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Auslandsinformationen

Auswirkungen der US-Politik auf die globale Gesundheit

Wenn alle Befürchtungen übertrumpft werden

Die globale Gesundheitsarchitektur durchläuft einen fundamentalen Umbruch, der über Stabilität und Sicherheit entscheidet. Mit dem Rückzug der USA aus zentralen Institutionen geraten jahrzehntelange Fortschritte ins Wanken, und andere Staaten müssen nach vorn treten. Welche Zukunft hat die weltweite Gesundheitspolitik, wenn gewohnte Sicherheiten verschwinden? Könnte gerade jetzt ein Neustart der internationalen Gesundheitsarchitektur gelingen?

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Auf einen Blick
  • Die zweite Amtszeit von Präsident Trump hat die globale Gesundheitsarchitektur tiefgreifend verändert. Mit der Auflösung von USAID und dem Austritt der USA aus der WHO entfielen zentrale Finanzierungsquellen für Programme gegen Malaria, Polio, HIV / AIDS und andere Krankheiten. Organisationen wie die WHO, UNAIDS und der Globale Fonds kämpfen seither mit massiven Haushaltslücken.
  • In den vergangenen Jahrzehnten waren im Bereich Global Health enorme Fortschritte zu verzeichnen. Dennoch bestehen in vielen Ländern weiter nationale Governance-Defizite und viele lokale Eliten sind sich nach wie vor der Bedeutung funktionierender Gesundheitssysteme auch für den Wirtschaftsstandort nicht ausreichend bewusst. So droht der plötzliche Wegfall amerikanischer Hilfe, vergangene Erfolge zunichte zu machen.
  • Deutschland und andere europäische Staaten versuchen, die Lücke zu schließen, stoßen jedoch an finanzielle Grenzen. China nutzt die Situation zur Ausweitung seiner Gesundheitsdiplomatie, ohne das US-Hilfevolumen vollständig zu ersetzen.
  • Die internationale Gemeinschaft muss die globale Gesundheitsarchitektur und ihre Finanzierungsinstrumente neu denken. Globale Gesundheit bleibt ein Gebot humanitärer Verantwortung und ein zentraler Pfeiler internationaler Stabilität.
 

Für die meisten UN-Organisationen, -Fonds und -Programme waren die USA bislang der größte Beitragszahler, sowohl bei den Pflichtbeiträgen als auch bei den freiwilligen Beiträgen. Bis 2025 wurden 22 Prozent des UN-Budgets durch Pflichtbeiträge der USA finanziert. Unter Berücksichtigung der freiwilligen Beiträge belief sich dieser Anteil im Jahr 2023 (letztes Jahr mit verlässlichen Zahlen) auf 27,9 Prozent.1 Obwohl sich die Führung der UN auf die schlimmsten Szenarien vorbereitet hatte und Organisationen wie der Bevölkerungsfonds UNFPA oder das Palästina-Flüchtlingshilfswerk (UNRWA) sich der bevorstehenden Kürzung der Mittel durch die Trump-Regierung voll bewusst waren,2 rechnete niemand mit der vollständigen Abschaffung der nationalen Entwicklungsorganisation USAID, dem Einfrieren der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit und der Streichung der vom Kongress genehmigten Budgets.

83 Prozent der USAID-Programme und 5.200 USAID-Verträge wurden in den ersten sechs Wochen der zweiten Trump-Präsidentschaft aufgelöst. Trotz der verzweifelten Versuche, vor US-Gerichten die Ausradierung der internationalen Zusammenarbeit und ihrer Institutionen zu stoppen, wurde schnell deutlich, dass die Errungenschaften von USAID der vergangenen Jahrzehnte in kürzester Zeit zunichte gemacht würden.3

Noch im Haushaltsjahr 2023 war Gesundheit der zweitgrößte Bereich der US-Auslandshilfe (22,3 Prozent), während 27 Prozent in die wirtschaftliche Entwicklung flossen.4 Laut einer aktuellen Lancet-Studie haben die von USAID über zwei Jahrzehnte unterstützten Initiativen dazu beigetragen, mehr als 91 Millionen Todesfälle in allen Altersgruppen zu verhindern, darunter 30 Millionen Kinder. USAID-Finanzierung trug zu einem Rückgang der Sterblichkeit durch HIV/AIDS um 65 Prozent, durch Malaria um 51 Prozent und durch vernachlässigte Tropenkrankheiten um 50 Prozent bei.5

