Asset-Herausgeber

Eyepix Group, Imago
Auslandsinformationen

Wie Mexikos Präsidentin mit der neuen Politik der USA umgeht

Die Trump-Flüsterin

Donald Trump setzt Mexiko unter Druck – mit Zöllen, Drohungen und Forderungen. Präsidentin Sheinbaum reagiert besonnen, doch die Spielräume sind eng. Sie setzt auf pragmatische Diplomatie, um Eskalationen zu vermeiden, und betont zugleich die nationale Souveränität. Zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und politischer Selbstbehauptung muss Mexiko einen riskanten Balanceakt meistern. Kann dieser Kurs langfristig die eigenen Interessen sichern, ohne die Beziehung zum mächtigen Nachbarn zu gefährden?

Asset-Herausgeber

Auf einen Blick
  • Donald Trumps zweite Amtszeit stellt Mexiko erneut vor große Herausforderungen. Wirtschaftlicher Druck und sicherheitspolitische Drohungen zwingen die mexikanische Regierung in einen Balanceakt zwischen nationaler Souveränität und ökonomischer Abhängigkeit. Präsidentin Claudia Sheinbaum reagiert darauf mit ruhiger Diplomatie, indem sie Provokationen vermeidet und pragmatisch auf Kooperation setzt, wo dies Mexikos Interessen dient.
  • Trotz der asymmetrischen Machtverhältnisse bewahrt Mexiko eine stabile Verhandlungsposition. Die enge wirtschaftliche Verflechtung beider Länder und Mexikos Schlüsselrolle in Fragen von Migration und Drogenbekämpfung geben Sheinbaum Handlungsspielraum. Ihr Ansatz, Konflikte durch kontrolliertes Entgegenkommen zu entschärfen, hat größere Konfrontationen bisher verhindert.
  • Die rote Linie ist für Mexiko die Souveränität und territoriale Integrität des Landes. Äußerungen von US-Seite, die diese infrage stellen, werden von Sheinbaum auch öffentlich zurückgewiesen.
  • Präsident Trumps Außenpolitik bleibt durch die Verbindung von Handels-, Sicherheits- und Migrationsfragen geprägt. Gleichzeitig erkennt seine Regierung die strategische Bedeutung Mexikos an.
 

Das System Trump ist ein täglicher Stresstest – für die US-amerikanische Demokratie, die Partnerländer der USA und für die erodierende regelbasierte Ordnung ohnehin. Mexiko ist davon in besonderem Maße betroffen. Der neben Kanada einzige direkte Nachbar der USA ist seit Tag eins im politischen Leben Donald Trumps dessen präferierte Zielscheibe. Allerdings, oder gerade deswegen, ist Mexiko vielen anderen Regierungen in Trumps zweiter Amtszeit weit voraus. Man hatte vier Jahre Zeit, sich vorzubereiten, und nicht, wie die meisten europäischen Länder, Augen und Ohren vor der gefürchteten Möglichkeit seiner Rückkehr verschlossen.

Diese Rückkehr hat für Mexiko bis dato in erster Linie viel Stress bedeutet, viele Wendungen und Drohungen. Sei es hinsichtlich der Strafzölle oder einer öffentlich erwogenen militärischen Intervention zur Bekämpfung der Drogenkartelle. Die tatsächlichen Auswirkungen sind jedoch – ähnlich wie zu seiner ersten Amtszeit – weniger schlimm als befürchtet. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum hatte nach ihrem Amtsantritt im Herbst 2024 nur knapp vier Monate, um sich auf Trump einzustellen. Sie verfolgt einen sachorientierten, nüchternen Kurs im Umgang mit dem US-Präsidenten, vermeidet öffentliche Konfrontation und betont zugleich konsequent die nationale Souveränität Mexikos sowie den Anspruch, bilaterale Beziehungen auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten zu führen.

