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„Die Wahre Religion“ und „Einladung zum Paradies“

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Der Name „Die Wahre Religion“ entstand 2005 als Internetplattform, aus der sich zugleich eine Gruppe von Salafisten formierte (siehe auch Salafismus in Deutschland), die über Medienarbeit das Ziel verfolgt, die „reine Botschaft“ des Islam zu verbreiten. Ihrem Selbstverständnis zufolge ist es ihre zentrale Aufgabe, im Sinne des Islam zu missionieren (dawa: wörtlich übersetzt Einladung), um die Menschen bzw. die „Ungläubigen“ zum Islam zu führen und das „Bild der Muslime sowie des Islams in Deutschland zu verbessern“. Einer ihrer prominentesten Vertreter ist der Bonner Pierre Vogel (Abu Hamza), der mit öffentlichen Kundgebungen, u.a. mit einem geplanten öffentlichen Totengebet für Osama bin Laden, seit Jahren die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit erweckt. Er unterhält zahlreiche Kontakte in die salafistische Szene im Rheinland und darüber hinaus. Beispielsweise war Arid Uka (Abu Reyyan), der am 2. März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-amerikanische Soldaten tötete, mit Vogel über Facebook verbunden.

Vogel war zwischenzeitlich das Aushängeschild der Gruppe „Einladung zum Paradies“ (EZP), die ihrerseits 2006 gegründet wurde und bis zu ihrer Selbstauflösung 2011 ähnlich wie die DWR eine mediale Missionierungsarbeit betrieb sowie fundamentalistische Islamseminare und öffentliche Vorträge veranstaltete. Muhamed Seyfudin Ciftci (Abu Anas) war die Führungsfigur der Gruppe EZP, der zugleich eine Islamschule in Braunschweig unterhielt. Nach seinem Rücktritt wurde Sven Lau (Abu Adam) Vorsitzender, der seinerseits ein enger Weggefährte Vogels ist und sich nach der Selbstauflösung der EZP der Gruppe DWR anschloss. Im Herbst 2014 erzeugte er mit der „Scharia-Polizei“ öffentliche Aufmerksamkeit, als er und andere Salafisten durch verschiedene Innenstädte patrouillierten, wo sie junge Menschen ansprachen, um diese für den Islam zu gewinnen (siehe auch Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im deutschsprachigen Salafismus). Was den bewaffneten Djihad betrifft, so geben sich die Vertreter der DWR in öffentlichen Äußerungen zurückhaltend bis ausweichend.

Aus der Köln-Bonner Salafistenszene gingen auch Gewalttäter hervor, die beispielsweise bei Kundgebungen in Bonn und in Solingen im Frühjahr 2012 eine Konfrontationsstrategie gegenüber der Staatsgewalt verfolgten, durch welche Polizeibeamte schwer verletzt und erhebliche Sachschäden an Polizeifahrzeugen verursacht wurden. Bei der Kundgebung in Bonn waren bekannte Personen aus dem salafistischen Spektrum sowie Vertreter des Rates der Muslime der Stadt Bonn anwesend. Zu den Vertretern des Integrationsrates der Stadt Bonn gehörte Moussa Achaki von der Partei Bündnis für Integration und Gerechtigkeit (BIG), der an der Seite des Bonner Salafisten Ibrahim Belkaid (Abu Abdallah) auftrat. Abdallah bringt seine antisemitische Gesinnung in Videoansprachen mit Äußerungen wie „verfluchte Juden“ unverhohlen zum Ausdruck (siehe auch Antisemitismus im Islamismus) und in seiner Rede auf der Kundgebung warnte er vor einem drohenden „Übel“ in Deutschland sowie für Deutsche im Ausland. Kurze Zeit später griffen Salafisten die Staatsgewalt an. Ebenso anwesend war der Djihadist Reda Seyam sowie der ehemalige Linksterrorist Bernhard Falk (Muntasir bi-llah). Letztgenannter war in den 1990er Jahren Mitglied der linksterroristischen Gruppierung Antiimperialistische Zellen (AIZ) und konvertierte anschließend zum Islam. Seit seiner vorzeitigen Haftentlassung betreibt er Gefangenenhilfe für inhaftierte Islamisten und verbreitet über das Internet islamistische Ansprachen. Außerdem war auch Denis Cuspert an den gewalttätigen Angriffen auf die Polizei beteiligt, bei dem durch polizeiliche Durchsuchungen im Juni 2012 eine Sprengstoffweste sichergestellt werden konnte. Inzwischen hat er sich dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen und nennt sich Abu Talha al-Almani (zuvor Abu Maleeq, siehe auch Von „Deso Dogg“ zu „Abu Talha al-Almani“: Die dschihadistische Karriere von Denis Cuspert).

