlin 2020, Washington 2021 und Brasilía 2023, Coup d’etat der „Patriotischen Union“ 2022: Sowohl Forschung als auch Sicherheitsbehörden weisen seit der Pandemie auf Verschiebungen in der extremistischen Bedrohungslage hin. Empirische und vor allem transnationale Analysen liegen bisher jedoch nur begrenzt vor. Dieses kumulative Promotionsprojekt nimmt deshalb den Umsturzversuch des Dezember 2022 als sein primäres Fallbeispiel, um mit drei Telegram-basierten Netzwerkanalysen „Anti-Government Extremism“ (AGE) als neuen transnationalen Erklärungsansatz zu evaluieren:
(1) Inwieweit ist AGE eine neue vernetzte Bedrohung über Grenzen, Milieus und Social-Media-Plattformen hinweg?
(2) Inwiefern begünstigen die Verbreitung von Verschwörungstheorien und die Nutzung sozialer Medien die Radikalisierung und Vernetzung der heterogenen AGE-Milieus zwischen Querdenken, Reichsbürgern und QAnon?
Das Promotionsprojekt baut auf der Hypothese auf, dass pandemiebezogene Misstandserfahrungen, die Kommunikationsstruktur Social Media sowie Brückennarrative wie Verschwörungstheorien und Elitenfeindlichkeit als Multiplikatoren dieser Entwicklungen fungierten.
Patrizia John
Politics, Queen's University Belfast
Dissertation:
»Repräsentation, Rezeption und Consociational Culture: Umweltpolitische Aushandlungsprozesse in Konkordanzdemokratien«
Abstract:
Die Dissertation untersucht, wie Umweltinteressen in tief gespaltenen Gesellschaften repräsentiert, rezipiert und politisch ausgehandelt wird. Im Zentrum stehen die Konkordanzdemokratien Nordirland und Bosnien-Herzegowina, in denen Umweltpolitik in den Kontext ethnopolitischer Machtteilung eingebettet ist. Analysiert werden die Formen politischer Repräsentation, ihre diskursive Struktur sowie die gesellschaftliche Reaktion auf ökologische Positionierungen politischer Akteure. Theoretisch verortet sich das Projekt im Schnittfeld konstruktivistischer Repräsentationstheorien und des Konzepts der consociational culture, um die Wechselwirkungen zwischen institutionellen Ordnungen, kollektiven Identitäten und politischen Narrativen zu erfassen. Methodisch kombiniert die Studie eine Claims Analysis politischer Kommunikation mit semi-strukturierten Interviews mit politischen Repräsentanten und Repräsentantinnen sowie Bürgerinnen und Bürgern. Ziel ist eine vertiefte Analyse der Bedingungen und Grenzen inklusiver, zukunftsorientierter Umweltpolitik in fragilen Demokratien sowie ein Beitrag zur Weiterentwicklung des Verständnisses politischer Repräsentation im Kontext gespaltenen Regierens.
Lars Kravagna
Geschichte, Universität Wien und Universität Osnabrück
Dissertation:
»Die Entsendung von Werkvertragsarbeitskräften seit den 1960er Jahren und der deutsche Weg zum Neoliberalismus«
Abstract:
Im Zentrum des Dissertationsvorhabens steht die Beschäftigung von osteuropäischen Arbeitskräften, die seit den 1960er Jahren im Rahmen von bilateralen Abkommen zur Ausführung von Werkverträgen vorübergehend in die Bundesrepublik Deutschland entsandt wurden. Das Dissertationsvorhaben untersucht das Werkvertragsregime mit theoretisch-methodischem Rückgriff auf das Konzept der Migrationsregime, dessen Untersuchungsperspektive auf die Analyse der Gestaltung, Beeinflussung und Aushandlung von Migrationsprozessen durch institutionelle Akteure zielt. Die Untersuchung des Werkvertragsregimes erfolgt im chronologischen Zugriff und fokussiert die unterschiedlichen Funktionen von Werkvertragsbeschäftigung in insgesamt drei Entwicklungsphasen. Während diese in den 1960er/70er Jahren noch der Etablierung eines arbeits- und sozial-rechtlichen Sonderregimes für Werkvertragsarbeitskräfte galt, die sich aus der Externalisierung von Arbeits- und Sozialstandards auf die Herkunftsländer im Rahmen der spezifischen Ausgestaltung von Entsendemigration ergab, wurde die Werkvertragsbeschäftigung in den 1980er Jahren als Instrument zur Feinsteuerung von Ausländerbeschäftigung unter Umgehung des Anwerbestopps genutzt. In den 1990er Jahren wandelte sich das Regime durch die massive Erweiterung des für Werkvertragsarbeitskräfte vorbehaltenen arbeits- und sozialrechtlichen Sonderregimes zur Blaupause für die umfangreiche Einführung atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung von Werkvertragsarbeitskräften wurde dadurch zu einer wesentlichen Größe im