Mexiko kann sicherlich nicht als Verlierer der „Trumpschen Abrissbirne“ gelten, auch wenn die Grenze zwischen Freund und Feind erfahrungsgemäß hauchdünn verläuft. Trump und seine Berater wissen nur zu gut um die strategische Bedeutung des Landes – insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht.1 Einen offenen Handelskrieg mit den Freihandelspartnern Kanada und Mexiko können sie sich schlicht nicht erlauben. Zu interdependent sind die Wertschöpfungsketten Nordamerikas, zu nervös die Finanzmärkte, zu groß der Einfluss der Automobilhersteller, deren Produktionsstätten in Mexiko essenziell für die US-amerikanische Volkswirtschaft sind. Darüber hinaus halten die Mexikaner zu vielen politischen Prioritäten Trumps den Schlüssel in den eigenen Händen – speziell hinsichtlich Migration und Drogenkriminalität. Dessen ist man sich in Mexiko-Stadt bewusst und daraus ergibt sich ein gewisser Verhandlungsspielraum. Trumps Nervenkostüm darf dennoch niemals unterschätzt werden. In seiner Impulsivität schadet er im Zweifelsfall auch dem eigenen Land und US-amerikanischen Interessen, wenn anderswo noch größerer Schaden anzurichten ist.

Mexikos Interessen in der asymmetrischen Beziehung sind klar definiert: Die Zugänge zum US-Markt im Rahmen des Freihandelsabkommens USMCA2 müssen durch die Vermeidung von wirtschaftlichen Sanktionen und Zöllen gesichert, die politische Souveränität des Landes dabei gewahrt bleiben. Der eigene Handlungsspielraum ist beschränkt. Man tut gut daran, sich pragmatisch und defensiv zu geben, aber niemals unterwürfig zu agieren. Die Betonung von gemeinsamen Interessen und das gelegentlich geäußerte Verständnis für US-Positionen runden einen alles in allem deeskalierenden Ansatz ab. Unter der Führung von Sheinbaum hat Mexiko noch besser gelernt, mit Trump zu leben. Aktiv zu gestalten, vermag man jedoch kaum.

 

Ungleiche Nachbarn

Die Beziehungen zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten sind geprägt von einer historischen Rivalität, generationenübergreifenden familiären Verbindungen, nationalen Traumata, vor allem aber von gravierenden Entwicklungsunterschieden und Abhängigkeiten. Kurzum: Sie könnten komplizierter und vielschichtiger kaum sein. Beide Länder teilen eine 3.145 Kilometer lange Grenze. Sie ist eine der gefährlichsten der Welt, die Grenzregion aber gleichzeitig eine der produktivsten weltweit.

Als das NAFTA-Abkommen3 1994 in Kraft trat, wurde Nordamerika formell in eine Freihandelszone verwandelt. Dies verstärkte die industrielle Abwanderung aus den USA, die Politiker wie insbesondere Trump später nutzten, um Stimmung wahlweise gegen Globalisierung, mexikanische Einwanderer oder abgewanderte Industrien zu machen. Restrukturierungen kosteten Hunderttausende Jobs in den alten Industrieregionen des Nordens (rust belt), wovon wiederum viele aufgrund günstiger Produktions- und Lohnkosten in Mexiko angesiedelt wurden.

Mexiko verdankte dem Freihandelsabkommen große Industrialisierungsfortschritte und später die Integration in globale Handelsströme, allerdings verbunden mit gravierenden internen Entwicklungsunterschieden. Während der Norden Mexikos eng mit dem angrenzenden Nachbarn verwoben und industriell wie infrastrukturell stark entwickelt ist, finden sich im Süden sozioökonomische Begebenheiten, die man so nicht in einem OECD-Land vermuten würde. Darüber hinaus ist Mexiko Mitglied der G20 mit der erklärten Ambition, perspektivisch zu den zehn größten Volkswirtschaften weltweit aufzuschließen.4

Die Handelsbeziehungen zwischen Mexiko und den USA sind stark ausgeprägt, ihre Volkswirtschaften in einigen Industriezweigen interdependent. Beide Länder sind für das jeweils andere Land der wichtigste Handelspartner: 2024 kamen 16 Prozent der US-Importe aus Mexiko, das damit noch vor China und Kanada lag.5 Umgekehrt gingen mehr als 80 Prozent aller mexikanischen Exporte in die Vereinigten Staaten.6 Die mexikanische Wirtschaft ist also stark abhängig von den USA, wobei die US-Wirtschaft ebenso auf Mexiko als Produktionsstandort (Autobauer) oder Vorproduzenten (Kabel, Chemie, Metall, Elektronik) angewiesen ist. Man schätzt, dass fünf Millionen US-Arbeitsplätze vom Handel mit Mexiko abhängen.7

Soziokulturelle Überschneidungen und ihre politischen Implikationen sind ähnlich relevant, da rund 38 Millionen US-Amerikaner8 (mehr als 11 Prozent der Bevölkerung) mexikanische Wurzeln haben. Darüber hinaus schätzt man, dass sich, je nach politischer und konjunktureller Lage, vier Millionen Mexikaner9 ohne Dokumente in den USA aufhalten und wichtige, wenn auch unterbezahlte, Lohnarbeit auf Baustellen, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor übernehmen.

