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Länderberichte

Albanien in der politischen Dauerkrise

von Dr. Willibold Frehner
Die im Juni 2009 durchgeführten Parlamentswahlen, wurden zu dem erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem sozialistischen Lager und der bürgerlichen Demokratischen Partei (DP). Die Stimmen waren noch nicht völlig ausgezählt, wähnten sich beide Blöcke als Gewinner. Von Wahlfälschungen oder Unregelmäßigkeiten war zu diesem Zeitpunkt nur in Nebensätzen die Rede.

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Edi Rama, der Führer der bisherigen Oppositionspartei (SP), sah sich als neuer Premierminister und war zutiefst enttäuscht, dass die mit nur vier Abgeordneten in das Parlament eingezogene Partei SMI, zusammen mit der DP von Sali Berisha (dem bisherigen Premierminister), eine Regierungskoalition schlossen. Im 140 Abgeordnete zählenden Parlament hatte somit die DP von Sali Berisha, zusammen mit der SMI, unter Führung des Vorsitzenden Ilir Meta, eine knappe Mehrheit. Berisha und Meta einigten sich auf eine Regierung mit Berisha als Premierminister und Meta als Außenminister und Vize-Premierminister.

Die Enttäuschung beim Oppositionsführer Edi Rama war natürlich groß, dass er nicht zusammen mit der SMI die Regierung stellen konnte. In einer solchen Konstellation wäre Rama Premierminister geworden. Von diesem Zeitpunkt an bestritt er die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Wahlen zum Parlament und sprach davon, dass die Regierung Berisha/Meta unrechtmäßig im Amt sei.

Die internationalen Wahlbeobachter und insbesondere die OSCE, bewerteten die Wahlen als die besten, jemals in Albanien durchgeführten Parlamentswahlen, auch wenn es noch weiterer Reformen bedarf, um die noch immer vorhandenen Wahlverstöße und Unkorrektheiten auszuschließen.

Im Jahr 2010 gab es eine Reihe von Versuchen, zwischen den beiden Hauptkontrahenten im Dauerstreit – Berisha und Rama – zu vermitteln. Weder die EU, noch Parlamentarier aus dem Europaparlament, noch der Konrad-Adenauer-Stiftung, gelang es, eine tragfähige Vermittlung zu erzielen. Beide Kontrahenten waren sich einig, einen Vermittlungsausschuss im Parlament installieren zu wollen – über die Details und die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses, wurden sich beide Seiten nicht einig.

Rama, der selbst nicht dem Parlament angehört, sondern Bürgermeister der Stadt Tirana ist, ließ die parlamentarische Arbeit blockieren. Die gewählten Abgeordneten der SP wurden nicht vereidigt und nahmen ein halbes Jahr nicht an den Sitzungen und Abstimmungen des Parlamentes teil. Erst nach vielen Protestveranstaltungen und einem Hungerstreik im Zentrum Tiranas, ließen sich die gewählten Abgeordneten der SP, Ende Februar 2010 vereidigen, um ihre Mandate nicht zu verlieren. Im Parlament konnte trotzdem keine Normalität einziehen. Es wurde kaum um Sachthemen diskutieren, sondern lediglich gegenseitige Beschuldigungen verteilt.

Die Regierung Berisha/Meta konnte dank ihrer knappen Mehrheit zwar einfache Gesetze beschließen und die Regierungsgeschäfte führen. Gesetze, die mit einer 3/5 Mehrheit verabschiedet werden mussten, wurden auf die lange Bank geschoben. Die Bürger Albaniens sind natürlich wegen des Dauerstreites des Parlamentes enttäuscht. Eine echte politische Repräsentation der Bürger und ihrer Anliegen sehen sie nicht als gegeben.

Zum Jahreswechsel 2010/2011 wurde noch einmal ein Versuch gestartet, einen Untersuchungsausschuss im Parlament zu etablieren, der die Rechtmäßigkeit der Wahlen untersuchen sollte und eventuell die Wahlboxen (mit Listen und Stimmzettel) zu öffnen. Auch dieser Versuch misslang und Premierminister Berisha sah seine Bemühungen als endgültig gescheitert an. Die Wahlkommission (Central Electoral Committee) bestimmte, mit der Mehrheit der Stimmen der DP-Mitglieder, dass die Stimmzettel der Parlamentswahlen nun verbrannt werden sollten. Eine Vernichtung dieser Stimmzettel sieht das Wahlgesetz nach einer gewissen Einspruchsfrist vor. Mit der Verbrennung der Stimmzettel wurde im Januar 2011 begonnen.

