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Wahlergebnis mischt Parteiensystem in der Slowakei auf

autori Dr. Werner Böhler, Agata Peskova

Parlamentswahl 2016

Die Parlamentswahlen in der Slowakei am 5. März 2016 wirbelten das Parteiensystem des Landes kräftig durcheinander. Sämtliche Umfrageergebnisse, Prognosen und politische Analysten lagen in ihren Einschätzungen daneben. Die bislang mit absoluter Mehrheit regierende sozialdemokratische Smer-SD unter Ministerpräsident Robert Fico wurde abgestraft, ebenso wie die Christdemokraten (KDH), die an der Fünfprozenthürde scheiterten. Programmparteien waren nicht gefragt.

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Wahlergebnis mischt Parteiensystem in der Slowakei auf

Die Parlamentswahlen in der Slowakei am 5. März 2016 wirbelten das Parteiensystem des Landes kräftig durcheinander. Sämtliche Umfrageergebnisse, Prognosen und politische Analysten lagen in ihren Einschätzungen völlig daneben. Allerdings dürfen Umfragen in den letzten beiden Wochen vor der Wahl nicht mehr veröffentlicht werden. Die bislang mit absoluter Mehrheit regierende sozialdemokratische Smer-SD unter Ministerpräsident Robert Fico wurde abgestraft, ebenso wie die Christdemokraten (KDH), die an der Fünfprozenthürde scheiterten. Programmparteien waren nicht gefragt. Acht Parteien werden im künftigen, 150 Sitze zählenden Nationalrat vertreten sein. Die Bildung einer stabilen Regierung wird sehr schwierig werden. Mit 59,82 % lag die Wahlbeteiligung der 4,4 Mio. Wahlberechtigten minimal höher als in den Wahlen 2012 mit 59,11 %.

Gewinner und Verlierer

Gewinner der Wahlen vom vergangenen Samstag waren die Parteien und Bewegungen, die sich vor der Wahl und vor allem im Wahlkampf am meisten gegen Robert Fico und seine Smer-SD Alleinregierung positioniert hatten. Das sind zuvorderst die Bewegung der „Einfachen Leute und Unabhängigen Persönlichkeiten“ (OĽaNO) von Igor Matovič und die liberale SaS von Richard Sulík. Noch 2012 erreichte die SaS lediglich 5,9 %, nachdem die Fraktion von Richard Sulík die christlich-konservativ-liberale Koalitionsregierung von Iveta Radičová wegen des EU-Rettungsfonds scheitern ließ und damit Robert Fico und dessen Smer-SD den Weg zur absoluten Mehrheit ebnete. Beide Parteien schlossen ein Zusammengehen mit Smer-SD kategorisch aus. Bei Igor Matovič kam noch hinzu, dass ihn Ministerpräsident Robert Fico persönlich angriff und ihm, untermauert mit Dokumenten aus der Steuerbehörde, Steuerhinterziehungen in großem Stil vorwarf. Nicht nur konnte das Igor Matovič widerlegen, er initiierte auch eine Kampagne und warf dem Regierungschef vor, sich die vorgelegten Steuerdokumente illegal angeeignet zu haben, was dieser nicht entkräften konnte.

Gewonnen haben auch die Parteien im rechten Lager. Zwar gab sich die Slowakische Nationalpartei unter dem neuen Vorsitzenden Andrej Danko etwas gemäßigter als früher, sie ist jedoch eindeutig dem Rechtsspektrum zuzuordnen. Bei der Kotleba-ĽSNS (Volkspartei Unsere Slowakei) hingegen handelt es sich um eine extremistische, minderheiten- und ausländerfeindliche Bewegung. Marian Kotleba kandidierte erstmals bei den Regionalwahlen im November 2013 und wurde in der Stichwahl zum Regionalvorsitzenden in der Region Banská Bystrica gewählt. Ohne Abgeordnete im Regionalparlament war sein Einfluss relativ gering. Jetzt aber sitzt seine Bewegung mit 14 Abgeordneten im Nationalrat. Gemeinsam kommen SNS und Kotleba-ĽSNS gar auf 29 Sitze. Bemerkenswert ist dabei, dass Marian Kotleba mit seinen ausländerfeindlichen Ansichten vor allem bei jungen und Erstwählern in vier der acht Regionen erfolgreich war. Dabei setzte er gezielt die sozialen Medien in der Wahlkampagne ein. Offensichtlich hat nicht zuletzt die extreme Polarisierungsstrategie, die Ministerpräsident Fico und dessen Smer-SD vor der Wahl hinsichtlich der Migrations- und Flüchtlingskrise initiiert haben, dazu geführt, dass viele Wähler ins rechte und ins rechtsextreme Lager abgedriftet sind.