Die mexikanischen Emigranten sind für den US-amerikanischen Staat und seine Gesellschaft von herausragender Bedeutung.

Dieses demografische Gewicht bedeutet längst politisch-elektoralen Einfluss, vor allem im Südwesten. Auch in einigen swing states sind die Mexican Americans zunehmend wahlentscheidend. Ihre Anliegen werden analog dazu relevanter in Debatten und ihre politische Repräsentation im Kongress und den Landesparlamenten kontinuierlich größer.

Die mexikanischen Emigranten sind also für den US-amerikanischen Staat und seine Gesellschaft von herausragender Bedeutung. Aber auch für ihr Heimatland sind sie – nicht zuletzt wirtschaftlich – relevant: Vergangenes Jahr kamen laut offiziellen Angaben etwa 64,7 Milliarden US-Dollar in Form von Rücküberweisungen (remesas) zurück nach Mexiko – dies entspricht 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mehr als 95 Prozent der remesas kommen aus den USA.10 Dieses Geld kommt direkt Familien in strukturschwachen Regionen zugute und ist somit ein stabilisierender Faktor bei der Armutsbekämpfung. Schon kleine Abweichungen, verursacht etwa durch eine restriktive Migrationspolitik, haben signifikante sozioökonomische Auswirkungen innerhalb Mexikos.

 

Donald Trump und Mexiko – eine ganz eigene Beziehung

Der Politiker Trump ist ohne Mexiko kaum zu denken. Zu der Ergründung seines politischen Erfolgs und der Betrachtung des globalen Phänomens, das er entfesselte und personifiziert, ist Mexiko fundamental – sein Wahlsieg 2016 gründete nicht nur im übertragenen Sinne „auf“ dem südlichen Nachbarn und seinen Menschen. Mexiko war für Trump ursprünglich ein Symbol für alles, was in den Vereinigten Staaten falsch lief. Die dynamische Globalisierung seit den 1980er-Jahren machte die USA in der Spitze zwar immer reicher, die Mittelschicht, den Kern der US-amerikanischen Gesellschaft also, aber relativ gesehen ärmer.11 Industrien wanderten ab und Migranten aus Lateinamerika ein. Dass die Industrie dank NAFTA häufig gen Mexiko abwanderte, verstärkte das Gefühl, dass die USA zum Vorteil anderer Länder verarmten.

Mexikaner waren in Trumps Reden immer wieder Referenzpunkt, stellvertretend für alle Migranten, für Gewalt, Drogenkonsum und Verfall.

Es mögen in diesem Zusammenhang viele soziologische, psychologische und ökonomische Faktoren eine Rolle gespielt haben; der stetig steigende Anteil der Hispanics12 im Land und deren steigender Lebensstandard im Angesicht des relativ wie absolut fallenden Wohlstands der weißen Mittelschicht sind jedoch der ideale Nährboden für Trumps Rhetorik. Die „Zumutung“ eines schwarzen Präsidenten rundete das Bild für viele Wähler ab. Durch seine impulsive Rhetorik, sein Gebaren als volksnaher Vertreter des echten „Amerikas“, der die abgehobene Elite in Washington auf den Boden der Tatsachen zurückholen würde, wurde Trump für immer mehr Bürger politisch attraktiv. Mexikaner waren in seinen Reden immer wieder Referenzpunkt und Sündenbock, stellvertretend für alle Migranten, für Kriminalität und Verfall. Sie waren das zentrale Motiv einer so simplen wie erfolgreichen Wahlkampfstrategie.

Mexiko war das Symbol für eine neue Grenzpolitik – „we will build a wall!“ Migranten aus dem Süden, pauschal „Mexikaner“, unabhängig von ihrer tatsächlichen Herkunft, würden Drogen und Gewalt ins Land bringen und müssten daher deportiert oder noch besser direkt von der Einreise abgehalten werden. Kontrovers als Thema, wurde die Mauer zum Sinnbild des neuen US-amerikanischen Isolationismus, den man historisch mit dem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg abgelegt hatte. Die Mauer stand für den Anspruch, die Souveränität der USA wiederzuerlangen. Souveränität definiert sich in erster Instanz durch Kontrolle über das Territorium und dessen Grenzen. Mexiko, auf der anderen Seite, wurde somit auch zum Stellvertreter für eine breite Debatte über kulturelle Identität und die demografischen Veränderungen im Land.