Mit dem Wegfall der US-Unterstützung prognostizierte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Ghebreyesus, im März 2025 15 Millionen zusätzliche Malariafälle und 107.000 zusätzliche Todesfälle. Fortschritte der vergangenen 15 Jahre bei der Ausrottung der Malaria werden damit zunichte gemacht.6

 

Rückzug aus der WHO und weniger Geld für globale Gesundheitsinitiativen

Während der COVID-19-Pandemie in der ersten Amtszeit von Präsident Trump war die WHO bereits zur Zielscheibe seiner Kritik geworden und der Präsident leitete einen Austritt seines Landes ein. Während seiner zweiten Amtszeit traten die USA am 20. Januar 2025 mit sofortiger Wirkung erneut aus der WHO aus, obwohl eigentlich eine einjährige Frist vorgesehen ist. Die Regierung fror alle US-Finanzierungen ein, zog die Annahme der 2024 auf der Weltgesundheitsversammlung (WHA) verabschiedeten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) zurück und blieb den weiteren Verhandlungen zum Pandemieabkommen fern.7

Nach den neuesten verfügbaren Daten (2023) war die US-Regierung mit einem Anteil von 25,18 Prozent an den Pflicht- und freiwilligen Beiträgen zum Gesamtbudget der größte Geldgeber der WHO.8 Der Finanzierungsverlust ist jedoch nur ein Aspekt des Austritts. Auch der versperrte Zugang zu Fachwissen, Daten und Technologie verschärft die Situation für die WHO. Besonders stark betroffen ist die weltweite Kampagne zur Ausrottung der Kinderlähmung. Mit der Entscheidung zum Austritt aus der WHO endete auch das Engagement der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in der Global Polio Eradication Initiative.9 Der Zugang zum Speziallabor für Polioviren der CDC, einer zentralen Anlaufstelle für Polioviren-Tests, Genomsequenzierung und die Erkennung von Polio-Ausbrüchen, wurde gesperrt. Das von den CDC finanzierte Personal in Ländern, in denen Polio endemisch ist, wie Afghanistan und Pakistan, musste abgezogen werden. Ebenso musste die Überwachungs- und Community-Engagement-Arbeit in von Polio betroffenen Ländern aufgrund der gestrichenen USAID-Finanzierung zurückgefahren werden.10

Die Masernfälle in Europa, den USA und in Kanada nehmen zu.

Dies geschieht zu einer Zeit, in der neue Polioausbrüche aus Französisch-Guyana, Guinea, Indonesien, Somalia, Sudan, Jemen und dem Gazastreifen gemeldet und Impfkampagnen in Konfliktländern schwieriger werden.11

Die Einstellung der US-Finanzierung für das Global Measles and Rubella Laboratory Network zur Masern- und Rötelnbekämpfung gefährdet den Bestand des Netzwerks, da es zu 100 Prozent durch die CDC finanziert wurde. Gleichzeitig nehmen Masernausbrüche in Europa, Kanada und den USA zu.12 Laut einem WHO-Bericht vom November 2024 13 stieg die Zahl der Masernfälle im Jahr 2023 um 20 Prozent. Insbesondere wenn die Impfquoten unter 95 Prozent fallen, treten Ausbrüche häufiger auf und sind schwieriger zu kontrollieren. Eine frühzeitige Erkennung ist entscheidend, scheitert jedoch ohne ausreichende Laborkapazitäten.14

Um das Netzwerk von mehr als 700 Laboren in 164 Ländern zu retten, versucht die WHO-Stiftung15 derzeit, 3,6 Millionen US-Dollar aufzubringen, wobei die philanthropische Elma Vaccines and Immunization Foundation bereits 2 Millionen US-Dollar beisteuert. Das reicht aber bei Weitem nicht aus, da insgesamt 9 Millionen US-Dollar benötigt würden und es offensichtlich ist, dass philanthropische Organisationen die durch den Rückzug der USA aus globalen Gesundheitsinitiativen verschärfte Finanzierungslücke nicht schließen können.16

 