Zu den Gewinnern ist auch die eher diffuse Bewegung „Wir sind eine Familie“ des Unternehmers Boris Kollár zu zählen. Diese Bewegung ist erst kurz vor der Wahl aus der unbekannten Partei Unsere Region hervorgegangen, die Boris Kollár umbenannte. In dieser Bewegung versammelten sich einige Aktivisten der Antigorila-Bewegung, die auch nach Jahren gegen diesen Korruptionsskandal protestieren. Mit seinem Wahlslogan „Sie können mir glauben – Ich bin kein Politiker“ gelang es Kollár offensichtlich viele Protestwähler anzusprechen.

Hinzu kommt, dass der Name der neuen Bewegung mit der Volksabstimmung über die Familienpolitik in Verbindung gebracht werden konnte. An diesem von der Katholischen Kirche unterstützten Referendum beteiligten sich immerhin 21 % der Stimmberechtigten und befürworteten mit großer Mehrheit von mehr als 90 % diverse Anliegen zum Schutz der Familie. Das Referendum scheiterte gleichwohl an dem hohen Quorum von 50 %.

Verlierer sind hingegen diejenigen Parteien, die seit dem Sieg über Vladimír Mečiar 1998 die Politik in der Slowakei bestimmt haben. Das betrifft in erster Linie die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Mikuláš Dzurinda SDKU-DS, die der Rechtsregierung von Vladimír Mečiar folgte und in zwei entscheiden Legislaturperioden das Land nicht nur zurück auf den demokratischen Weg und wirtschaftliche Prosperität führte, sondern auch 2004 den Beitritt der Slowakei in die EU und Nato vollzog und die Mitgliedschaft in der Eurozone durch eine wirtschaftliche Stabilitätspolitik entscheidend vorbestimmte. Seit der überraschenden Wahl von Pavol Frešo zum Vorsitzenden in 2012 schrumpfte die Partei bis heute zur Bedeutungslosigkeit.

Zu den großen Verlierern zählt auch die Smer-SD. Für Ministerpräsident Robert Fico bedeutet das Wahlergebnis seiner Partei eine zweite empfindliche persönliche Niederlage, nachdem er bereits die Präsidentschaftswahl am 29. März 2014 gegen Staatspräsident Andrej Kiska deutlich mit ca. 60 % : 40 % verlor. Smer-SD verlor bei diesen Wahlen nicht nur 34 Abgeordnetensitze und damit die absolute Mehrheit. Es ist höchst fraglich, ob Smer-SD an der künftigen Koalitionsregierung überhaupt beteiligt sein wird und Robert Fico Ministerprä-sident bleibt.

Als älteste Partei des Landes musste die Christlich-Demokratische-Bewegung KDH seit den ersten Wahlen nach der Wende, in denen sie 19 % erreichte, einen kontinuierlichen Rückgang hinnehmen und ist in der kommenden Wahlperiode erstmals nicht im Nationalrat vertreten. Mangelnde Reformfähigkeit, mehrere Abspaltungen und eine zu starke Bindung an die katholische Kirche dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein. Angesichts dieses Ergebnisses bot der gesamte Parteivorstand an, seine Ämter zur Verfügung zu stellen.

Zu den Verlierern zählen auch die beiden Parteien der ungarischen Minderheit Most-Híd und SMK. Zwar konnte Most-Híd, die sich ihrem Namen entsprechend als Brücke zwischen der slowakischen Mehrheit und der ungarischen Minderheit versteht, ihr Ergebnis der letzten Parlamentswahlen weitgehend halten. Allerdings hatten die Erwartungen nicht zuletzt aufgrund guter Umfrageergebnisse sicherlich höher gelegen. Die Partei der Ungarischen Kommunität (SMK) hingegen befindet sich auf dem Weg in einen kontinuierlichen Niedergang wird erneut nicht im Nationalrat vertreten sein. Ob sich angesichts des Wahlergebnisses eine Annäherung der beiden Minderheitsparteien erreichen lässt, darf bezweifelt werden.