In diesem Diskurs war Mexiko auch Symbol des globalisierten Handels – „they are taking your jobs!“ In der Wahrnehmung der ländlichen US-amerikanischen Bevölkerung hatten Freihandel und Globalisierung der Mittel- und Unterschicht vor allem geschadet, dem Ausland (Mexiko also) massiv genutzt. Firmen und deren Eigner, die Eliten in Washington, die den rust belt verfallen ließen, hätten so das US-amerikanische Volk verraten.

Mit einer berüchtigten Aussage wurden Mexikaner außerdem pauschal als verantwortliche Gruppe für Kriminalität und Drogen dargestellt, stellvertretend für die schlechte Sicherheitslage in US-amerikanischen Städten degradiert – „they are bringing crime, they are rapists!“ In vielen Reden und Äußerungen stellt Trump bis heute einen kausalen Zusammenhang zwischen Migranten und den Sicherheitsproblemen seines Landes her. Da ein Großteil der konsumierten Drogen in der Tat aus Lateinamerika in die USA kommt und die beteiligten kriminellen Netzwerke und Kartelle in der Tat häufig in Ländern wie Mexiko beheimatet sind, ist eine gewisse Logik hier auch nicht von der Hand zu weisen.13

Insgesamt wird im populistisch-nationalistischen MAGA-Diskurs der gemeinsame Gegner somit klar definiert und eine Dynamik des „Wir gegen die“ etabliert, hinter der sich viele Wähler, auch nicht-US-amerikanischer Herkunft, versammeln können. Mexiko und Mexikaner waren in diesem Zusammenhang häufig das zentrale Bild, der gemeinsame Gegner.

 

Kooperation statt Konfrontation

In Trumps zweiter Amtszeit nun haben sich die Schwerpunkte seiner politischen Agenda nur geringfügig verschoben. Bereits vor Amtsantritt wurde ein Politikwechsel in drei zentralen, grenzüberschreitenden Bereichen angekündigt und diese miteinander verknüpft: Handel, Migration und organisierte Kriminalität / Drogenhandel.

Noch am ersten Tag im Amt baute Trump mit mehreren Dekreten maximalen Druck auf die Regierung Mexikos auf, etwa durch die Einstufung der Kartelle als Terrororganisationen und einen Erlass, die USMCA-Freihandelspartner mit sofortigen Strafzöllen von 30 Prozent zu belegen. Nur zwei Tage später, als Reaktion auf das hektische Entgegenkommen Mexikos, das unter anderem zehntausend Soldaten der Nationalgarde an die gemeinsame Grenze entsandte, wurden diese Zölle pausiert.14 Ein Deal ganz nach dem Geschmack Trumps. Dieser weiß um die wirtschaftliche Übermacht seines Landes. Für Mexiko wären die Zölle verheerend. Auch mit der Ankündigung, die Rücküberweisungen von Migranten zu besteuern, wurden mexikanische Entscheidungsträger in höchste Alarmbereitschaft versetzt.15 Es gilt dann, dem meist transaktional denkenden Präsidenten zwar zu widersprechen, aber gleichzeitig anderweitig entgegenzukommen. Viel offener als andere Präsidenten vor ihm verbindet Trump unterschiedliche Themenfelder miteinander. Obwohl Sicherheit und Freihandel nur teilweise zusammenhängen, droht er auf der Ebene Handel, um seine Ziele im Bereich Sicherheit zu erreichen. Mexiko muss fast alles tun, um den Freihandel als solchen zu erhalten, und ist daher bereit, Trump Siege zu liefern, zum Beispiel durch engmaschigere Kontrollen der eigenen Südgrenze, die Verhinderung von illegalen Grenzübertritten im Norden oder öffentlichkeitswirksame Enttarnungen von Drogenlaboren.16

Eine effektivere Kooperation im Sicherheitsbereich ist für beide Seiten von Vorteil, um Drogenkartelle zu schwächen.

Allerdings, und das ist zentral für die Betrachtung der Dynamik zwischen Trump und Sheinbaum, hat die Mexikanerin die Kontrolle über einige seiner zentralen innenpolitischen Wahlversprechen. Migranten, Drogen und organisierte Kriminalität kommen aus oder durch Mexiko. Sie könnten dort gestoppt werden – oder eben auch nicht.