Auf ihrer Homepage (www.diewahrereligion.de), die zugleich mit verschiedenen Blogs verlinkt ist, verbreitet die Gruppe zahlreiche Videos zu islamischen Grundfragen von verschiedenen Predigern sowie Ansprachen von Pierre Vogel, die sich oftmals auf aktuelle Entwicklungen beziehen und die Muslime in Deutschland ansprechen sollen. Ihre Videos verbreitet die Gruppe zudem auf populären Internetportalen. Vogel bedient sich hierbei einer Verschwörungsrhetorik, wonach die Medien den Islam und die islamischen Prediger in Deutschland „entstellen“ würden. Eine solche Rhetorik ist kennzeichnend für die salafistische Bewegung, insbesondere hat Verschwörungsdenken einen hohen argumentativen Stellenwert in djihadistischen Kreisen. Es wird hierbei suggeriert, als wären der (wahre) Islam und die Muslime in Deutschland einer ununterbrochenen Verfolgung ausgesetzt. Auffallend ist zudem die sehr einfache Sprache, um Grundfragen des Lebens aus islamischer Sicht zu „erklären“. Unter Rückgriff auf den Koran erklärt ein anderer Prediger, dass Andersgläubige bzw. „Ungläubige“ als „Vieh“ zu betrachten sind, weil sie ausschließlich konsumorientiert seien. Ihre Homepage stellt darüber hinaus verschiedene Dokumente zur Verfügung, die von Gebetsanweisungen über Antworten auf islamische Grundfragen bis hin zu den islamischen Quellen reichen. Auffallend sind ihre christophoben Texte, in denen die Bibel als Wort Gottes in Frage gestellt und zugleich abgewertet wird.

Neben ihrer medialen Missionierungsarbeit veranstaltet die DWR verschiedene fundamentalistisch orientierte Islamseminare, in denen vor allem junge Muslime, insbesondere Konvertiten, ein „tieferes“ Verständnis über den Islam vermittelt bekommen sollen, um ein Leben nach den Vorgaben des Islam praktizieren zu können. In der Vergangenheit stellten salafistische Islamseminare dieser Art einen wichtigen Baustein für die Radikalisierung und Rekrutierung für den bewaffneten Djihad dar. So zum Beispiel bei den Mitgliedern der Sauerland-Gruppe, die durch solche Seminare radikalisiert wurden. Letztlich fanden sie durch Personen aus dem Umfeld salafistischer Seminare den Weg in den bewaffneten Djihad. Wenige Monate nach ihrer Teilnahme von Islamseminaren erhielten sie Zugang zu einem terroristischen Ausbildungslager der Islamischen Jihad Union (IJU) in Pakistan.

Eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erzielte die DWR durch ihre Konranverteilungsaktion „Lies!“ in den Fußgängerzonen deutscher Innenstädte, an der sich seit 2011 bekannte Salafisten wie Reda Seyam beteiligen und die durch den Kölner mit palästinensischer Herkunft Ibrahim Abou-Nagie organisiert wird. Abou-Nagie wurde quasi zum Gesicht der Aktion „Lies!“ und ist Mitbegründer der DWR. Er gewann vor allem an Bekanntheit durch seine Äußerung vor Koranschülern, als er davon sprach, dass Ungläubige wie Christen in die Hölle kämen, sofern sie nicht zum Islam konvertieren. Ein weiterer Vertreter der Aktion „Lies!“ war Sabri Ben Abda, der durch verschiedene provokative Auftritte gegenüber Journalisten öffentliche Aufmerksamkeit erhielt und in einem Video Journalisten unverhohlen mit der Veröffentlichung ihrer vollständigen Adressdaten drohte. Abou-Nagie stand zudem in Kontakt zur inzwischen verbotenen Organisation Millatu Ibrahim (Gemeinschaft Abrahams). Er trat an der Seite von Mohamad Mahmoud auf einer Veranstaltung auf, der seinerseits gegenüber einem TV-Magazin Osama bin Laden als Helden bezeichnete, die djihadistische Medienplattform Globale Islamische Medienfront (GIMF) gründete sowie als Kopf der Millatu Ibrahim galt. Inzwischen hat er unter dem Namen Abu Usama eine exponierte Stellung beim IS. Zum Umfeld der DWR gehörte auch die Frankfurter Organisation DawaFFM, die neben den Gruppierungen An-Nussrah und Islamische Audios im März 2013 durch den Bundesminister des Innern verboten wurde. Aus dem salafistischen Umfeld der DWR rekrutierten sich in den letzten Jahren vermehrt Djihadisten für den IS in Syrien.

Dr. Peter Wichmann

 

Lesetipp:

  • Bundesamt für Verfassungsschutz und Landesbehörden für Verfassungsschutz (Hrsg.), Salafistische Bestrebungen in Deutschland, Köln 2012.

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Felix Neumann

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