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Veranstaltungsberichte

Landwirtschaft in einer modernen Gesellschaft

Symposium über neue Herausforderungen an das Rechtssystem

Gemeinsam mit dem Deutsch-Chinesischen Institut für Rechtswissenschaften der Universität Nanjing und der Universität Göttingen veranstaltete die KAS Shanghai vom 17. – 18. März 2016 ein internationales Symposium zum Thema rechtliche Erfordernisse im Agrarbetrieb und -handel.

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Gerade angesichts rasanter Urbanisierungsprozesse und deren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Konsequenzen, besteht eine der Kernfragen unserer Zeit darin, wie der Rahmen für eine nachhaltige Gestaltung von Landwirtschaft gesetzt werden kann. Fragen der Bodennutzung; der Organisation und Artikulierung von Erzeugerinteressen; die Gewährleistung des Umweltschutzes bei landwirtschaftlichen Nutzflächen oder das Setzen von Qualitätsstandards bei agrarischen Erzeugnissen sind nur einige Aspekte die dabei im Blickpunkt stehen.

Im ersten Teil der Konferenz wurde die rechtliche Stellung von landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland und China vergleichend diskutiert.

Prof. LI Yougen von der juristischen Fakultät der Nanjing Universität unterstrich, dass eine von der Partei und Regierung bestimmte Politik bisher noch einer geltenden Rechtsprechung Vorrang eingeräumt würde. Dies hätte in der Vergangenheit gut funktioniert, würde aufgrund einer komplexer werdenden Wirklichkeit nun aber an den Punkt kommen, an dem die Vollstreckungskraft entsprechend einer praxisorientierten Gesetzgebung erfolgen müsse. Der Markt solle dabei die zentrale Rolle spielen.

Christiane Graß, Mediatorin und Rechtsanwältin, betonte die Schutzrichtlinien, die das Zivilrecht in Deutschland vorsehe, um die Zerschlagung von landwirtschaftlichen Betrieben im Erbfall zu verhindern. Auch im Falle einer Übergabe zu Lebzeiten würden umfangreiche Möglichkeiten bestehen, die alle darauf bedacht sind die Betriebe zu sichern.

Prof. ZHANG Hongxiao von der landwirtschaftlichen Universität Nanjing untersuchte in ihrem Vortrag die Rechtstellung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in China. Diese wären, sofern sie im Register eingetragene Organisationseinheiten sind, gesetzlich als juristische Personen anerkannt. Die treffe aber nicht für alle Kollektive in China zu, die sich Genossenschaften (nongye hezuoshe)nennen. Während für einzelnen Provinzen bisher ein solider Rechtsrahmen herrsche, müssten für landwirtschaftliche Betriebe aufgrund bestehender praktischer Probleme, z.B. in rückständigen ländlichen Gebieten, Autonomierechte gegenwärtig noch aufrecht erhalten werden. Man würde sich aber aus dem Rechtsvergleich - gerade mit Deutschland - hierzu viel versprechen.

Dr. Christian Busse vom Bundesministerium für Landwirtschaft verdeutlichte am Beispiel des Milchsektors, dass sich Landwirte in Europa aufgrund ihrer immer weniger werdenden wirtschaftlichen Macht zu Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften zusammenschließen würden. Das Instrument der landwirtschaftlichen Erzeugerorganisationen würde dabei seit 2008/2009 in Europa und bereits seit den 60er Jahren in Deutschland bestehen. Hieraus würden sich Rechte und Pflichten ergeben, die spezielle Ziele in der Landwirtschaft verfolgen würden. Bei der Bildung von Genossenschaften müsse aber sichergestellt werden, dass es nicht zu Monopolstellungen komme.

In der Diskussion wurde deutlich, dass es aus rechtlicher Perspektive ein Spannungsverhältnis gebe zwischen der Sicherstellung öffentlichen Interesses und dem individuellen Gestaltungsspielraum landwirtschaftlicher Betriebe. Dies rühre in Deutschland auch von der Orientierung an der sozialen Marktwirtschaft. In China wiederum sei generell die Tendenz sichtbar, dass sich die Landwirtschaft stärker an Gesetzen orientiere und geltende Gesetzesvorschriften allmählich eine breitere Anwendung finden.

Die Nutzungsrechte von Land und Höfen waren Gegenstand der Vorträge des zweiten Panels. In China stellt dabei insbesondere die Besitz- und Eigentumsfrage von Grundstücken und der sich darauf befindenden Höfe einen essentiellen Streitpunkt dar. Prof. JIN Jian, Juristin an der Universität Nanjing, führte aus, dass grundsätzlich Grundstücke auf dem Lande dem Kollektiv gehören und einzelne Bauern entsprechend nicht über das Eigentum, sondern über das Nutzungsrecht des Bodens verfügen würden. Allerdings ist dabei nicht geregelt ob das Nutzungsrecht auch übertragbar ist. Die Spannung besteht hier zwischen der Nachfrage nach Häusern auf dem Land durch Stadtbewohner, was insbesondere von den Bauern willkommen geheißen wird, die es selbst in die Städte zieht, um dort zu leben und zu arbeiten. Grundsätzlich ist eine Veräußerung der Nutzungsrechte an Stadtbewohner aber gesetzlich verboten, wobei jedoch detaillierte Vorgaben bisher fehlen.

Dass ein stärker gesellschaftliches Handeln notwendig ist, zeigte sich am Beispiel, der von Wanderarbeitern in den ländlichen Gemeinden zurückgelassenen Kinder(left alone children). Hier müsse eine stärkere Verbindung zwischen Gesellschaft, Staat und Familien hergestellt werden, um sich der Fürsorgepflicht anzunehmen, die allein durch die Familie in vielen Fällen nicht wahrgenommen werden könne. Im Gegenzug sei die Integration in soziale Dienstleistungen in den urbanen Gebieten hierfür zwingend erforderlich.