Im Prinzip ist eine effektivere Kooperation im Sicherheitsbereich für beide Seiten das zentrale Anliegen, um die Drogenkartelle zu schwächen (beidseitiges Interesse), Migration zu minimieren (Interesse der USA) und nationale Souveränität zu wahren (Interesse Mexikos).17 Speziell gegenüber dem großen ungeliebten Bruder ist die territoriale Integrität heilig: Die mexikanische Präsidentin kann gegenüber den USA viel Flexibilität und Entgegenkommen zeigen, denn jeder im Land kennt die ökonomischen Abhängigkeiten. Aber unilaterale US-Aktionen auf mexikanischem Territorium wären gravierend und dürften aus innenpolitischen Gründen niemals hingenommen werden.18 In Washington, zum Beispiel in Person von Außenminister Rubio, dem aufgrund seiner Latino-Herkunft und politischen Heimat in Florida ein gewisses Verständnis für die Sensibilitäten südlich des Rio Grande nachgesagt wird, weiß man um die Komplexität des Themas. Kürzlich betonte Rubio in Mexiko wiederholt, auch auf Spanisch, den Respekt für die Souveränität des Partners und dankte für die enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität.

Migration, Drogen und Kartellgewalt hängen eng miteinander zusammen, sie entziehen sich aber direkter US-amerikanischer Kontrolle.

Die Einstufung der Kartelle als terroristische Vereinigungen räumt Trump nach US-amerikanischem Recht die Möglichkeit ein, militärisch gegen diese vorzugehen.19 Er hat damit gezielt zu Beginn seiner Amtszeit den Ton gesetzt und im gleichen Atemzug Tausende eigene Soldaten an die Grenze entsandt, vorgeblich zu ihrer Sicherung. Kinetische Aktionen, etwa mit bewaffneten Drohnen, um Kartelle im Landesinneren Mexikos zu treffen, wären für die hochgerüsteten US-Streitkräfte ein Leichtes. Vor dieser Drohkulisse, die regelmäßig mit der Ankündigung von Strafzöllen unterfüttert wird, erwirkt Trump effektiveres Handeln gegen die kriminellen Organisationen, die grassierende Korruption in Politik, Justiz und Militär und gegen die bisweilen kaum kontrollierte Migration via Mexiko. Ironischerweise gibt dies wiederum Sheinbaum politische Deckung, um intern härter durchzugreifen und sich dabei vom leichtfertigen Ansatz ihres Vorgängers und politischen Ziehvaters Andrés Manuel López Obrador zu emanzipieren.20

Es offenbart sich hier die zentrale strategische Schwäche Trumps hinsichtlich Mexikos: Migration, Drogen und Kartellgewalt hängen eng miteinander zusammen, sie entziehen sich aber direkter US-amerikanischer Kontrolle.

Sobald Trump Mexiko zu sehr brüskiert und man dort die Kooperation herunterfährt, gerät der US-Präsident in Schwierigkeiten, seine Ankündigungen einzulösen. In einem vielschichtigen Spannungsfeld wissen die Mexikaner um diesen politischen Trumpf, ohne ihn je öffentlich zu benennen.

Es lässt sich unter Berücksichtigung der erläuterten Dynamiken konstatieren, dass Trump Mexiko viel abverlangt und großen Druck ausübt. Seine machtpolitischen Instinkte kann er in Anbetracht der Lage allerdings nicht rücksichtslos durchsetzen. Dies gibt Mexiko einen gewissen politischen Hebel, um mit ihm ins Geschäft zu kommen und eigene Interessen gegenüber Washington zu formulieren oder auf deren Wahrung zu pochen. Mehrfach wurde Mexiko inzwischen, trotz der Ankündigung von hohen Strafzöllen, nach persönlicher telefonischer Intervention von Sheinbaum verschont.21

 

Zum Umgang mit Trump

Die mexikanische Präsidentin wurde bereits anerkennend als „Trump-Flüsterin“ bezeichnet.22 Das mutet etwas euphorisch an, denn bis dato sind sich die beiden persönlich nie begegnet. Ein geplantes Treffen am Rande des G7-Gipfels in Kanada, wohin Sheinbaum von Gastgeber Mark Carney eingeladen wurde, kam aufgrund der verfrühten Abreise Trumps nicht zustande. Dennoch hat sich der US-Amerikaner mehrfach ausgesprochen positiv über seine Amtskollegin geäußert. Da deren Gespräche nicht öffentlich sind, lässt sich ihr Ansatz nicht direkt studieren, aber öffentlich getätigte Äußerungen und politische Maßnahmen geben doch gewissen Aufschluss über die gewählten Strategien.