Auswirkungen auf die globale Gesundheitsarchitektur

WHO

Während der 78. WHA im Mai 2025 haben die WHO-Mitgliedstaaten nicht nur gemeinsam und ohne die USA das Pandemieabkommen verabschiedet, sondern auch einer zusätzlichen Erhöhung der WHO-Beiträge um 20 Prozent zugestimmt. In der Vergangenheit waren diese Pflichtbeiträge zum Haushalt der WHO erstaunlich niedrig, nur 16 Prozent des WHO-Budgets wurden aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedstaaten finanziert. Mehrheitlich stützte sich der Haushalt der WHO auf freiwillige und oft zweckgebundene Beiträge. Dank der Führungsrolle Deutschlands in diesem Prozess einigten sich die Mitgliedstaaten 2022 darauf, die Pflichtbeiträge bis 2030 schrittweise auf 50 Prozent anzuheben und damit der WHO mehr Planungssicherheit und Flexibilität zu ermöglichen.17

Um sich jedoch an die neuen Realitäten nach dem Wegfall der US-Finanzierung anzupassen, musste die WHO ihre Haushaltsplanung für den Zweijahreszeitraum 2026/2027 mehrfach reduzieren und von 5,3 auf 4,2 Milliarden US-Dollar kürzen. Aber selbst damit bleibt für 2026 eine Finanzierungslücke von 1,7 Milliarden US-Dollar bestehen.18

WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus nutzte die Gelegenheit der WHA im Mai 2025 und leitete, noch bevor UN-Generalsekretär António Guterres die Direktoren der UN-Organisationen in Kopenhagen zu einer Krisensitzung einberief, eine Strukturreform der WHO ein, die sich mit dem hohen Personalanteil am Schweizer Hauptsitz befasste (2.938 WHO-Mitarbeiter in Genf gegenüber 9.452 weltweit). Als Signal an die Geber begann der Personalabbau an der Spitze, wodurch das Führungsteam des Generaldirektors von zwölf auf fünf stellvertretende Generaldirektoren und die Zahl der Direktoren von zuvor 65 auf 35 reduziert wurden. Weitere 600 Stellen sollen gestrichen werden, zusätzlich zu den 409 Mitarbeitern, die die WHO seit Anfang 2025 verlassen haben. Leistungsorientierte Personalentscheidungen wurden allerdings schnell von einigen als Vergeltungsmaßnahmen und Abrechnungen diffamiert, was den Prozess zusätzlich erschwert.19 Zusätzlich zum Personalabbau beginnt die WHO, wie andere UN-Organisationen, eine Verlagerung an kostengünstigere Dienstorte wie Lyon (WHO-Akademie für Gesundheitspersonal), Berlin (WHO Global Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence), Dubai (WHO-Logistikzentrum) und Indien (WHO Global Traditional Medicine Centre). Für den Generaldirektor der Organisation sind die notwendigen strukturellen Anpassungen auch ein Versuch, die WHO wieder auf ihr Kernmandat zu konzentrieren: Gesundheit für alle.

Mit der Streichung der Entwicklungshilfe verlor UNAIDS fast 80 Prozent der Mittel für projektbezogene Ausgaben.
 

UNAIDS und PEPFAR

Bis 2024 waren HIV/AIDS-Infektionen sowie die damit verbundenen Todesfälle rückläufig. Nach dem Höhepunkt von etwa 3,3 Millionen Neuinfektionen pro Jahr zwischen 1995 und 1997 wurden bis 2024 nur noch 1,3 Millionen gemeldet, was einem Rückgang von 60,61 Prozent über fast drei Jahrzehnte entspricht. Auch die Sterblichkeit ging in etwa zwanzig Jahren um 71,36 Prozent zurück, von 2,2 Millionen im Zeitraum 2004 bis 2005 auf 630.000 im Jahr 2024. Sensibilisierungsprogramme und Öffentlichkeitsarbeit, Programme zur Bekämpfung von Stigmatisierung und vor allem die Entwicklung lebensrettender Therapien und Präventivmedikamente sind die Elemente dieses Erfolgs. UNAIDS war besonders von US-Finanzmitteln abhängig. Mit 111,8 Millionen US-Dollar im Jahr 2024 finanzierten die USA 50 Prozent des UNAIDS-Budgets.20 Mit der Streichung der Entwicklungshilfe verlor UNAIDS fast 80 Prozent seiner Mittel für projektbezogene Ausgaben, welche für die Öffentlichkeitsarbeit, die Überwachung der Infektionsraten und den Stigma-Index verwendet wurden. UNAIDS hat zudem nicht nur mit dem Verlust der eigenen Finanzierung zu kämpfen, sondern auch mit der Ungewissheit über die neuen operativen Rahmenbedingungen von PEPFAR – einer weiteren zentralen Säule im Kampf gegen HIV/AIDS.21

Einem Globalen Fonds ohne US-Mittel droht eine Milliardenlücke.

