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Venice Talks 2008

di Wilhelm Staudacher

Das neue Amerika

Wir wird sich die Welt nach der Ära Bush verändern? Darüber diskutierten internationale Think Tanks vom 21.-22. November 2008 bei den "Venice Talks" in Venedig. Der Leiter der Repräsentanz der KAS-Rom, Wilhelm Staudacher, sieht im Ausgang der Wahlen ein klares Signal für Wandel - nicht nur in Amerika.

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Was kommt nach der Ära Bush?

War die Wahl ein historischer Einschnitt? Innenpolitisch JA! Ein US-Präsident mit afrikanischer Abstammung – das IST eine Revolution.

Ich habe als Jugendlicher noch die Krawalle in Little Rock bei der Einschulung schwarzer Kinder mitbekommen. Ich habe erlebt, wie Martin Luther King erschossen wurde. Ich bin davon überzeugt, dass es Obama gelingen muss, einen „New Deal“ sozialer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit, weniger Staatsverschuldung und mehr Umwelt- und Klimaschutz zu Stande zu bringen. Wie kein anderer Präsident vor ihm, wird sich Obama darauf konzentrieren müssen, das Haushaltsdefizit auszugleichen, das durch George.W. Busch auf 800 Milliarden Dollar geschraubt wurde. Gleichzeitig muss er Mittel zur Verfügung stellen, um die Konjunktur anzukurbeln.

Ob die Wahl Obamas auch außenpolitisch ein historisches Ereignis ist, muss sich noch herausstellen. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Deutschland geteilt war – in der Zeit des kalten Krieges und einer bipolaren Welt. Für uns war klar, dass Amerika unser natürlicher Partner ist. Die Vereinigten Staaten waren die unbestrittene Führungsmacht des Westens und Garant für die Wiedervereinigung Deutschlands. Die USA waren nicht nur eine militärische oder wirtschaftliche Führungsmacht, sie hatten vor allen Dingen eine „moral leadership“ oder eine „leadership in values“. Wir waren stolz darauf, gemeinsam mit den USA diese Werte zu vertreten. Wir fühlten uns geehrt, als Clinton den Deutschen „Partnership in leadership“ anbot.

Unter Bush, Cheney und Rumsfeld bekam die Partnerschaft Risse. Auch diejenigen, die grundsätzlich positiv zu den Vereinigten Staaten standen, bekamen Zweifel an der Führungsmacht USA. Die Nichtbeteiligung Deutschlands am Krieg im Irak war vor allen Dingen auch hierauf zurückzuführen. Der damalige Bundeskanzler Schröder verschärfte die Situation, indem er sich gemeinsam mit Chirac auf einen Flirt mit Russland einließ und eine antiamerikanische Facette in die deutsche Politik einfügte.

Ich bin davon überzeugt, dass das gute Verhältnis auf sachlicher Ebene wieder herstellbar ist und neue Initiativen im transatlantischen Dialog möglich sind. Die USA sind gut beraten, zur Politik der Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe zurückzukehren und darauf zu verzichten, die Mitglieder der Europäischen Union gegeneinander auszuspielen – in „Willige“ und „nicht-Willige“.

Die Zeit einer unbestrittenen Großmacht – „USA-Leadership“ – wird voraussichtlich zu Ende gehen. Spätestens im Irak-Krieg haben die USA eingesehen, dass sie mit militärischer Macht alleine die weltpolitischen Probleme nicht lösen können, sondern Partner brauchen. Das bedeutet, wir stehen vor der Entwicklung einer multipolaren Welt. Das heißt auch, dass wir davon ausgehen, dass die USA in die UNO zurückkehren. Dass sie mitwirken an internationalen Initiativen zum Schutz der Umwelt und des Klimas. Dass die USA nicht eine eigene egoistische Wirtschaftspolitik betreiben, die die Initiativen der anderen kleineren Staaten konterkarieren. Für die USA und Europa eröffnet sich auch die Chance zum Umdenken und Überdenken des eigenen Lebensstils: Mit Blick auf die künftigen Generationen und aus der Verantwortung für benachteiligte Länder, etwa die Dritte Welt, ist der verschwenderische Umgang mit Ressourcen und Energien ist nicht mehr zu rechtfertigen.

Die europäischen Länder haben eine historisch gewachsene Fähigkeit des Zusammenlebens und des Ringens um Kompromisse. Diese Begabungen können auch für die Zusammenarbeit der USA in einer multipolaren Welt hilfreich und in einer neuen transatlantischen Agenda von Bedeutung sein. Dazu gehören nicht nur die Fragen traditioneller militärischer Sicherheit, sondern auch die der Umweltsicherung, der Sicherung der Ressourcen und der Lebensgrundlage weltweit. „Wohlstand für alle“ war in Deutschland in den 50er Jahren das Erfolgsmotto der CDU und des Vaters des deutschen Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard. „Wohlstand für alle“ sollte ein globales Motto der Zukunft sein.