Im September 2010 erfolgte eine Kabinettsumbildung in der Regierung, die aber nur den kleinen Koalitionspartner SMI betraf. Der bisherige Wirtschaftsminister Prifti, von der SMI, musste nach massiven Korruptionsvorwürfen zurücktreten und wurde von Ilir Meta ersetzt. Neuer Außenminister wurde Haxhinasto von der SMI.

Mitte Januar 2011 tauchten Videos auf, die den früheren Wirtschaftsminister Prifti im vertraulichen Gespräch mit Ilir Meta zeigen und belegen sollen, dass über korrupte Praktiken bei der Vergabe von Infrastrukturinvestitionen (Wasserkraftwerke) gesprochen wurde. Meta bestritt die Vorwürfe und bezeichnete die Videos als von seinen Gegnern fabriziert. Bei der Oppositionspartei SP wird dies natürlich anders gesehen und im Parlament spielten sich bei der Diskussion um die Vorwürfe tumultartige Szenen ab.

Meta trat als Minister zurück und gab die parlamentarische Immunität auf, um die Vorwürfe klären zu lassen. Für den Führer der Opposition Edi Rama, war damit ein weiterer Beleg gegeben, die Regierung massiv zu kritisieren. Er sprach fortan davon, dass die Regierung durch Wahlbetrug, also unrechtmäßig im Amt sei und dass die Regierung korrupt sei. Wie schon im Jahr 2010, zielte Rama mit seinen parlamentarischen und außerparlamentarischen Aktionen auf ein Scheitern der Regierung, mit dem Ziel von Neuwahlen.

Für den 08. Mai 2011 wurden turnusgemäß Kommunalwahlen in Albanien angesetzt. Edi Rama ließ verlauten, dass die SP an diesen Wahlen teilnehmen werde. Natürlich steht dabei der Kampf um den Sessel des Bürgermeisters in Tirana im Zentrum der Auseinandersetzungen. Die DP will den bisherigen Innenminister Basha als Kandidaten für das Bürgermeisteramt in das Rennen schicken – und wenn man den Meldungen aus dem Regierungslager glaubt, hat Basha gute Chancen, Edi Rama abzulösen. Ein solches Wahlergebnis hätte natürlich gravierende Auswirkungen auf die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition sowie gravierende Auswirkungen für den Oppositionsführer Rama.

Rama rief vor wenigen Tagen seine Anhängerschaft erneut dazu auf, die Regierung zu stürzen. Die Regierung sei unrechtmäßig im Amt und durch und durch korrupt. Er verglich die Situation mit dem Sturz der Regierung in Tunesien und forderte, dass die Regierung, die sich vom Volk entfernt hätte, die Amtsgeschäfte abgeben solle.

Die Opposition forderte ihre Anhänger auf, am Freitag, den 21. Januar 2011 zu einer Großdemonstration in das Zentrum von Tirana zu ziehen. Allerdings sollte das nicht mit den Fahnen und Farben der Oppositionspartei SP geschehen, sondern mit Spruchbändern, die den Rücktritt der Regierung von Berisha fordern sollten.

Neutrale Beobachter schätzen, dass sich 20.000 oder 30.000 Menschen (Anhänger der SP) im Zentrum von Tirana einfanden. Die Angaben des Oppositionsführers von 300.000 Menschen, die sich versammelten, sind sicher weit überzogen. Die Menschenmenge traf sich vor dem Gebäude, in welchem sich das Büro des Premierministers befindet und forderten den Rücktritt Berishas und seiner Regierung. Das Regierungsgebäude war von Polizeikräften umstellt. Schnell kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Protestierenden und der Polizei. Polizeifahrzeuge wurden angezündet und Polizisten mit Steinen und Knüppeln angegriffen. Die Polizei benutzte scharfe Munition. Nach ersten Angaben aus den Krankenhäusern gab es wohl drei Tote durch Schüsse der Polizei und ca. 100 Verletzte, darunter auch einige Polizisten.

Die Strategie der Polizei war auf den Schutz des Sitzes des Premierministers ausgerichtet. Die Protestierenden konnten das Gebäude nicht stürmen. Nach dem Abbruch der Auseinandersetzungen beruhigte sich die Lage wieder. Oppositionsführer Rama sprach von den Getöteten als Helden, die sich geopfert haben, um Albanien eine bessere Regierung zu bringen. Berisha bezeichnete die Auseinandersetzungen als Versuch der Opposition, die Regierung durch einen Putsch zu stürzen. Auch wenn die Lage in den kommenden Tagen ruhig bleiben sollte, ist im Augenblick nicht abzusehen, wie die politische Lösung der Dauerkrise in Albanien aussehen könnte. Die angekündigten Demonstrationen für die Regierung am 26. Januar 2011 und die erneuten Protestkundgebungen der Opposition am 28. Januar 2011 werden vermutlich auch keine politischen Lösungen aufzeigen.

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