Gewinner und Verlierer zugleich ist die neu gegründete Partei #SIEŤ (Netzwerk) von Radoslav Procházka. Mit 5,60 % der abgegebenen Stimmen erreichte die 2014 aus einer Abspaltung von der KDH hervorgegangene Partei immerhin 10 Sitze im Nationalrat. Radoslav Procházka dürfte dieses Ergebnis dennoch auch als eine Niederlage empfinden, war doch die Partei in Umfragen stets mit 10 – 12 % zweistellig gehandelt worden. Hinzu kommt, dass der Vorsitzende als parteiloser Kandidat bei der Präsidentschaftswahl angetreten war und mit 21,25 % der Stimmen nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte. Im Wahlkampf präsentierte sich #Siet‘ nun als pragmatische Partei und war bestrebt, sich von den „Altparteien“ abzusetzen, um damit vor allem junge Wähler und insbesondere junge Frauen anzusprechen. Offensichtlich konnte die Partei mit diesem Konzept nur begrenzt überzeugen.

Als Fazit bleibt, dass das christdemokratische und das liberal-konservative Lager sehr zersplittert ist, was auch auf die Vertretung der ungarischen Minderheit zutrifft. Das Wahlergebnis bestätigt, dass – selbst unter Ausschluss der rechtsextremen Kotleba-ĽSNS – eine Mehrheit im Mitte-Rechtsspektrum gegenüber der Linken vorhanden ist. Allerdings ist vor dem Hintergrund dieses Wahlergebnisses auch die Frage zu stellen, ob das klassische Rechts-Links-Schema weiterhin anwendbar ist, zumal Robert Fico mit seiner Smer-SD einen extrem populistischen und polarisierenden Wahlkampf führten. Auf der anderen Seite sollten zumindest die christlich und konservativ-liberal geprägten Parteien KDH, #Siet‘, Most-Híd, die Reste der SDKU-DS und durchaus auch die SMK über künftige Formen der Zusammenarbeit oder der Allianzenbildung nachdenken.

Mögliche Koalitionsbildungen

Am Tag nach der Wahl zeichneten sich noch keine konkreten Szenarien für eine künftige Regierungskoalition ab. Die Parteien sind angesichts des in dieser Form völlig unerwarteten Wahlergebnisses zunächst mit sich selbst beschäftigt. Es wird nicht einfach sein, eine stabile Regierung zu bilden. Zwar hat die Slowakei mit der Slowakischen Demokratischen Koalition (SDK), mit der es 1998 gelungen war, die Regierung von Vladimír Mečiar abzulösen und der praktisch alle demokratischen Parteien angehörten bewiesen, dass ein Zusammenschluss einer Vielzahl von Kleinparteien möglich ist. Und es gelang zwischen 1998 und 2006 auch in anderen Fällen, komplizierter Mehrheitsverhältnisse, stabile Regierungen zu bilden. Fraglich ist jedoch, ob ein ähnliches Vorgehen nun unter anderen Voraussetzungen gelingen kann, wenn es nicht darum geht, eine rechtsgerichtete Regierung von der Macht zu verdrängen.

Der Vorsitzende der liberalen SaS, Richard Sulík, äußerte sich dahingehend, dass er alles versuchen werde, um eine Regierung ohne Smer-SD und den rechtsextremen Rand um Marian Kotleba zustande zu bringen. Vermutlich würde Richard Sulík damit allerdings auch das Amt des Ministerpräsidenten als Vorsitzender der nach Smer-SD zweitstärksten Partei beanspruchen. Rechnerisch möglich wären unter diesen Bedingungen folgende Varianten:

-Eine Koalition aus den übrigen sechs Parteien SaS, OĽaNO, SNS, Most-Híd, Wir sind Familie und #Siet‘. Zusammen kämen damit 87 Sitze zustande. Von der Anzahl der Sitze ausgehend hätte diese Koalition eine komfortable Mehrheit. Ob die Sechsparteienkoalition sich auf gemeinsame Inhalte verständigen könnte, bleibt offen.