Auf die Androhung von Zöllen reagierte Mexiko mit öffentlichen Gesten des Entgegenkommens (Festnahme von Kartellmitgliedern und Auslieferung von Drogenbossen, Entsendung von Soldaten an die gemeinsame Grenze). Trump wird damit implizit recht gegeben und er wiederum kann dies innenpolitisch nutzen. Durch direkte Sicherheitskooperation machen sich die Mexikaner somit nützlich bis unverzichtbar.

In gewissen Punkten darf Präsidentin Sheinbaum allerdings nicht nachgeben, denn auch sie hat eine eigene innenpolitische Arena zu befrieden. Das öffentliche Beharren auf der nationalen Souveränität Mexikos und der eigenen politischen Unabhängigkeit zieht klare Grenzen gegenüber dem Norden und verschafft ihr nebenbei hervorragende Umfragewerte im eigenen Land.23 Leichte Gegendrohungen sind im Rahmen der Zolldiskussion ein probates und gelegentlich angewandtes Mittel, um Trump daran zu erinnern, dass man ebenfalls 25 Prozent auf alle US-Importe erheben und damit US-amerikanischen Firmen direkt schaden könnte.

Scharfe Zurückweisungen erfolgen dann, wenn Souveränität und nationale Integrität zu offensiv infrage gestellt werden. Sowohl im Verhältnis zu den USA als auch zu Kanada, das Mexiko zu Beginn des Jahres 2025 unter den sprichwörtlichen Bus werfen wollte, sah sich Sheinbaum zu teils deutlichen Reaktionen veranlasst. Auf den Vorwurf, Mexiko trage die alleinige Verantwortung für Drogenhandel und Gewalt in Nordamerika, reagierte sie mit dem Verweis, dass Mexiko nicht für die Verfolgung krimineller Netzwerke außerhalb der eigenen Grenzen zuständig sei. Zudem betont die mexikanische Regierung häufig, dass die hohe Nachfrage nach Betäubungsmitteln in den USA ein wesentlicher Faktor der Problematik sei und bleibe.

Zum Gegenangriff gehen die Mexikaner vor allem über, wenn es um die gravierenden Sicherheitsprobleme im eigenen Land geht. Seit Jahren ist bekannt, dass die blutigen Konflikte mit geschmuggelten US-Waffen geführt werden. Für Mexiko-Stadt ist dies ein zentrales, aber meist ignoriertes politisches Anliegen, mit dem sich auch das höchste US-Gericht bereits beschäftigte.24 Im Norden wird wenig gegen die geschmuggelten Waffen unternommen, die jährlich etwa 30.000 Menschen das Leben kosten.25

Zu guter Letzt sorgen geografische Nähe und strukturelle Abhängigkeiten dafür, dass die politische Präsenz Mexikos in den Vereinigten Staaten ihresgleichen sucht. Es gibt insgesamt 53 Konsulate im Land, auf regionaler und lokaler Ebene sind Tausende Mitarbeiter des Außenministeriums angehalten, Kontakte zu pflegen und in Wahlkreisen für die Belange und Interessen Mexikos und seiner Bevölkerung einzutreten.

Weder Sheinbaum noch ihre Berater scheinen es eilig zu haben, das persönliche Treffen der beiden Staatschefs nachzuholen. Man erinnert sich nur zu gut an die öffentlichen Demütigungen einiger Regierungschefs.

 

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass Claudia Sheinbaum als erste weibliche Präsidentin Mexikos keine leichte Ausgangsposition gegenüber dem Rückkehrer im Weißen Haus hatte. Im Gegensatz zu vielen Amtskollegen scheint sie allerdings einen funktionierenden, sachlichen Umgang mit ihm gefunden zu haben.

Trotz wirtschaftlicher Abhängigkeit und eines gravierenden Machtungleichgewichts lenkt sie die nationalen und persönlichen Beziehungen geschickt, wohlwissend um gewisse strategische Vorteile, die öffentlich nicht benannt werden müssen. So mag das bilaterale Verhältnis beider Länder gelegentlich widersprüchlich erscheinen.

