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Veranstaltungsberichte

Bürgerlichkeit hat heute gesiegt

Veranstaltung in der Reihe "Im Fokus"

Eine interessante Gesprächsrunde erörterte im Rahmen der Reihe „Im Fokus“ das Thema „Die neue Bürgerlichkeit: Schimäre oder Trend?“.

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Gonca Türkeli-Dehnert, Sprecherin des Netzwerkes Integration der CDU

Berlin; Dr. h.c. Petra Roth, ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt

Frankfurt am Main; Hans-Ulrich Jörges, stv. Chefredakteur Stern Magazin

und Prof. Dr. Hubert Kleinert, früherer Landesvorsitzender der Grünen in

Hessen nahmen das Thema, das seit einiger Zeit wieder intensiv

diskutiert wird, aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick.

So führte Prof. Dr. Hubert Kleinert, der antibürgerlich sozialisiert wurde und ganz bewusst mit den Werten und Vorstellungen seiner Eltern und Großeltern brechen wollte, aus, dass das Wort „bürgerlich“ für ihn lange Zeit ein Schimpfwort gewesen sei. Petra Roth hob hervor, dass sie aus einer bürgerlichen Familie stamme, in der ganz bewusst viel Wert auf Bildung und Erziehung gelegt worden sei. Sie machte bürgerlich sehr stark an der Herkunft, der Bildung und ausprägten Wertvorstellungen fest. Frau Roth stellte fest, dass wir in einer Partizipationsgesellschaft leben, in der die Bürger ihre Rechte stärker und bewusster wahrnehmen würden als dies früher der Fall gewesen sei. Hans-Ulrich Jörges führte aus, dass bürgerlich für ihn sehr stark mit einem guten Einkommen, guter Kleidung und einem gewissen kulturellen Hintergrund verbunden sei. Seiner Überzeugung nach schafft sozialer Aufstieg keine Bürgerlichkeit. Die Bürgerlichkeit hat heute aus seiner Sicht gesiegt und ist wesentlich breiter geworden als früher, da seit dem Zusammenbruch des Kommunismus keine politischen Gegenentwürfe mehr existierten. „Wenn Joschka Fischer in einer Villa in Dahlem lebt und Sahra Wagenknecht ein Buch über Ludwig Erhard schreibt, dann hat das Bürgertum gesiegt.“

Gonca Türkeli-Dehnert erläuterte, dass das deutsche Bürgertum für die Migranten sehr erstrebenswert sei. Ihrer Überzeugung nach definiert sich das Bürgertum sehr stark über die Bildung. Sie legte Wert auf die Feststellung, dass eine bürgerliche Mitte auch bei den Migranten existiere und immerhin ca. 15% der Migranten umfasse.

Angesprochen auf das Phänomen der „Wutbürger“ führte Frau Türkeli-Dehnert aus, dass früher überwiegend Linke und Alternative demonstriert hätten, während heute quasi jeder Bürger auf die Straße gehen würde, um sich für persönliche Belange einzusetzen oder gegen Bauvorhaben im eigenen Umfeld vorzugehen. Professor Kleinert teilte die Einschätzung, dass Demonstrationen und Proteste früher ein Monopol der Linken und Alternativen gewesen seien, während heute auch bürgerliche Kreise auf die Straße gingen. Er betonte jedoch, dass es schon auffällig sei, wie hoch der Anteil von „Grauhaarigen“ dabei sei. Generell wertete er es allerdings als erfreuliches Phänomen, dass sich die Menschen für politische und gesellschaftliche Belange engagieren. Ob die Demokratie durch „Wutbürger“ und eine Zunahme von Runden Tischen besser und stabiler werde, stellte er in Frage und legte Wert auf die Tatsache, dass letztendlich die Politik die wesentlichen Entscheidungen zu treffen habe.

Herr Jörges führte aus, dass früher die Jungen die Welt verändern wollten, während sie die Alten heute bewahren wollten. Er konstatierte eine gewisse Apathie gegenüber den Parteien, nicht aber gegenüber der Politik. Als Großtendenz zeichnet sich für ihn eine gesteigerte Zunahme der Beteiligung und Einbindung der Bürger und Wähler auf allen Ebenen und an öffentlichen Entscheidungen des Lebens (Stichwort Mitgliederentscheidungen bei der Aufstellung von Kandidaten und der Erstellung von Wahlprogrammen) ab.

In der Schlussrunde sollten die Podiumsteilnehmer bewerten, ob die Bürger heute für mehr Staatsnähe oder mehr Staatsferne stehen.

Professor Kleinert führte dazu aus, dass das Ansehen des Staates in den Zeiten der Finanzkrise deutlich an Ansehen gewonnen habe. Petra Roth attestierte den modernen Bürgern mehr Selbstbewusstsein und einen größeren Partizipations- und Gestaltungswillen. Frau Türkeli-Dehnert vertrat die Ansicht, dass der Bürger heute einerseits staatsferner sei, aber auf der anderen Seite dem Staat mehr Vertrauen entgegenbringen würde.

Herr Jörges stellte fest, dass der Bürger sich seiner Meinung nach einen stärkeren Staat wünsche, der ihm allerdings noch ausreichend Raum für Freiheit und Individualität lassen müsse.

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