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hatten die Vereinigten Staaten durch PEPFAR, den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria und durch ihre Unterstützung von UNAIDS eine unangefochtene Führungsrolle in der weltweiten AIDS-Bekämpfung. Schätzungen zufolge hat PEPFAR mehr als 26 Millionen Menschen gerettet und fast fünf Millionen neue HIV-Infektionen in 55 Ländern verhindert.22

Als die PEPFAR-Gelder über Nacht eingefroren wurden, führte dies zum Verlust von Arbeitsplätzen für Gesundheitspersonal und zur Schließung von Gesundheitseinrichtungen, zu Unterbrechungen bei Behandlungen sowie zu Einschränkungen bei Test- und Präventionsdienstleistungen. Derzeit schätzt UNAIDS, dass eine dauerhafte Einstellung der von PEPFAR unterstützten HIV-Programme zwischen 2025 und 2029 zu 6,6 Millionen zusätzlichen HIV-Neuinfektionen und 4,2 Millionen zusätzlichen AIDS-bedingten Todesfällen führen würde.23

Nach Monaten der Ungewissheit, ob PEPFAR überhaupt fortgesetzt werden würde und auf welcher Ebene, wurde es plötzlich als Flaggschiff der neuen globalen Gesundheitsstrategie „America First“ gepriesen, die im September 2025 ins Leben gerufen wurde. Die vollständige Umleitung der PEPFAR-Unterstützung von NGOs zu Regierungen und die Streichung von technischen Unterstützungs- und Überwachungsprogrammen lassen jedoch viele Fragen offen. Zweifellos wird PEPFAR jedoch im Sinne von „America First“ als Druckmittel gegenüber den Empfängern eingesetzt werden.
 

Gavi und der Globale Fonds

Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Malaria, HIV/AIDS und Tuberkulose, der 2024 von PEPFAR 1,65 Milliarden US-Dollar für seine HIV/AIDS-Programme und insgesamt etwa ein Drittel der Mittel für seine Aktivitäten aus den USA erhielt, musste sich ebenfalls an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Im aktuellen Finanzierungszyklus 2024 bis 2026 musste er bereits verplante Mittel um 1,43 Milliarden US-Dollar (elf Prozent des Budgets) kürzen.

Damit weist der aktuelle siebte Finanzierungszyklus des Globalen Fonds eine Finanzierungslücke von 2,3 Milliarden US-Dollar auf und es scheint, dass die Beiträge privater und philanthropischer Stiftungen diese Lücke nicht schließen können. Die überwiegende Mehrheit der mehr als 100 Länder, in denen der Globale Fonds tätig ist, wird Kürzungen der Mittel um zehn Prozent hinnehmen müssen. Länder wie Südafrika, in denen ausreichende nationale Ressourcen mobilisiert werden könnten, müssen mit einer Kürzung der Mittelzuweisungen aus dem Globalen Fonds um 16 Prozent rechnen.24 Der 8. Wiederauffüllungsgipfel des Globalen Fonds, der strategisch am Rande des G20-Gipfels in Südafrika am 21. November stattfand, brachte jedoch eine positive Überraschung seitens der USA. Obwohl dies im dem Kongress vorgelegten Haushaltsentwurf nicht einmal erwähnt wurde, sagten die USA 4,6 Milliarden US-Dollar zu und behielten ihre Zusagequote bei, wonach der Globale Fonds für jeden gespendeten US-Dollar zwei weitere US-Dollar von anderen Gebern einwerben muss.

Seit der Gründung des Globalen Fonds im Jahr 2002 ist die Zahl der durch Malaria verursachten Todesfälle um 29 Prozent zurückgegangen, obwohl die Bevölkerung in den vom Fonds unterstützten Ländern um 43 Prozent gewachsen ist. Es ist jedoch zu erwarten, dass Klimawandel, Konflikte, Resistenzen gegen Insektizide und nun fehlende Finanzierung diesen fragilen Fortschritt in einigen der am stärksten betroffenen Gebiete gefährden werden.25

Auch die Impfallianz Gavi versucht, Mittel für ihren aktuellen Wiederauffüllungszyklus und ihr Spendenziel von 11,9 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren. Angesichts des Gegenwinds aus Washington hatte Gavi sogar ihren für März geplanten Global High Level Summit auf Ende Juni 2025 verschoben. Es war sicherlich keine Überraschung, dass die USA ihre Unterstützung zurückzogen und der vorab aufgezeichnete Redebeitrag des US-Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr. zu einer harten Zurechtweisung von Gavi wurde, in der er die Sicherheit von Impfstoffen infrage stellte und verlautbarte, die USA würden sich erst dann wieder an Gavi beteiligen, wenn die Impfallianz „das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewonnen“26 habe.