Die spezielle Dynamik zwischen den ungleichen Nachbarn, zwischen dem erratischen Trump und der nüchternen Sheinbaum, kann keine Blaupause für andere darstellen, aber gewisse Schlussfolgerungen lassen sich dennoch ziehen. Der Fokus im Umgang mit Donald Trump muss auf gemeinsamen Interessen und eigenen Stärken liegen, als Antagonist lässt sich kaum gewinnen. Auch Sheinbaum gewinnt sicherlich nicht „gegen“ Trump, aber sie verliert nicht – und erreicht damit schon mehr als die meisten ihrer Amtskollegen weltweit.

Allerdings darf auch im Kontext einer außenpolitischen Analyse Mexikos nicht unerwähnt bleiben, dass das Land auch unter Sheinbaum weiterhin gravierende Probleme im Innern aufweist. Vor allem wurden in den vergangenen Jahren eklatante demokratische Rückschritte gemacht. Die Regierungspartei MORENA kontrolliert neben der Regierung beide Kammern des nationalen Parlaments, einen Großteil der 32 Bundesstaaten und hat insbesondere durch eine Justizreform 2024 den mexikanischen Rechtsstaat unterminiert.

Richter auf allen administrativen Ebenen werden nun direkt vom Volk gewählt, der ohnehin schon grassierenden Korruption sind somit Tür und Tor geöffnet.26 Die organisierte Kriminalität kontrolliert nicht nur Teile des Landes, sondern auch Wirtschaft und Politik und terrorisiert die Zivilbevölkerung. Die Sicherheitslage ist mindestens angespannt und Teile des Landes befinden sich de facto nicht unter staatlicher Kontrolle. Kritische investigative Medien werden von Regierungsseite mit Drohungen und Klagen überzogen. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Vielleicht erkennt Trump, der nicht für seinen besonderen Respekt für Demokratie, Gewaltenteilung und Transparenz bekannt ist, in Sheinbaum auch deswegen eine Schwester im Geiste.

 

 

Die Arbeit an diesem Beitrag wurde am 24. November 2025 abgeschlossen.

 

 

Maximilian Strobel ist Referent in der Abteilung Demokratie, Recht und Parteien der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zuvor war er zwei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auslandsbüro Mexiko.

 