Auch die im dritten Panel thematisierte gesetzliche Ausgestaltung des Pachtrechtes machte deutlich, dass es gelte, die ländliche Entwicklung zu gewährleisten. Diese sehe sich mit dem Phänomen der zunehmenden Landflucht einer Vernachlässigung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber und würde damit in der Realität bereits eine ansteigende Übertragung landwirtschaft-licher Flächen erkennen lassen. Aus deutscher Perspektive machte Prof. Martinez deutlich, dass ein öffentliches Interesse an Grundstücken, die in der Landwirtschaft genutzt werden, bleibt. Der Staat habe dabei eine regulierende Funktion, um das Land nicht allein den Marktkräften zu überlassen.

Das vierte Panel thematisierte die Problematik eines noch nicht systematisch formulierten Agrarrechts in China im Hinblick auf den Umweltschutz. So müsse die öffentliche Beteiligung stärker berücksichtigt werden und auch eine transparentere Gestaltung von Entscheidungsrechten angestrebt werden. Planungsgesetze, wie jene zum Bau in ländlichen Gebieten gelte es strenger zu implementieren und durch beaufsichtigende Behörden zu überwachen. Ein Pilotprojekt bestehe dabei in Kunshan, Provinz Jiangsu, wo eine Aufsichtsfunktion durch die Staatsanwaltschaft getestet wird. Diese kann Klage im öffentlichen Sinn initiieren, und nimmt damit die Rolle als Hauptakteur im zivilrechtlichen Klagerecht ein. Fraglich ist dabei, inwiefern damit die zivilrechtliche Funktion von nichtstaatlichen Akteuren wie NGOs untergraben wird. Hier ist eine deutliche Vermischung der rechtstaatlichen Funktion von Exekutive und Judikative zu erwarten.

Das 5. Panel diskutierte Formen und die Ausgestaltung des Saatgutgesetztes. Dabei komme es zu der Frage, ob dies eher durch eine gesetzliche Regelung des Sortenschutzes oder durch das Patentrecht geschehen solle. Seit 2015 und damals einhergehenden Änderungen im Saatgutgesetz, wird der Schutz von Erbgutressourcen in China dadurch geregelt, wie Landflächen genutzt werden. Vieles ist dabei noch sehr unkonkret, so dass für Unterstützungsmaßnahmen und die Sicherheitskontrolle noch Verbesserungsbedarf bestehe.

Prof. Martinez wies vergleichend darauf hin, dass jenseits der ethischen Fragen, ob Leben patentier ist, die Grundsatzentscheidung zugunsten des Sortenschutzes oder für Patentrechte erheblich für die Leistung der Landwirtschaft prägend sei. Sortenschutz würde demnach eine wettbewerbsorientierte Forschung fördern, da hierbei erkannt werde, dass hierin ein wesentliches öffentliches Interesse liege und daher geschützt werden sollte.

Im abschließenden Panel befasste sich die Konferenz mit Fragen zur Lebensmittelsicherheit. Frau Yong Dongxia, vom Landwirtschaftsministerium, wies darauf hin, dass seit 2015 ein strenges Qualitätssicherheitsgesetz in Kraft sei. Derzeit werde diskutiert, wie einzelne Punkte der Registrierung und eine sinnvolle Eindämmung von Verstößen gestaltet werden könnten. Thilo Ortgies, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landwirtschaftsrecht der Universität Göttingen, wies darauf hin, dass es Aufgabe des Lebensmittelrechts sei, sowohl die Interessen der Lebensmittelindustrie, als auch die der Verbraucher zu schützen. Dies müsse vermehrt grenzüberschreitend geschehen.

Auch Dr. LU Weifu vom Kontrollamt für Lebensmittel und Medizin der Provinz Anhui stimmte damit überein, dass Lebensmittelüberwachung nicht nur Aufgabe einer Behörde sei, sondern auch gesellschaftliche Co-governance, insbesondere durch Versicherungen, voraussetze. Abschließend rundete Dr. Leticia Bourges, Generalsekretärin des European Council for Rural Law, mit ihrem Beitrag zum Konzept Circular Economy, die Ergebnisse ab. Das Recht müsse viel stärker den Zusammenhang aus Nahrung, Abfall und Recycling begreifen. Dabei könnten Anreize gesetzt werden, die den Menschen dazu bringen sein Konsumverhalten zu überdenken und beispielsweise durch eine reduzierte Besteuerung verantwortungsbewussten Handelns zu belohnen.

Die Konferenz trug zu einem regen Austausch der teilnehmenden Rechtswissenschaftler, Vertreter von Behörden und Rechtspraktikern bei. Dabei wurde deutlich, dass sowohl Ähnlichkeiten und Abweichungen in der Gestaltung des Agrarrechts bestehen. In China wie in Deutschland setzt sich das Recht zum Ziel, landwirtschaftliche Betriebe erhalten zu können und auch landwirtschaftliche Rechte zu sichern. Es zeigte sich auch, dass Umweltschutz auch als Verantwortung und Aufgabe der Landwirtschaft definiert wird.

Bei der Definition und Ausgestaltung des Nutzungsrechts zeigten sich erhebliche Unterscheide in Definition und Rechtsprechung der beiden Länder. Dass es auch eines umfassenderen Fassung des Agrarrechts bedarf, wurde im Verlauf der Diskussionen deutlich.

Das Nanjing Law Forum ist eine gemeinsame Veranstaltung der KAS Shanghai mit dem Chinesisch-Deutschen Institut für Rechtswissenschaften an der Universität Nanjing und ist Teil des Chinesisch-Deutschen Austausch im Rechtsbereich.

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Tim Wenniges

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