Die internationale Staatengemeinschaft zeigte jedoch eine außergewöhnliche Solidarität mit Gavi und sagte mehr als 9 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung des nächsten fünfjährigen Strategieplans (2026 bis 2030) zu. Die Gates Foundation steuerte zusätzlich 1,6 Milliarden US-Dollar bei und Indonesien, ein ehemaliger Empfänger von Gavi-Unterstützung, leistete einen Beitrag von 13 Millionen US-Dollar.

Trotzdem bleiben die Herausforderungen auch für Gavi bestehen. Das Erreichen des Impfziels für 2030, eine Durchimpfungsrate von 90 Prozent für Diphtherie-Tetanus-Pertussis, Masern und Pneumokokken, wird immer schwieriger. Bislang haben nur 18 von 204 Ländern diese Quote geschafft. Um die Impfziele zu erreichen, braucht es das Engagement der Gemeinschaft und maßgeschneiderte, kulturell angemessene Strategien zur Verbesserung des Vertrauens in Impfstoffe. All dies sind Bereiche, in denen die Mittel aufgrund von Kürzungen der allgemeinen Entwicklungshilfe knapp werden.

Investitionen in die globale Gesundheit haben der US-Wirtschaft Vorteile gebracht.
 

Verlust der US-Spitzenposition in der globalen Gesundheitsforschung und -entwicklung

Jahrzehntelang investierte die US-Regierung in biomedizinische Innovationen zur Entwicklung neuer Impfstoffe, innovativer Behandlungsmethoden und bahnbrechender Gesundheitstechnologien. Diese haben Millionen Menschen in den USA und auf der ganzen Welt das Leben gerettet und verbessert. So wurden seit 1999 67 neue Gesundheitstechnologien für vernachlässigte und neu auftretende Krankheiten zugelassen, darunter zwölf neue Produkte für Ebola, elf für Malaria und zwölf für Tuberkulose, bei der eine alarmierende Ausbreitung resistenter Stämme zu beobachten ist. Jenseits der positiven Wirkungen auf die Gesundheit haben diese Investitionen der US-Wirtschaft erhebliche Vorteile gebracht. Zwischen 2007 und 2022 wurden mindestens 86 Prozent aller Mittel, die die US-Regierung für globale Gesundheitsforschung und -entwicklung bereitgestellt hat, in US-amerikanische Unternehmen und Institutionen reinvestiert. Diese Investitionen haben schätzungsweise 600.000 neue Arbeitsplätze in den USA geschaffen, direkte wirtschaftliche Aktivitäten in Höhe von 104 Milliarden US-Dollar angeregt und wissenschaftliche Erkenntnisse hervorgebracht, die weitere Innovationen inspirierten.27

Die Axt der neu geschaffenen Regierungseffizienzbehörde DOGE und der Ansatz „Make America Healthy Again (MAHA)“ brachten nicht nur für die CDC, sondern auch für die National Institutes of Health (NIH) und die Food and Drug Administration (FDA) drastische Veränderungen mit sich. Laufende Forschungsprojekte wurden aus der staatlichen Finanzierung gestrichen, der Zugang zu bislang öffentlichen Daten wurde blockiert und Tausende von Arbeitsverträgen wurden gekündigt, darunter auch Führungspositionen der CDC. Bislang haben die CDC etwa ein Viertel ihrer Mitarbeiter verloren, etwa 3.000. Die FDA musste rund 3.500 Stellen abbauen und die NIH verloren 1.200 Stellen.28

Aber damit nicht genug: Die USA, einst ein führender Akteur im Bereich der globalen Gesundheit, haben nicht nur eine große Lücke hinterlassen, sondern sind auch zu einer Quelle von Fehlinformationen geworden. Obwohl das Land eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen über die aktualisierten IGV gespielt hatte, die 2024 von der WHA verabschiedet wurden, behaupteten sowohl US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. als auch US-Außenminister Marco Rubio fälschlicherweise, dass die IGV-Änderungen „die Befugnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bezug auf internationale Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit erheblich ausweiten [… und] einen unangemessenen Einfluss auf unsere nationalen Gesundheitsmaßnahmen haben“ würden.29 Weder die IGV noch das neu ausgehandelte Pandemieabkommen, das die USA nicht unterzeichnen werden, beeinträchtigen die souveränen Entscheidungsprozesse eines Landes bei der Bekämpfung von Epidemien oder Pandemien.