 
  1. Rubio-Marquéz, Vanessa 2025: Despite Trump’s threats, Mexico is of fundamental importance to the US economy, Chatham House, 10.02.2025, in: https://ogy.de/da6s [30.09.2025]. ↩︎
  2. Das United States–Mexico–Canada Agreement (USMCA) ist ein Handelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada. ↩︎
  3. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) war ein Wirtschaftsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko. Es wurde 2020 vom neuen Abkommen USMCA abgelöst. ↩︎
  4. 2023 belegte Mexiko mit einem absoluten Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,789 Billionen US-Dollar den weltweit zwölften Platz vor Australien, Südkorea und Spanien sowie den 73. Platz hinsichtlich des BIP pro Kopf hinter Georgien, der Dominikanischen Republik oder Serbien. Worldometer: GDP by Country, in: https://ogy.de/0kqc [29.10.2025]; Worldometer: GDP per Capita, in: https://ogy.de/8fkd [29.10.2025]. ↩︎
  5. Trading Economics: United States Imports by Country, in: https://ogy.de/0r24 [28.10.2025]. ↩︎
  6. Trading Economics: Mexico Exports by Country, in: https://ogy.de/j1t6 [28.10.2025]. ↩︎
  7. Adrienne Arsht Latin America Center 2025: Beyond the border: Your briefing on US-Mexico commerce, Atlantic Council, 31.01.2025, in: https://ogy.de/k6db [30.09.2025]. ↩︎
  8. Moslimani, Mohamad / Noe-Bustamante, Luis / Shah, Sono 2023: Facts on Hispanics of Mexican origin in the United States, 2021, Pew Research Center, 16.08.2023, in: https://ogy.de/sy3k [28.10.2025]. ↩︎
  9. Passel, Jeffrey S. / Krogstad, Jens Manuel 2025: U.S. Unauthorized Immigrant Population Reached a Record 14 Million in 2023, Pew Research Center, 21.08.2025, in: https://ogy.de/jxop [28.10.2025]. ↩︎
  10. Spiegel 2025: Exil-Mexikaner in den USA schicken deutlich weniger Geld nach Hause, 03.06.2025, in: https://ogy.de/58hr [28.10.2025]. ↩︎
  11. Steingart, Gabor 2006: America’s Middle Class Has Become Globalization’s Loser, Spiegel, 24.10.2006, in: https://ogy.de/7e3m [28.10.2025]. ↩︎
  12. Hispanics sind Menschen in den Vereinigten Staaten mit spanischsprachiger Herkunft oder Kultur. Latino ist eine geografische Bezeichnung, die Menschen aus Lateinamerika (einschließlich Mexiko, Zentralamerika, Südamerika und der Karibik) umfasst. Die Begriffe werden oft synonym verwendet. ↩︎
  13. In Mexiko ist man sich der Problematik durch den seit Jahrzehnten währenden Drogenkrieg mit Hunderttausenden Toten nur allzu bewusst. Allerdings stellt sich die Frage, was den globalen Handel mit Narkotika so lukrativ macht – das Angebot oder die nie endende Nachfrage im Westen? ↩︎
  14. Wagner, James 2025: Mexico Deploys 10,000 National Guard Members to U.S. Border: What to Know, The New York Times, 04.02.2025, in: https://ogy.de/fpvx [30.09.2025]. ↩︎
  15. Käufer, Tobias 2025: Trump targets illegal migration with remittance tax plan, Deutsche Welle, 23.05.2025, in: https://ogy.de/8iel [30.09.2025]. ↩︎
  16. The Watch 2025: Fentanyl flow drastically reduced on Mexico-U.S. border, 15.07.2025, in: https://ogy.de/nkuf [30.09.2025]. ↩︎
  17. Wong, Edward 2025: U.S. and Mexico Vow to Fight Crime While Respecting Sovereignty, The New York Times, 03.09.2025, in: https://ogy.de/ou8t [30.09.2025]. ↩︎
  18. Associated Press (AP) 2025: Mexican president rejects Trump’s offer of military intervention against cartels, Politico, 18.11.2025, in: https://ogy.de/ofzu [25.11.2025]. ↩︎
  19. Im September 2025 führten die USA mindestens zwei Angriffe auf vermeintliche Drogenschmuggler vor der Küste Venezuelas durch. Dies wird als klares Signal an die dortigen Machthaber verstanden. Buschschlüter, Vanessa / Rawnsley, Jessica 2025: US destroys alleged Venezuelan drug boat, killing three, BBC, 16.09.2025, in: https://ogy.de/cc80 [30.09.2025]. ↩︎
  20. Mexiko ist seit Jahrzehnten Schauplatz eines blutigen Drogenkrieges, insbesondere getrieben von Konflikten zwischen den Kartellen, in die der Staat mal mehr, mal weniger eingreift. Entscheidungsträger auf allen Ebenen sind in diese Strukturen verwoben, Korruption ist weit verbreitet. Effektive Korruptionsbekämpfung durch die neue Präsidentin wäre daher nicht zwingend im Interesse aller Mitglieder der politischen Elite des Landes. ↩︎
  21. Hawkins, Ari 2025: Trump extends Mexico tariff deadline for 90 days, Politico, 31.07.2025, in: https://ogy.de/rkl9 [30.09.2025]. ↩︎
  22. Sheridan, Mary Beth / Miller, Leila 2025: How Mexico’s president became the world’s leading Trump whisperer, The Washington Post, 09.03.2025, in: https://ogy.de/44l9 [30.09.2025]. ↩︎
  23. AP 2025, N. 18. ↩︎
  24. Kruzel, John 2025: Supreme Court spares US gun companies from Mexico’s lawsuit, Reuters, 05.06.2025, in: https://ogy.de/xtph [30.09.2025]. ↩︎
  25. In diesem Zusammenhang folgende Hörempfehlung: Deutschlandfunk Kultur 2025: Krieg in Mexiko (1/4) – Der Weg der Waffen, ARD, 05.05.2025, in: https://ogy.de/8t5c [30.09.2025]. ↩︎
  26. Blomeier, Hans-Hartwig / Rank, Hartmut / Campos, Juan Pablo 2025: Richterwahl in Mexiko. Zwischen Demokratieversprechen und Machtkonzentration, Länderberichte, Konrad-Adenauer-Stiftung, 03.06.2025, in: https://ogy.de/0i2c [28.10.2025]. ↩︎

Asset-Herausgeber

Kontakt

Dr. Sören Soika

Dr
Chefredakteur Auslandsinformationen (Ai)
soeren.soika@kas.de +49 30 26996 3388
Kontakt Magdalena Falkner
Magda Falkner_Portrait
Multimedia-Redakteurin
magdalena.falkner@kas.de +49 30 26996-3585

comment-portlet

Asset-Herausgeber