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Veranstaltungsberichte

„Danke, Sozialismus!“

Eröffnung der Wanderausstellung DDR: Mythos und Wirklichkeit

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Gestern wurde die neue Wanderausstellung der Konrad-Adenauer-Stiftung „DDR: Mythos und Wirklichkeit“ am Bernhard-Riemann-Gymnasium in Scharnebeck bei Lüneburg eröffnet. Über 300 Schüler und Lehrer lauschten den prominenten Gästen, besonders die eindringlichen Schilderungen des Vorsitzenden der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, faszinierten die Zuhörer.

In Vertretung des Kultusministers Dr. Bernd Althusmann warnte Staatssekretär Dr. Stefan Porwol in seinem Grußwort vor jenen, die behaupten, die DDR sei das „bessere Deutschland“ gewesen. Der Sozialismus sei eine „falsche Idee“, die Millionen Opfer gefordert hätte und die dem Wesen der Menschen widerspricht. Die Würde des Menschen, das individuelle Streben nach Glück, die Eigenarten des Individuums - all dies werde durch diese Ideologie der Gleichmacherei nicht akzeptiert.

Rainer Eppelmann machte in seinem anschließenden Vortrag auf ganz persönliche Weise deutlich, was Demokratie für jeden von uns bedeutet. „Wie schrecklich langweilig“ und kompliziert erscheint uns die Demokratie oft, doch wer in der Diktatur leben musste, dem sind kleine Dinge, die wir oft für selbstverständlich nehmen, von großer Bedeutung. Zum Beispiel, dass wir selbst entscheiden, was wir studieren möchten. Wir alle sollten „Egoisten“ sein, das heißt, in der Demokratie die Möglichkeit nutzen, unsere eigenen Chancen mitzugestalten durch einmischen und mitreden. Denn diese Chancen hatten die Menschen unter der SED-Diktatur nicht, über ihr Leben bestimmten andere.

Am 13. August 1961 errichtete das SED-Regime die Mauer und die Anlagen der „innerdeutschen Grenze“, den sogenannten „antifaschistischen Schutzwall“. Dieser sollte angeblich die DDR-Bürger, vor den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland beschützen. Das war Propaganda, denn in Wirklichkeit musste die DDR die Flucht ihrer eigenen Bürger verhindern. Über 4 Millionen flohen aus dem Machtbereich der SED-Diktatur seit 1945, nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 allein über 2 Millionen. Sie wollten selbst über ihr Leben bestimmen, nicht mehr „flüstern“, weil sie nur engen Verwandten und Freunden noch vertrauen konnten und selbst dort die Gefahr bestand, dass die Staatssicherheit, die Stasi, Familien und Freundeskreise bespitzelte und mit ihren Zersetzungsaktionen Menschen ins Unglück stürzte. Wie haben sich diese Menschen gefühlt, und wie fühlen sie heute? Die Enteigneten oder jene Opfer, die wegen eines kritischen Wortes ins Gefängnis geworfen oder unter systematischen Druck gesetzt worden waren? „Unmenschlicher geht es kaum“, betonte Rainer Eppelmann. Und diejenigen, die in der DDR bleiben mussten, „reisten jeden Abend aus“ – und schauten ARD und ZDF, das streng verbotenen „Westfernsehen“. Sie sahen, dass die Menschen im Westen auch nur Menschen waren, dass es nicht an ihnen lag, wenn in der DDR Wohnungen oder Autos knapp waren, ebenso wie Baumaterial oder moderne Kleidung. Und dass es nicht ihre Schuld war, wenn die Musik der Beatles verboten wurde. Vielen wurde auf diese Weise bewusst, dass es das System der SED-Diktatur war, das die Menschen in der DDR daran hinderte, die Früchte ihrer Anstrengungen zu genießen – mit Ausnahme privilegierter Funktionäre: „Danke, Sozialismus!“

Warum wissen so viele junge Menschen heute so wenig über die SED-Diktatur? Warum können viele keine Antwort auf die Frage geben, was für sie der wesentliche Unterschied zwischen der Demokratie und der Diktatur ist? Das, so Eppelmann, müssen sich Eltern und Verwandte, Lehrer und Journalisten und viele andere selbstkritisch fragen. Und mit Blick auf das mutige Engagement von Bürgerrechtlern in der DDR gab Rainer Eppelmann den Schülerinnen und Schülern ein Wort Václav Havels, des Bürgerrechtlers und ehemaligen Präsidenten Tschechiens mit auf dem Weg: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass eine Sache gut ausgeht, sonder die Gewissheit, dass etwas Sinn macht – egal, wie es ausgeht.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die Svea Eckert vom NDR, leitete, ging es um die „DDR im Unterricht“. Valerie Ahlfeld und Gerhard Soyka, Schüler des Bernhard-Riemann-Gymnasiums, berichteten über ihre positiven Erfahrungen mit dem Thema. Vor allem der Umgang mit ganz unterschiedlichen Quellen sei spannend, meinte Valerie, denn die seien einerseits in der DDR, andererseits in der Bundesrepublik Deutschland entstanden. Gerhard wies darauf hin, dass Wissen über die SED-Diktatur vor allem jene Schüler gewinnen, die entsprechende Schwerpunktkurse belegen und meinte, dass es alle angeht, für die Demokratie einzustehen und sie zu gestalten. Der Präsident des Verbands der Geschichtslehrer, Dr. Peter Lautzas, betonte die Bedeutung einer guten Didaktik, die Schüler mit interessanten Fragen konfrontiert und ihr Interesse weckt. Allerdings sei das Leid der Opfer nur schwer zu vermitteln, weshalb er im Einverständnis mit der Runde die Bedeutung von Zeitzeugengesprächen sehr hoch veranschlagt. Der Verband entwickelte gemeinsam mit dem MDR Angebote für Lehrer und Schüler, die im Internet unter „Eure Geschichte“ abgerufen werden können. Staatssekretär Dr. Porwol konstatierte, dass das Thema in den Lehrplänen für Sek. I und II präsent sei, die konkrete Ausgestaltung und Berücksichtigung aber in den Händen der Lehrer liege. Eine Auswahl sei also erforderlich. Rainer Eppelmann forderte, daß die Geschichte der SED-Diktatur grundsätzlich Thema im Abitur sein müsse. Er sieht nicht nur Lehrer, sondern auch Eltern in der Pflicht, mit ihren Kindern darüber zu sprechen.

Die Wanderausstellung bleibt zwei Wochen am Bernhard-Riemann-Gymnasium. Dann geht es weiter nach Thüringen, Bremen, Sachsen-Anhalt und Berlin.

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Kontakt

Dr. Klaus Jochen Arnold

Dr

Referent Politisches Bildungsforum Brandenburg

jochen.arnold@kas.de +49 331 748876-12 +49 331 748876-15

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