umfassenderen Prozess der Neoliberalisierung in der Bundesrepublik Deutschland und bahnte so der Implementierung neoliberaler Politik mit den Weg. Die Bearbeitung der als Forschungsdesiderat identifizierten Thematik der Werkvertragsbeschäftigung erfolgt leitfragenorientiert. Sie gibt wesentlichen Aufschluss über das Zustandekommen der für die Werkvertragsbeschäftigung relevanten Regelungen und eruiert zudem deren wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Legitimierung und Funktionen. Das Dissertationsvorhaben kombiniert dabei unterschiedliche methodische Verfahren: So wird die Genese des Werkvertragsregimes zwischen 1960 und ca. 1994 schwerpunktmäßig mithilfe von Archivmaterial aus dem Bundesarchiv Koblenz dokumentiert. Zur Untersuchung des verbleibenden Zeitraumes bis Ende der 1990er Jahre zieht die Studie Wanderungsstatistiken, veröffentlichte Quellen wie bspw. Parlamentsdebatten oder Gesetzestexte sowie zeitgenössische Publikationen und die Ergebnisse von im Rahmen der Dissertation durchgeführten Expert*inneninterviews heran.
Ihre Zielsetzung schöpft die Dissertation schließlich aus der bislang nur in Andeutung vorgenommenen historisch perspektivierten Untersuchung der Werkvertragsbeschäftigung seit den 1960er Jahren und deren Einbettung in die Geschichte deutscher Ausländerbeschäftigung einerseits und die Geschichte neoliberaler Transformation andererseits. Sie trägt dadurch zur reziproken Verschränkung von historischer Transformations- und Migrationsforschung bei, woraus sie letztlich auch ihre wissenschaftliche Relevanz bezieht.
Philip Liese
Philosophie, Freie Universität Berlin
Dissertation:
»Ressentiment - Zur Aktualität eines gegen-demokratischen Motivs«
Abstract:
Ressentiment gilt weithin als Kernemotion des Populismus. Neuere Ansätze im Anschluss an den „affective turn“ in Politikwissenschaft und politischer Philosophie deuten jedoch darauf hin, dass es sich um eine demokratisch ambivalente Gefühlsreaktion handelt. Die Dissertation vertritt die These, dass das von Nietzsche geprägte sozialphilosophische Ressentiment-Motiv nur wenig zur Erklärung des Populismus beitragen kann. Im Gegenteil verschleiert der Ressentiment-Vorwurf teilweise die strukturellen Ursachen des Populismus, vor allem ein zunehmendes politisches Repräsentationsdefizit. Anders das von britischen Philosophen im 18. Jahrhundert geprägte moralphilosophische Resentment-Motiv. Peter Strawson, John Rawls, Stephen Darwall und Jeffrie Murphy schreiben Resentment eine moralisch-epistemische Kraft zu; Marc Ferro betont dessen handlungsmotivatorisches Potential. Die Dissertation rekonstruiert und vergleicht die sozial- und moralphilosophischen Traditionslinien, um sich das Ressentiment-Motiv mit Blick auf den Populismus neu anzueignen. Das gesuchte analytisch tragfähige Ressentiment-Konzept soll die politische Ambivalenz und damit das demokratische Potential des Phänomens sichtbar machen. Die Dissertation gibt einen Ausblick auf Strategien für die demokratische Ressentiment-Transition
Viktoriia Nechyporuk
Geschichtswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dissertation:
»Prozesse der Entkommunisierung und Entrussifizierung in der Ukraine (2015–2024)«
Abstract:
Die aktive Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit begann in der Ukraine erst 2015 nach der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass mit vier Entkommunisierungsgesetzen, die u.a. die Entfernung sowjetischer Symbole aus dem öffentlichen Raum vorsahen. Nach der Eskalation des russisch-ukrainischen Krieges 2022 folgte 2023 ein Gesetz zur Entkolonialisierung russischer Toponyme. Das Forschungsvorhaben untersucht anhand von Fallstudien in Riwne, Transkarpatien, Odessa und Poltawa, wie diese Prozesse regional umgesetzt werden und welche Rolle lokale Geschichte und Politik dabei spielen. Der interdisziplinäre methodologische Rahmen umfasst die Analyse der Gesetzestexte (Toulmin-Schema), Geschichtspolitik (nach Wolfrum 2010) und Memory Studies. Straßennamen und Denkmäler werden als Erinnerungsorte (Nora 1989) betrachtet, ergänzt durch die Untersuchung von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis (Assmann 1995), etwa im Kontext des Zweiten Weltkriegs. Ziel ist ein vertieftes Verständnis ukrainischer Regionalismen und der Geschichtsaufarbeitung seit 2015.
