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カントリーレポート

Japan: Herbe Niederlage für Regierung

パウル リナーツ, ビーガー ヨハンナ

Zum ersten Mal seit zwölf Jahren verliert die Regierungskoalition aus LDP und Kōmeitō ihre Mehrheit im japanischen Oberhaus.

Japan steht vor einer Phase politischer Unsicherheit: Nach der deutlichen Niederlage bei der Unterhauswahl 2024 verliert die regierende Koalition aus Liberaldemokratischer Partei (LDP) und Kōmeitō nun auch ihre Mehrheit im Oberhaus. Steigende Lebenshaltungskosten, ein sich zuspitzender Zollkonflikt mit den USA und eine zunehmend polarisierte Debatte über Einwanderung prägten den Wahlkampf.

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Im Oberhaus wenigstens die einfache Mehrheit halten – das hatte Premierminister Shigeru Ishiba im Wahlkampf als Ziel für seine Liberaldemokratische Partei (LDP) ausgegeben. Einige Beobachter und Parteimitglieder werteten dies angesichts des bisherigen Stimmenvorsprungs als eher niedrige Messlatte. Doch nach den Wahlniederlagen bei der Unterhauswahl 2024 und der Tokioter Präfekturwahl im Juni 2025 musste die LDP nun den nächsten Rückschlag hinnehmen. Gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner Kōmeitō verpasst sie die Mehrheit im Oberhaus. Damit verliert die Regierungskoalition nun auch die Kontrolle über die zweite Parlamentskammer und ist künftig noch stärker auf wechselnde Allianzen mit der Opposition angewiesen.

 

Das Wahlsystem

Das japanische Parlament (Kokkai) besteht aus zwei Kammern: dem mächtigen Unterhaus (Shūgiin) und dem stabilisierend wirkenden Oberhaus (Sangiin). Das Zweikammersystem ähnelt dem von Repräsentantenhaus und Senat in den USA. Gesetze werden grundsätzlich von beiden Kammern verabschiedet, allerdings hat das Unterhaus ein Vorrecht für Haushaltsbeschlüsse, Vertragsratifizierungen und für die Ernennung des Premierministers. Die 248 Mitglieder des Oberhauses werden für sechs Jahre gewählt, doch alle drei Jahre steht die Hälfte der Sitze zur Abstimmung. Anders als im Unterhaus ist eine vorzeitige Auflösung der Parlamentskammer nicht vorgesehen.

Gerade in Phasen knapper Mehrheitsverhältnisse fällt dem Oberhaus eine wichtige Rolle zu, da es Gesetzesinitiativen zumindest verzögern kann und die Regierungskoalition so zu politischen Kompromissen zwingt. Wenn sich die beiden Parlamentskammern nicht einigen, kann das Unterhaus die Beschlüsse des Oberhauses mit Zweidrittelmehrheit überstimmen.

Bei der diesjährigen Oberhauswahl wurden insgesamt 125 Sitze neu vergeben, davon 124 regulär zur Wahl stehende – 74 in Direktwahlkreisen und 50 über Verhältniswahl – sowie ein zusätzlicher Sitz zur Nachbesetzung einer Vakanz im Wahlkreis Tokio. In Wahlkreisen mit nur einem Kandidierenden entscheidet das einfache Mehrheitswahlrecht. In den übrigen Wahlkreisen mit bis zu sechs Kandidatinnen und Kandidaten wird durch nicht-übertragbare Einzelstimmgebung gewählt. Die 50 auf nationaler Ebene durch Verhältniswahl vergebenen Sitze werden im D’Hondt-Verfahren bestimmt.

 

Die Wahlergebnisse im Überblick

Die Regierungskoalition aus LDP und Kōmeitō verfügte vor der Wahl über 75 nicht zur Wahl stehende Mandate (LDP: 62, Kōmeitō: 13) und hätte somit mindestens 50 Sitze gewinnen müssen, um ihre Mehrheit im Oberhaus zu halten. Letztlich holten beide Parteien nur 47 Sitze und verfehlten damit die Mehrheit denkbar knapp um drei Mandate.  

Die LDP konnte von ihren 52 Sitzen, die in diesem Jahr turnusgemäß zur Wahl standen, lediglich 39 verteidigen (27 Direkt- sowie zwölf Listenmandate) und verliert damit 13 Sitze im Oberhaus. Auch für den Koalitionspartner Kōmeitō fiel das Ergebnis enttäuschend aus: Die Partei verteidigte lediglich acht Mandate und verliert sechs Sitze im Oberhaus.