 

Wie lässt sich die Finanzierungslücke schließen?

Im Bereich der globalen Gesundheit droht der internationalen Gemeinschaft der Abbau von drei Jahrzehnten beispiellosen Fortschritts. Der drastische Rückgang der US-Auslandshilfe fällt mit allgemeinen Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit anderer Geber zusammen. Traditionelle Geber wie das Vereinigte Königreich haben ihr Budget für Auslandshilfe 2025 um 40 Prozent gekürzt.30

Mit dem Rückzug der USA hat Deutschland eine neue Führungsrolle im Bereich der globalen Gesundheit übernommen.

Als die USA ihren Austritt aus der WHO proklamierten, kündigte China einen zusätzlichen WHO-Finanzierungsbeitrag von 500 Millionen US-Dollar an und stimmte einer Erhöhung der Beitragszahlungen um 20 Prozent zu. Damit wird Chinas Beitragszahlung an die WHO das bisherige Niveau der USA erreichen.31 Allerdings hat China generell wenig Interesse daran, die US-Auslandshilfe zu ersetzen. Die chinesische Auslandshilfe belief sich 2024 auf 3,46 Milliarden US-Dollar32 und lag damit nicht einmal in der Nähe der 63,3 Milliarden US-Dollar der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) der USA.33 Außerdem werden 85 Prozent der chinesischen Entwicklungsfinanzierung als Schulden (marktübliche Kredite und Exportkredite) und nicht als Hilfe vergeben.34 Trotz der zunehmenden Kritik im eigenen Land, dass Gelder im Ausland und nicht national ausgegeben werden, könnte China dennoch auf die bereits etablierte „Gesundheits-Seidenstraße“ und seine Kanäle der Gesundheitsdiplomatie setzen.35 Auf jeden Fall wird die chinesische Regierung die Gelegenheit nutzen, sich als der moralisch überlegene und zuverlässigere Partner für Entwicklungsländer zu präsentieren.

Auf dem afrikanischen Kontinent sind vermehrt Stimmen zu hören, die in der Krise eine Chance für eine Reform der globalen Gesundheitsarchitektur und darüber hinaus sehen. Vom ghanaischen Präsidenten Mahama wurde während der UN-Generalversammlung im September 2025 die Accra Reset Initiative lanciert, welche neben einem Gremium der Staats- und Regierungschefs aus Afrika, Asien und Lateinamerika auch ein hochrangiges Beratergremium bestehend aus Gesundheits- und Finanzexperten sowie Vertretern des Privatsektors vorsieht. Die bisherigen Beziehungen zwischen Geber- und Empfängerstaaten sollen durch diese Initiative neu definiert und von beiderseitigen Rechenschaftspflichten und Verantwortlichkeiten geprägt werden (mutual accountability).

Der Leiter der Africa CDC, Jean Kaseya, ging während der Herbsttagung von IWF und Weltbank sogar noch weiter und stellte mit dem Argument, dass 60 Prozent der bisherigen Unterstützung von Gesundheitssystemen in Entwicklungsländern aufgrund fehlender Governance-Strukturen und Koordination ohne Wirkung blieben, den gesamten entwicklungspolitischen Ansatz infrage. Der sich daraus ergebenden Frage, welche Verantwortung dabei Regierungseliten in den Empfängerländern tragen, blieb er in seiner Argumentation allerdings eine Antwort schuldig.

Trotz aller Reforminitiativen blicken sowohl traditionelle Geber im Bereich der globalen Gesundheit als auch Entwicklungsländer vor allem auf Deutschland. Das Land ist seit Langem nicht nur im Bereich der öffentlichen Gesundheit weltweit führend, sondern prägt auch die internationale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich in Foren wie der G7 und der G20. Zudem hat sich Deutschland zu einer Drehscheibe für globale Gesundheitsinitiativen entwickelt.36 Mit dem Rückzug der USA hat Berlin eine neue Führungsrolle im Bereich der globalen Gesundheit übernommen. Obwohl Deutschlands Engagement in wichtigen Organisationen des globalen Gesundheitsökosystems (beispielsweise Gavi, Global Fund, Pandemic Fund) unübertroffen ist, kann dies nicht für sich alleinstehen. Es muss mit bilateraler Entwicklungshilfe einhergehen, die die Defizite in den nationalen Gesundheitssektoren wie auch die sozioökonomischen und ökologischen Einflussfaktoren von Gesundheit adressiert.

