Pastor Thomas Ziaja begrüßte die Gäste in der Gemeinde herzlich und erläuterte, dass das Erinnern ein fester Bestandteil in der Kirche sei, weswegen es umso wichtiger sei, über die Aufarbeitung des SED-Regimes in einer Kirchengemeinde zu sprechen. Im Anschluss führte Jochen Leinert als Tagungsleiter thematisch in die Veranstaltung ein.
Zunächst bedankte sich der DDR-Zeitzeuge Christoph Becke für die Einladung und wies darauf hin, dass es für ihn eine Besonderheit darstelle, die Veranstaltung in einer Gemeinde durchzuführen. Während seiner Zeit in der DDR konnte er sich mit den christlichen Gemeinden nicht identifizieren, da sie zum Teil die Ideologie der SED vertraten.
Christoph Becke wurde als erstes von fünf Kindern 1952 in München geboren. Aus finanziellen Gründen entschieden die Eltern, nach Empfehlung des staatstreuen Onkels seitens der Mutter nach Eisenach zu ziehen. Da Beckes Vater in München ein Medizinstudium abgeschlossen hatte, konnte er in der DDR schnell Karriere machen. Nach kurzer Zeit wurde er als Chefarzt befördert, weswegen die Familie in die Nähe von Berlin zog. Bis zum Mauerbau 1961 fuhr die Familie, vor allem Beckes Mutter, häufig nach West-Berlin.
Die Mauer wurde von der SED als „antifaschistischer Schutzwall“ betitelt. Während seines Vortrags erläuterte Becke die Paradoxie dieses Begriffs. Zwar durften die Bürgerinnen und Bürger der DDR nicht mehr in die BRD fahren, aber umgekehrt war dies weiterhin möglich. Obwohl die Menschen aus Westdeutschland immer als Faschisten dargestellt wurden. „Der Schutzwall galt für alle, außer für die ‚Faschisten‘ selbst“, kommentierte Pastor Ziaja während des Vortrages.
Becke beschrieb seine Zeit in der DDR als ein „Leben mit zwei Platten im Kopf“. Einerseits wusste er ganz genau, dass er unter so einem Regime nicht leben wollte und kommunizierte das auch innerhalb der Familie. Andererseits gab er sich in der Schule und Universität stets loyal. Er konnte das System sich zwar zum Nutzen machen, beispielsweise durch Delegationsreisen in die Sowjetunion. Doch die Unsicherheit, nicht zu wissen, mit wem man über was sprechen kann, löste großen Druck aus.
Ein gescheiteter Fluchtversuch mit seiner damaligen Ehefrau führte zu einer Gefängnisstrafe von 1,5 Jahren. Während die beiden im Gefängnis ihre Strafe absitzen mussten, wurden sie von der BRD freigekauft und nach der Entlassung in die BRD gebracht. Bis zum letzten Moment versuchte die Stasi die Menschen zu überzeugen, in der DDR zu bleiben.
Während der gemeinsamen Fragerunde mit dem Publikum wurden verschiedene Aspekte diskutiert. Es kam die Frage auf, wie der Kontakt zur Familie sich entwickelte, nachdem Christoph Becke in die BRD kam. Wie sich die Anfangszeit im Westen gestaltete, interessierte das Publikum ebenfalls. Ein Teilnehmer fragte nach dem ehemaligen Moderator des ZDF-Magazins, Gerhard Löwenthal. Der Zeitzeuge berichtete, dass viele Menschen in der BRD der Ansicht waren, im Magazin die Rubrik „Hilferufe von drüben“ nicht ernst nehmen zu müssen. Die Unterdrückung, welche Andersdenkende unter dem Regime ertragen mussten, wurde ebenso wenig geglaubt. Für Christoph Becke gestaltete es sich demnach schwierig, in seiner Anfangszeit über seine Erfahrungen im Osten zu sprechen.