Bereits seit mehreren Wahlperioden befindet sich Kōmeitō in einem Abwärtstrend. Für die Partei gilt die Überalterung der Mitglieder ihrer wichtigsten Unterstützerorganisation, der buddhistischen Laienorganisation Soka Gakkai, als eine zentrale Herausforderung. Die Zustimmungswerte für die LDP leiden bis heute erheblich unter einem Ende 2023 aufgedeckten Spendenskandal.

Zu den Gewinnern des Wahlabends zählt die rechtspopulistische Sanseito. Sie errang 14 Sitze und konnte damit ihre Oberhausmandate auf insgesamt 15 ausbauen. Die erst 2020 gegründete Partei steigt damit zur sechsstärksten Kraft in der Kammer auf. Beobachtern zufolge gelingt es der Partei mit nationalistischen, ausländerfeindlichen und verschwörungstheoretischen Narrativen sowie durch geschickte Social-Media-Kommunikation, vormals politikverdrossene und enttäuschte konservative Wählerinnen und Wähler – auch aus dem Lager anderer Parteien – anzusprechen.

Auch die Demokratische Volkspartei (DPFP) konnte deutlich zulegen: Mit 17 gewonnenen Sitzen erhöhte sie ihre Mandatszahl im Oberhaus auf 22. Die Konstitutionelle Demokratische Partei Japans (CDP) behauptete sich als stärkste Oppositionskraft mit insgesamt 22 gewonnenen Direkt- und Listenmandaten und behält damit ihre insgesamt 38 Sitze im Oberhaus. Es folgen die Japan Innovation Party (Nippon Ishin no Kai) mit sieben, die Kommunistische Partei Japans (JCP) und Reiwa Shinsengumi mit jeweils drei, die Conservative Party of Japan (CPJ) mit zwei sowie die Sozialdemokratische Partei (SDP) und Team Mirai mit jeweils einem gewonnenen Sitz. Sonstige und unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten vereinigten insgesamt acht Sitze auf sich.

Die Wahlbeteiligung lag bei 58,5 Prozent und damit 6,5 Prozentpunkte über dem Wert von 2022.

 

Wirtschaftliche Lage und Inflation

Die Oberhauswahl fiel in eine Phase zunehmender wirtschaftlicher Belastung für breite Teile der Bevölkerung. Vor allem die gestiegenen Lebenshaltungskosten prägen seit Monaten die gesellschaftliche Stimmung. Besonders schmerzhaft für viele Haushalte: Der Preis für das Grundnahrungsmittel Reis hat sich bis Mai innerhalb eines Jahres verdoppelt und die Regierung dazu veranlasst, Notfallreserven aus staatlichen Lagern freizugeben, um den Markt zu stabilisieren.

Im Mai lag die Kerninflation bei 3,7 Prozent und damit deutlich über dem von der japanischen Zentralbank angestrebten Zielwert von 2 Prozent. Gleichzeitig sanken die Reallöhne: Ein Rückgang von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr markierte den stärksten Einbruch seit fast zwei Jahren.

Diese Gemengelage spiegelte sich unmittelbar im Wahlkampf wider. In einer Umfrage von Nikkei und TV Tokyo nannten mit 51 Prozent die meisten Befragten die Eindämmung der Inflation als wichtigste Aufgabe für den Premierminister. Auch unter den zur Wahl stehenden Kandidierenden dominierten wirtschafts- und sozialpolitische Themen: Laut einer Erhebung der Yomiuri Shimbun erklärten 47 Prozent „Wirtschaft und Beschäftigung“ zum zentralen Thema ihres Wahlkampfs, gefolgt von der Auseinandersetzung über die Höhe der Mehrwertsteuer und Fragen der Altersvorsorge.

Die politischen Lösungsvorschläge darauf fallen unterschiedlich aus. Während LDP und Kōmeitō vor allem auf kurzfristige Entlastungen setzten – etwa durch das Versprechen einmaliger Direktzahlungen von 20.000 Yen (rund 116 Euro) an alle Bürgerinnen und Bürger – forderte die Opposition weiterreichende Maßnahmen. Die Konstitutionelle Demokratische Partei Japans (CDP) etwa plädierte für die vollständige Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und für eine zusätzliche Subventionierung von Treibstoffen.