Die sukzessive Einstellung bilateraler Gesundheitsprojekte in einer Zeit, in der die Partnerländer mit den finanziellen Zwängen einer Mehrfachkrise konfrontiert sind, ist falsch. Multilaterale Initiativen erfordern solide nationale Gesundheitsinstitutionen und Umsetzungskapazitäten staatlicher und nichtstaatlicher Akteure bis hinunter auf die lokale Ebene. Die nationalen Regierungen in den Entwicklungsländern müssen erkennen, dass Gesundheit nicht nur ein soziales Gut ist, sondern auch ein Schlüsselelement für Produktivität und Wirtschaftswachstum. Geberländer sollten globale Gesundheit nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Solidarität und Entwicklungshilfe betrachten, sondern als eine Frage des gegenseitigen Interesses und der globalen Interdependenz. In Zeiten des Klimawandels, vernetzter Volkswirtschaften und erhöhter Mobilität der Menschen können Krankheiten wie Cholera, Ebola und Mpox leicht Grenzen überschreiten, während tropische Krankheiten wie Malaria und Chikungunya aufgrund sich verändernder Wetterbedingungen auch in der nördlichen Hemisphäre immer häufiger auftreten.

Das Engagement für die globale Gesundheit ist ebenso eine Frage der menschlichen wie der wirtschaftlichen Sicherheit. Nichts hat dies so dramatisch gezeigt wie die COVID-19-Pandemie.

 

 

Andrea Ellen Ostheimer ist Leiterin des Multilateralen Dialogs Genf der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