-Ausreichend wären auch zwei Koalitionsbildungen aus fünf kleineren Parteien – jeweils ohne Most-Híd oder ohne Wir sind Familie, die beide je 11 Parlamentssitze stellen. Mit 76 Sitzen hätten diese beiden Alternativen jedoch nur eine knappe Mehrheit.

Zunächst müsste es allerdings gelingen, die genannten Parteien und Bewegungen für eine solche Regierungskoalition zu gewinnen. Die Bewegung Wir sind Familie hatte sich vor der Wahl für eine Oppositionsrolle ausgesprochen. Ebenso ist es fraglich, ob Most-Híd für eine Koalition zur Verfügung stehen würde, an der SNS beteiligt ist. Auch die Verteilung der Ministerien und weiterer Ämter wären eine Herausforderung, die zu meistern wäre.

Für Robert Fico bleiben die realistischen Koalitionsoptionen ebenfalls begrenzt. Möglich wäre eine Regierung von Smer-SD zusammen mit #Sieť, Most-Híd und Wir sind Familie, die auf 81 Sitze käme. Unter Einbeziehung von SNS würde sich gar eine komfortable Mehrheit von 96 Abgeordneten ergeben. Auch eine Smer-SD geführte Regierung unter Beteiligung von SNS, #Sieť und Wir sind Familie oder Smer-SD mit SNS, Most-Híd und #Siet´ wären möglich, die beide über 85 Stimmen im Parlament im Nationalrat verfügen würden. Allerdings würde das voraussetzen, dass insbesondere Most-Híd und #Sieť dazu bereit wären, einerseits mit Robert Fico und dessen Smer-SD eine Regierung zu bilden und zusätzlich die Beteiligung der rechten SNS zu akzeptieren. Dabei wurde davon ausgegangen, dass SaS und OĽaNO bei ihrem kategorischen „nein“ zu einer Regierung mit Smer-SD bleiben und dass Robert Fico bzw. die Partei ein Zusammengehen mit der rechtsextremen Kotleba-ĽSNS ablehnt.

Als zusätzliche Alternativen wurden noch am Wahlabend auch eine Expertenregierung oder Neuwahlen ins Spiel gebracht. Eine Expertenregierung müsste jedoch, ebenso wie die genannten Koalitionsoptionen, im Nationalrat eine Mehrheit finden. Ob Neuwahlen ein grund-legend anderes Ergebnis hervorbringen würden, bleibt fraglich. Zu befürchten wäre jedoch, dass weitere Wähler aus Verärgerung über die empfundene Unfähigkeit der Parteien bei extremen Parteien oder Bewegungen Zuflucht suchen würden.

Auswirkungen auf Europa und die EU

Ab dem 1. Juli 2016 übernimmt die Slowakei turnusgemäß die Ratspräsidentschaft in der EU. Es ist nicht auszuschließen, dass das Land in diesen sechs Monaten eine wenig stabile Regierung haben wird. Hinzu kommt die Frage nach der Erfahrung einzelner Ressortvertreter, insbesondere im Ministerium für Sicherheit und Verteidigung, dem Außenministerium sowie den Finanz- und Wirtschaftsministerien. Gleiches gilt für das Amt des Ministerpräsidenten. Ein Lichtblick ist sicher mit Staatspräsident Andrej Kiska gegeben, der jedoch nicht Teil der Exekutive in Regierungsverantwortung ist.

Die Frage, wie sich die Slowakei künftig in der Migranten- und Flüchtlingsfrage verhalten wird, bleibt zunächst offen. Wie dargestellt, ist es durchaus wahrscheinlich, dass Robert Fico nicht mehr Ministerpräsident und die Smer-SD nicht an der künftigen Koalitionsregierung beteiligt sein wird. Damit ist unklar, ob und wie die Klage beim EUGH gegen die von der EU beschlossene Quotenregelung von der künftigen Regierung weiterverfolgt werden wird. Andererseits hat keine Partei im Wahlkampf in dieser Frage eine klare Gegenposition zu Minis-terpräsident Robert Fico eingenommen. Auch die christdemokratisch orientierten Parteien hielten sich eher zurück. Trotz einer großen Anzahl humanitärer Initiativen einzelner Bürge-rinnen und Bürger wie auch zivilgesellschaftlicher Organisationen herrscht in der Bevölkerung eine negative Grundstimmung gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.

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