 

Zollstreit mit den USA

Ein weiteres bedeutendes Thema im Wahlkampf war der sich zuspitzende Zollkonflikt mit den Vereinigten Staaten. Bereits im April hatte US-Präsident Donald Trump Zölle in Höhe von 10 Prozent auf sämtliche Importe in die USA eingeführt, die Einfuhr von Autos und Autoteilen mit einem Zoll von 25 Prozent belegt und mit weiteren Sonderzöllen auf japanische Waren gedroht.

Für Tokio steht dabei wirtschaftlich viel auf dem Spiel: Die USA sind mit rund 20 Prozent des Handelsvolums der wichtigste Exportmarkt des Landes. Allein die Automobilindustrie macht etwa 30 Prozent der japanischen Exporte in die USA aus. Ökonomen schätzen, dass die neuen Zölle das reale Bruttoinlandsprodukt Japans im Jahr 2025 um bis zu 1,3 Prozent senken könnten.

Premierminister Ishiba hatte auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen gedrungen, um sich vor der Wahl politisch zu behaupten. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht: Trotz intensiver Gespräche unter der Leitung von Wirtschaftsminister Ryosei Akazawa, der mehrfach in die USA gereist war, blieben substanzielle Fortschritte aus. Trump zeigte sich öffentlich unzufrieden mit dem Verhandlungsverlauf und kritisierte insbesondere Japans Automobilpolitik als „nicht fair“. Kurz vor der Wahl erhielt die japanische Regierung ein offizielles Schreiben mit der Ankündigung, dass zum 1. August Zölle in Höhe von 25 Prozent auf japanische Waren in Kraft treten sollen.

 

Umgang mit wachsender Zahl an Ausländern

Neben wirtschaftlichen und außenpolitischen Fragen rückten im Wahlkampf auch gesellschaftliche Spannungen stärker in den Fokus. Im Jahr 2024 stieg die Zahl der dauerhaft in Japan lebenden Ausländerinnen und Ausländer zum dritten Mal in Folge auf einen neuen Höchststand von über 3,7 Millionen – ein Zuwachs von 10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch der Tourismus erreichte nach dem Ende der Corona-Pandemie Rekordwerte: 36,9 Millionen internationale Gäste kamen 2024 nach Japan, 47,1 Prozent mehr noch als 2023. Diese Entwicklungen sowie die zunehmende Sichtbarkeit von Ausländerinnen und Ausländern im Alltag verstärken angesichts des demografischen Wandels die gesellschaftliche Debatte über Touristen und Einwanderer. Laut einer aktuellen Umfrage des Fernsehsenders NHK glauben 64 % der Befragten, dass Ausländer bevorzugt behandelt werden.

Nach dem Wahlerfolg der rechtspopulistischen Partei Sanseito, die bei der Tokioter Kommunalwahl im Juni unter dem Slogan „Japanese First“ ihre ersten drei Parlamentssitze gewinnen konnte, verschärften auch die Regierungsparteien ihre Positionen: Die LDP kündigte an, die Zahl illegaler Ausländer auf null zu senken und die Anerkennung ausländischer Führerscheine einschränken zu wollen. Kōmeitō erklärte, künftig unbezahlte Sozialversicherungsbeiträge bei Visaverlängerungen zu berücksichtigen. Auch die Oppositionsparteien bezogen Stellung: Die Japan Innovation Party etwa forderte eine strengere Einwanderungspolitik sowie eine Obergrenze für ausländische Staatsangehörige. Um die Sorgen der Bevölkerung zu adressieren, richtete die Regierung im Juli eine Verwaltungsstelle ein, die als behördenübergreifender „Kontrollturm“ fungieren soll, um auf Probleme wie Kriminalität und Übertourismus im Zusammenhang mit Ausländern zu reagieren.

Zurückhaltender zeigten sich die CDP und die Kommunistische Partei Japans, die vor Ausgrenzung und Diskriminierung warnen. „Japan wird nicht überleben können, wenn wir nicht Menschen aus anderen Ländern aufnehmen und sie hier arbeiten lassen“, erklärte etwa CDP-Parteivorsitzender Yoshihiko Noda im Wahlkampf gegenüber Journalisten in Isesaki in der Präfektur Gunma. In einem gemeinsamen Statement äußerten acht Nichtregierungsorganisationen am 8. Juli ihre Besorgnis über die zunehmende gesellschaftliche Marginalisierung von Ausländerinnen und Ausländern in Japan.