EUROPA ALS PARTNER DER USA

Europa will und muss Partner der USA sein. Dazu gehört, nicht nur bereit sondern auch fähig zu sein, diese Partnerschaft auszufüllen. Ein ernstzunehmender Partner sind wir nur auf der Grundlage der Stärken Europas: einer funktionierenden Wirtschaft, der so-zialen Gerechtigkeit und des sozialen Friedens – das heißt, der sozialen Marktwirtschaft; einer lebendigen Demokratie und der Fähigkeit, die wirtschaftlichen und weltweiten Handelsinteressen selbst zu sichern und stabil zu halten.

Das Modell des US-Finanzkapitalismus hat mehrfach versagt – sowohl in der Drittweltpolitik als auch jetzt in der aktuellen Finanzkrise. Es ist bedauerlich, das Europa bisher nicht zu einer inneren Konsolidierung mit einer europäischen Verfassung und zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gekommen ist. Wir müssen diese Ziele weiter verfolgen. Dies wird umso dringender in einer globalisierten Welt, wo Europa einen eigenen Beitrag zur Stabilität und zur Sicherheit leisten muss.

TRANSATLANTISCHE PARTNERSCHAFT

Die europäischen Außenminister haben am 28. Oktober in Avignon den Willen bekundet, die transatlantische Partnerschaft mit neuem Leben zu füllen. Von ihren Hauptpunkten nenne ich vier Aspekte, die mir besonders wichtig sind.

  1. effektiver Multilateralismus: Das heißt für mich auch, neue Ordnungsmodelle zu denken und zu versuchen.
    1. Warum nicht G8 zum Thema nukleare Proliferation?
    2. Warum nicht G20 zur Finanzarchitektur und G14 zum Klimawandel?Die jetzige G8 entspricht nicht mehr dem aktuellen Stärkeverhältnis in der Weltwirtschaft. Brasilien, China, Südkorea und Indien gehören zweifelsohne dazu. Immerhin stellen sie circa ein Achtel des weltweiten Bruttosozialproduktes her.
  2. Der Friedensprozess im Nahen Osten soll auf der Grundlage der Vorschläge des saudischen Königs weiterentwickelt werden.
  3. Afghanistan ist militärisch nicht zu sichern. Es war von Anfang an ein Fehler, Frieden und Demokratie militärisch herstellen zu wollen. Wenn man in Afghanistan selbsttragende Strukturen entwickeln will, muss man die traditionellen Stammesstrukturen berücksichtigen und in ein solches Befriedungskonzept die Nachbarn – vor allem Pakistan – mit einbeziehen.
  4. Die Beziehungen zu Russland: Ein Blick auf die Landkarte macht klar, dass man Russland nicht isolieren kann. Das heißt, Russland muss einbezogen werden in Strategien weltweiter Friedenssicherung. Russland selbst muss aber zu einer Politik guter Nachbarschaft bereit sein, muss auf „Großmacht-Muskelspiele“ verzichten und lernen, dass Kooperation eine WinWin-Situation bedeutet, auch für Russland. Von den USA erwarte ich auf der anderen Seite, dass Verhandlungen aufgenommen werden, die die US-Raketen-Abwehrsysteme in Polen rückgängig machen. Denn:
    • die Aufstellung war nicht mit der Nato abgestimmt.
    • die Nato-Mächte haben bei der Frage der Osterweiterung vor zehn Jahren, Russland drei „No’s“ zugesichert:
      1. keine Nuklear-Waffen
      2. keine Truppenstationierung
      3. keine Einrichtungen
Auf diesen Grundlagen, die ich soeben erläutert habe, kann eine Erneuerung des transatlantischen Verhältnisses erfolgen und ein wesentlicher Beitrag zu einer Neuorientierung der internationalen Politik geleistet werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss John le Carré zur Wahl Obamas zitieren:

„Es gibt Augenblicke in der Geschichte, wo sich die Gesittung der Welt ändert. Wie jetzt, wo Hoffnungen eigentlich größer und wertvoller sind, als die Verwirklichung dieses Hoffnungen. Jetzt ist ein solcher Augenblick“

Ich wünsche mir, dass unsere Politiker die Chance dieses Augenblicks erkennen und nutzen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Völker diesen Weg des Wandels mitgehen werden. Die Wahl in den USA war weniger die Entscheidung der Politiker, als die Weisheit und die Bereitschaft der Bürger, neuen Wandel geschehen zu lassen.

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