Reportage sui paesi
Die Stadt Rom hatte sich gut vorbereitet: Die Straßen vor dem Petersplatz waren schon seit Samstag für den Verkehr gesperrt. Nicht nur auf der Via della Conciliazione, die direkt auf den Petersdom zuführt, sondern auch auf der Piazza Navona und am Kolosseum wurde die Kanonisierung auf Großbildschirmen übertragen. Rund 5.000 Polizisten und Freiwillige sorgten für Ordnung; Rettungswagen und Erste-Hilfe-Zelte waren strategisch verteilt worden. Und, wie es in der Presse zu lesen gab: 880 chemische Toiletten.
Niemand weiß ganz genau wie viele Pilger am Sonntag zur Heiligsprechung von Papst Johannes Paul dem II und Papst Johannes dem XXIII gekommen sind. Der Vatikan verlangt bei solchen Großereignissen keine Eintrittskarten. Die Schätzungen bewegen sich bis zu über einer Million Pilgern.
Viele Kirchen Roms hatten in der Nacht von Samstag auf Sonntag Ihre Türen geöffnet, um Pilgern eine Schlafgelegenheit zu bieten. Manche übernachteten an der Engelsburg. Viel Schlaf dürfte jedoch niemand bekommen haben. Ab vier Uhr standen die ersten schon wieder auf, um pünktlich um 5.30 Uhr zum Einlass an der Via della Conciliazione zu sein. Den wenigsten gelang es, bis zum Petersplatz zu kommen. Die meisten Pilger standen über Stunden dicht an dicht und immer wieder im leichten Nieselregen. Eine körperliche Strapaze.
„Bis jetzt ist zum Glück nichts passiert“, erzählt Maria aus Neapel, die im Zivilschutz tätig ist und hinter dem Petersdom vor der Glaubenskongregation arbeitet. „Es ist nicht einfach, das Chaos zu beherrschen“, sagt die junge Frau. „Aber es lohnt sich. Bei diesem Jahrhundertereignis musste ich einfach dabei sein“.
So wie Maria wollten es sich viele nicht nehmen lassen, bei der Heiligsprechung zweier Päpste dabei zu sein. Papst Franziskus feierte die Heilige Messe im Beisein seines Vorgängers, Benedikt XVI., der von den Menschen mit großem Beifall empfangen wurde. 150 Kardinäle, 1.000 Bischöfe und 6.000 Priester aus der ganzen Welt waren angereist, um der feierlichen Zeremonie beizuwohnen. Repräsentanten anderer Religionsgemeinschaften waren ebenfalls prominent vertreten.
Pater Norbert Hofmann, Sekretär der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, begleitete eine jüdische Delegation in den Vatikan. Nicht zum ersten Mal nehme eine jüdische Delegation an einer Großveranstaltung im Vatikan teil – so Pater Norbert Hofmann. „Aber da ich Johannes Paul II. persönlich gekannt habe, war es für mich schon irgendwie bewegend“, sagt er nach der Messfeier. „Und für die Juden ist Johannes Paul II. längst ein Heiliger, weil er derjenige war, der den jüdisch‐katholischen Dialog so richtig angekurbelt hat. Er war der erste Papst in einer Synagoge, in Israel, in Auschwitz – die Juden lieben diesen Papst“.
Kardinal Angelo Amato, der Präfekt der Kongregation für die Heiligsprechungen, bat Papst Franziskus nach der traditionellen Liturgie dreimal um die Kanonisierung. Dann kam der Papst der Bitte nach. Entsprechend können nun der Italiener Angelo Giuseppe Roncalli (1881-1963) als Papst Johannes XXIII. und der Pole Karol Józef Wojtyla (1920-2005) als Papst Johannes Paul II. weltweit als Heilige verehrt werden.
Franziskus würdigte in seiner Predigt neben Unterschieden auch die Gemeinsamkeiten der beiden Heiligen. "Sie waren Priester, Bischöfe und Päpste des 20. Jahrhunderts. Dessen Tragödien haben sie erfahren, sind davon aber nicht überwältigt worden", so Papst Franziskus. "Johannes XXIII. und Johannes Paul II. haben mit dem Heiligen Geist zusammengearbeitet, um die Kirche entsprechend ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und zu aktualisieren, entsprechend der Gestalt, die ihr im Laufe der Jahrhunderte die Heiligen verliehen haben."
Auch die Politik reiste zu diesem Großereignis nach Rom. 24 Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Vertreter von Königshäusern waren in die Ewige Stadt gekommen. Die Europäische Union vertraten Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso. Arbeitsministerin Andrea Nahles vertrat die Bundesregierung; Johannes Singhammer war als Vizepräsident des Deutschen Bundestages angereist. Während der Zeremonie habe sie die faszinierende Atmosphäre der Weltkirche gespürt.
Auch wenn etliche Römer vor dem Großereignis die Stadt in Richtung ihrer Wochenend- und Ferienhäuser verlassen hatten und sogar der eine oder andere Ladenbesitzer sein Geschäft geschlossen hielt, weil ihm der Trubel zu viel erschien: Die Mehrzahl der Einwohner der Ewigen Stadt freute sich mit den Pilgern über die Heiligsprechung. „C’è l’abbiamo fatto“, zu deutsch: „das hätten wir geschafft!“, war dann am Montagmorgen das lächelnde Fazit eines Barbesitzers im Borgo Pio, direkt am Vatikan.