 

Ausblick und mögliche Szenarien

Der Verlust der Oberhausmehrheit ist für Premierminister Ishiba ein schwerer Rückschlag. Bereits zuvor regierte seine Koalition im Unterhaus ohne eigene Mehrheit; nun fehlt ihr auch in der zweiten Parlamentskammer die Kontrolle. Zwar kann das Oberhaus keinen Misstrauensantrag gegen den Regierungschef stellen, doch Ishibas Ansehen innerhalb und außerhalb seiner Partei hat spürbar gelitten. In politischen Kreisen ist zunehmend von einer „lahmen Ente“ die Rede.

Noch am späten Wahlabend bekräftigte der 68-Jährige hingegen, als Premierminister und LDP-Vorsitzender trotz der Niederlage nicht zurücktreten zu wollen. „Wir befinden uns in äußerst kritischen Zollverhandlungen mit den USA. Wir dürfen diese Verhandlungen niemals ruinieren", so Ishiba. Die LDP sei die Partei mit den meisten Mandaten und habe „eine Verantwortung für die Nation zu erfüllen“. Sie müsse weiter an den Themen arbeiten, für die sie sich im Wahlkampf eingesetzt habe. Der Regierungschef zählte dazu Lohnerhöhungen, die über der Inflation liegen, und Japans „kritische nationale Sicherheitslage“. Für den früheren Premierminister Taro Aso sind dies keine Argumente: Laut Medienberichten soll das LDP-Schwergewicht parteiintern seine Bereitschaft signalisiert haben, Ishiba zum Rücktritt zwingen zu wollen.

Mit Minderheiten in beiden Kammern wird es künftig schwieriger, Gesetzesvorhaben umzusetzen. Eine Erweiterung der Koalition – etwa um die Japan Innovation Party oder die Demokratische Partei für das Volk (DPFP) – wäre zwar denkbar, aber politisch riskant. Im Austausch für eine Erweitung der Regierungskoalition könnten sich LDP und Kōmeitō etwa darauf einigen, den Posten des Premierministers an eine andere Partei abzugeben. Laut einer gemeinsamen Umfrage von Asahi Shimbun und dem Wahlforschungslabor von Professor Masaki Taniguchi an der Universität Tokio halten immerhin 63 % der LDP- und 66 % der DPFP-Kandidierenden eine gemeinsame Koalition nach der Wahl für „möglich“. In einer Rede kurz vor Beginn des offiziellen Wahlkampfs äußerte sich Ishiba jedoch vorsichtig: „Eine Koalition sollte erst dann gebildet werden, wenn ein gewisses Maß an Übereinstimmung in den Bereichen Außenpolitik, Sicherheit und Staatsfinanzen erreicht ist.“

Würde Ishiba zum Rücktritt gezwungen, müsste die LDP zunächst einen neuen Parteichef bestimmen, bevor sich dieser im Parlament um das Amt des Premierministers bewirbt. Sollte die Opposition – wie bereits im vergangenen Jahr – keinen geschlossenen Gegenkandidaten präsentieren, wäre auch eine neue LDP-geführte Minderheitsregierung denkbar. Ein neuer Premierminister könnte auch das Unterhaus auflösen, um durch vorgezogene Neuwahlen eine breitere parlamentarische Legitimation zu erlangen.

Bereits jetzt kursieren Namen möglicher Nachfolger für das Premierministeramt. Laut einer Kyodo-News-Umfrage vom Mai halten 21,5 % der Befragten Sanae Takaichi – die Ishiba im Vorjahr bei der Wahl um den LDP-Parteivorsitz nur knapp unterlag – für die geeignetste Premierministerin. Es folgen Parteikollege Shinjiro Koizumi (15,9 %) und Yuichiro Tamaki von der DPFP (9,3 %). Ishiba selbst liegt mit 7,3 % auf dem vierten Platz.

Grundsätzlich besteht natürlich auch die Möglichkeit einer von den Oppositionsparteien geführten Regierung. Aufgrund der Vielzahl an Parteien und ihrer inhaltlichen Differenzen gilt das Zustandekommen einer gemeinsamen Koalition derzeit jedoch als eher unwahrscheinlich.

Die nächsten regulären Unterhauswahlen sind erst in drei Jahren vorgesehen, sofern es nicht zu einer Auflösung der Parlamentskammer und vorgezogenen Neuwahlen kommt. Ein früherer Termin für die Abstimmung kann in Japan mit einfachem Kabinettsbeschluss angesetzt werden. Von einer Ausnahme abgesehen, waren vorgezogene Neuwahlen in der Nachkriegszeit die Regel.

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Paul Linnarz
一般社団法人 コンラート・アデナウアー・シュテフトゥング 日本事務所代表・アジア経済政策プログラム(SOPAS)代表
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