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Veranstaltungsberichte

Islam, Flüchtlinge und Terrorgefahr: Notwendiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte

Thomas Volk, Koordinator der KAS für Islam und Religionsdialog, informiert bei zwei Veranstaltungen

Eine Vermischung oder gar Gleichsetzung von „Islam“ und „Islamismus“ findet häufig statt, leistet aber lediglich Vorurteilen Vorschub. Eine sachliche Debatte auch im Zuge des Flüchtlingszustroms ist von Nöten.

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Die verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und der damit verbundene mittlerweile offene Streit in Politik und Publizistik, ob und wie „wir das schaffen“, bildete einen der zentralen Diskussionspunkte zweier Veranstaltungen des KAS Landesbüros mit Thomas Volk, Koordinator Islam und Religionsdialog der KAS.

Eine Vielzahl der Flüchtlinge, die neben Syrien auch aus dem Irak, dem Iran oder Afghanistan nach Deutschland kommen, gehört einer muslimischen Glaubens-gruppe an. Die Vielfalt dieser und auch die Konfliktlinien zwischen ihnen tragen mit dazu bei, dass die Integration der vielen Flüchtlinge eine große Herausforderung für den deutschen Staat und die Gesellschaft ist. Bei vielen Nichtmuslimen in Deutschland überwiegen mittlerweile Ängste angesichts der hohen Flüchtlingszahlen und der hergestellten Zusammenhänge zwischen diesen und terroristischen Anschlägen aus dem Umfeld des sogenannten „Islamischen Staates“ in Europa.

Volk betonte daher gleich zu Beginn, dass eine Versachlichung der Debatte dringend notwendig sei. Eine Vermischung oder gar Gleichsetzung von „Islam“ und „Islamismus“ passiere immer wieder, leiste aber lediglich Vorurteilen Vorschub: 98 Prozent aller Muslime weltweit leben ihren Glauben entweder kaum aus oder tun dies in Formen, die vollkommen unproblematisch sind, lediglich zwei Prozent können verschiedenen Strömungen von Islamismus und ähnlichen Interpretationen zugerechnet werden.

Stellen Muslime momentan etwa fünf Prozent der in Deutschland lebenden Menschen, so wird sich dieser Anteil bis 2030 voraussichtlich auf sieben Prozent erhöhen – die Zunahme von Menschen mit muslimischen Glauben durch die erhöhten Flüchtlingszahlen in 2015 (und voraussichtlich auch in 2016) sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Veränderungen werden sich dadurch auch in Herkunft und Zusammensetzung der Muslime ergeben. Denn momentan sind Muslime in Deutschland überwiegend türkischer Herkunft, viele von ihnen haben einen deutschen Pass. Dies spiegelt sich auch in der Verbandslandschaft wider, in der wichtige Islam-verbände oft türkisch dominiert sind. So gibt es neben der oft vorhandenen Sprachbarriere zwischen türkischstämmigen bereits länger in Deutschland leben-den Muslimen, die in der Regel Sunniten oder Aleviten sind, und bspw. Sunniten aus Syrien oder Schiiten aus dem Irak auch theologische Unterschiede und Konflikte, die mit nach Deutschland gebracht werden.

Volk wies darauf hin, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes nicht verhandelbar sei und dies auch Flüchtlingen vermittelt wer-den müsse; gleichzeitig sei es aber auch falsch, diese unter Generalverdacht zu stellen, sei es bezüglich der Nähe zu islamistischem oder gar dschihadistischem Gedankengut oder etwa bezüglich der Wahrnehmung von Geschlechterrollen.

Im Folgenden ging Volk auf die Ausbreitung islamistischen Gedankengutes in Deutschland in den letzten Jahren ein. Wichtig: „auch der Islamismus ist kein monolithischer Block.“ Die „legalistische Schule“ sei etwa überwiegend apolitisch und lehnt in der Regel Gewalt ab. Während hingegen die salafistische Szene in den letzten Jahren starken Zulauf erlebt habe, zu einem nicht unwesentlichen Teil auch durch Konvertiten deutscher Herkunft. Mehr als 800 Personen aus diesem Milieu haben den Übergang in dschihadistische Gruppierungen vollzogen und ist nach Syrien oder in den Irak ausgereist, um dortige Gruppierungen wie den „Islamischen Staat“ zu unterstützen. Etwa ein Drittel dieses Personenkreises ist mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt, teilweise traumatisiert und desillusioniert, teilweise weiter radikalisiert und zu Anschlägen bereit.

Wichtig sei es hier, nochmals zu betonen, dass gewaltbereiter Islamismus und Dschihadismus natürlich mit „dem Islam“ zu tun haben, dass dem aber mit einer historisch-kritischen Exegese des Korans auch in Deutschland begegnet werden müsse, da besonders „religiöse Analphabeten“ auf der Suche nach Halt und Orientierung anfällig für die Rekrutierung seien.

In Syrien und in den Nachbarstaaten gibt es insgesamt mittlerweile mindestens elf Millionen (Binnen-)Flüchtlinge: „Fluchtursachen bekämpfen heißt Perspektiven schaffen“. Über die reine Notversorgung hinaus müssen die Lebensbedingungen in den Nachbarländern für Flüchtlinge verbessert werden und alles daran gesetzt werden, eine Lösung für den Krieg in Syrien zu finden. Eine Fortsetzung der dortigen Zustände für mehrere Jahre würde primär radikalen Kräften in die Hände spielen und letztlich auch die Gefahr von Anschlägen in Europa erhöhen.

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