Tomáš Pavlík
Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universitat zu Berlin
Dissertation:
»Augustus Weg zur Alleinherrschaft: Inbegriff des Machtpolitikers«
Abstract:
Dieses Dissertationsprojekt zielt darauf ab, mit Ansätzen der Theorien des neuen Autoritarismus sowie der autokratischen Transformation, die innerhalb der Alten Geschichte bisher nicht rezipiert wurden, das konzeptionelle Dilemma der Struktur des römischen Prinzipats aufzulösen. Dieses Projekt verfolgt die These, dass die kontrollierte und permanente Krise die Herrschaft des Augustus gestärkt hat und nicht, wie es in der bisherigen Forschung angenommen wird, zur dauerhaften Instabilität des Prinzipates beigetragen hat. Die strategische Verleihung vermeintlich temporärer Sondervollmachten und die inszenierte Wiederherstellung der Republik unter Augustus rechtfertigen paradoxerweise die dauerhafte Machtübernahme und die Etablierung einer stabilen Autokratie. Durch kontrollierte Konflikte wurde die Unverzichtbarkeit von Augustus starkem Führungshandeln für den Frieden Roms betont. Interessanterweise ähnelt diese Selbstinszenierung als Retter in der Not der Propagandastrategie moderner Autokraten wie Putin und Xi Jinping, die sich selbst als unersetzliche Krisenlöser präsentieren. Die autoritäre Transformation der Republik unter Augustus bezieht sich auf alle Aspekte der römischen Gesellschaft, um den Autokraten für das Gemeinwesen alternativlos zu machen.
Jonas Roch
Geschichte, Universität Potsdam
Dissertation:
»Revolution und Einheit auf dem Lande. Die Landkreise Bad Liebenwerda, Finsterwalde und Herzberg und ihre lokale politische und administrative Funktionselite 1989-1994.«
Abstract:
Ein neues System braucht nicht nur neues Denken und neues Recht, sondern auch neue Personen, die es verkörpern. So auch nach 1989 im Osten Deutschlands. Die Frage, wie sich der Systemwechsel auf regionaler und kommunaler Ebene vollzog und wer ihn trug, blieb in der historischen Forschung bisher unterbelichtet. Das seit 2023 an der Universität Potsdam laufende Dissertationsprojekt fokussiert sich auf die drei Altkreise des heutigen Landkreises Elbe-Elster in Südbrandenburg und deren politisch-administrative Funktionselite, bestehend aus den Spitzen der Kreis- und Gemeindeverwaltungen, den Kreistagen sowie den hauptamtlichen Abgeordneten in Bund und Land. Hier steht zunächst die Frage nach personellen Kontinuitäten und Brüchen im Vordergrund. Im zweiten Schritt verknüpft die Arbeit Person und Aktion, indem sie die größten und gleichzeitig an der Akzeptanz der neuen Demokratie kratzenden Herausforderungen in der Region sowie den Umgang der genannten Akteure damit untersucht: Demokratisierung der Verwaltung, Streit um die Länderzugehörigkeit, kommunale Selbstverwaltung vs. gemeinschaftliche Verwaltungsstrukturen, Umbrüche in Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und Aussiedlern, Herausbildung und Verfestigung rechtsextremer Strukturen sowie abschließend die Kreisgebietsreform, bei der die drei Kreise 1993 zu einem neuen Landkreis vereinigt wurden.