 
  1. United Nations System Chief Executive Board for Coordination (UNSCEB) 2025: Revenue by Government donor, in: https://ogy.de/nuvd [30.09.2025]. ↩︎
  2. Ostheimer, Andrea Ellen 2025: Was eine zweite Trump-Administration für den Multilateralismus per se und insbesondere das internationale Genf bedeuten könnte, Länderberichte, Konrad-Adenauer-Stiftung, 13.01.2025, S. 6., in: https://ogy.de/wc4u [30.09.2025]. ↩︎
  3. Kates, Jennifer / Rouw, Anna / Oum, Stephanie 2025: U.S. Foreign Aid Freeze & Dissolution of USAID: Timeline of Events, Kaiser Family Foundation, 24.10.2025, in: https://ogy.de/s81d [28.10.2025]. ↩︎
  4. DeSilver, Drew 2025: What the data says about U.S. foreign aid, Pew Research Center, 06.02.2025, in: https://ogy.de/b4fv [30.09.2025]. ↩︎
  5. Cavalcanti, Daniella Medeiros et al. 2025: Evaluating the impact of two decades of USAID interventions and projecting the effects of defunding on mortality up to 2030: a retrospective impact evaluation and forecasting analysis, The Lancet 406: 10500, 19.07.2025, S. 283–294, in: https://ogy.de/ccpn [28.10.2025]. ↩︎
  6. Lei Ravelo, Jenny 2025: With US funding loss, WHO forced to make ‚terrible‘ programmatic choices, Devex, 18.03.2025, in: https://ogy.de/8orx [30.09.2025]. ↩︎
  7. The White House 2025: Withdrawing the United States from the World Health Organization, 20.01.2025, in: https://ogy.de/or9d [30.09.2025]. ↩︎
  8. UNSCEB 2025, N. 1. ↩︎
  9. Die in den 1980er-Jahren gegründete Globale Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung (GPEI) agiert als Kooperation zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), UNICEF, Rotary International, der Impfallianz Gavi, der Gates Foundation und der U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). ↩︎
  10. Lei Ravelo, Jenny 2025: US decision to cut ties with WHO hurting polio eradication efforts, Devex, 10.02.2025, in: https://ogy.de/di65 [30.09.2025]. ↩︎
  11. International Health Regulations Emergency Committee 2025: Statement of the Forty-second meeting of the Polio IHR Emergency Committee, WHO, 28.07.2025, in: https://ogy.de/ojsk [30.09.2025]. ↩︎
  12. Emanuel, Gabrielle 2025: The Global Measles Laboratory is ‚under severe threat of collapse‘ as U.S. pulls funding, National Public Radio, 20.03.2025, in: https://ogy.de/ehs3 [30.09.2025]. ↩︎
  13. WHO 2024: Measles cases surge worldwide, infecting 10.3 million people in 2023, 14.11.2024, in: https://ogy.de/dp6d [30.09.2025]. ↩︎
  14. Ebd. ↩︎
  15. Die WHO-Stiftung wurde 2020 ins Leben gerufen, um es vor allem dem Privatsektor einfacher zu machen, die Arbeit der WHO, welche auf ihre Integrität und Unabhängigkeit achten muss, zu unterstützen. ↩︎
  16. Branswell, Helen 2025: Philanthropies rush to save measles surveillance network pushed to brink of collapse by U.S. cuts, STAT News, 09.06.2025, in: https://ogy.de/rhdt [30.09.2025]. ↩︎
  17. WHO 2025: In historic move, WHO Member States approve 20% funding increase and 2026–27 budget, 20.05.2025, in: https://ogy.de/h62l [30.09.2025]. ↩︎
  18. Clancy, Dawn 2025: Der WHO fehlen Milliarden – hilft Finanzierung durch Private?, SWI swissinfo.ch, 29.07.2025, in: https://ogy.de/2nwp [28.10.2025]. ↩︎
  19. Fletcher, Elaine Ruth 2025: WHO Junior Staff at Risk as Pressure Mounts to Protect Top Jobs In Budget Cuts, Health Policy Watch, 26.08.2025, in: https://ogy.de/d9ny [30.09.2025]. ↩︎
  20. UNAIDS Programme Coordinating Board 2025: 2024 Financial report and audited financial statements, UNAIDS/PCB (56)/25.11, 27.05.2025, in: https://ogy.de/d7ha [30.09.2025]. ↩︎
  21. PEPFAR ist der US-Notfallplan zur Bekämpfung von HIV/AIDS, der 2003 von US-Präsident George W. Bush ins Leben gerufen wurde. ↩︎
  22. PEPFAR / U.S. Department of State 2024: Latest Global Results & Projections Factsheet, 01.12.2024, in: https://ogy.de/sytd [30.09.2025]. ↩︎
  23. UNAIDS 2025: About the impact of US funding cuts on the global HIV response, in: https://ogy.de/eadt [30.09.2025]. ↩︎
  24. Green, Andrew 2025: Global Fund plans to cut $1.4 billion from grants it has already awarded, European AIDS Treatment Group, 10.07.2025, in: https://ogy.de/j4t8 [30.09.2025]. ↩︎
  25. Jefford, Kasmira 2025: Global Fund boss warns aid cuts jeopardise progress against malaria, Geneva Solutions, 10.09.2025, in: https://ogy.de/xrlk [30.09.2025]. ↩︎
  26. Cullinan, Kerry / Fletcher, Elaine Ruth 2025: GAVI Vaccine Alliance Secures More than $9 Billion from Donors – Despite US Ambush at Pledging Event, Health Policy Watch, 25.06.2025, in: https://ogy.de/o7on [30.09.2025]. ↩︎
  27. Global Health Technologies Coalition (GHTC) / Policy Cures Research 2024: New Report Finds Public Spending on Global Health Innovation Delivers Blockbuster Returns, Saving Lives While Generating Billions of Dollars in Benefits Globally and Domestically, 14.03.2024, in: https://ogy.de/3h70 [30.09.2025]. ↩︎
  28. Lovelace, Berkeley et al. 2025: Widespread job cuts begin at health agencies, NBC News, 01.04.2025, in: https://ogy.de/bbra [30.09.2025]. ↩︎
  29. U.S. Department of Health and Human Services 2025: Joint Statement by Secretary of Health and Human Services Robert F. Kennedy, Jr. and Secretary of State Marco Rubio on International Health Regulations Amendments, 18.07.2025, in: https://ogy.de/h8ik [30.09.2025]. ↩︎
  30. Landale, James / Graham, Chris 2025: Africa to be hit hard as UK foreign aid cuts revealed, BBC, 23.07.2025, in: https://ogy.de/k9qu [30.09.2025]. ↩︎
  31. Fletcher, Elaine Ruth 2025: China’s 2026 WHO Fee Could Match US Levels Today – But Beijing Resists Planned Increase, Health Policy Watch, 10.02.2025, in: https://ogy.de/zyjz [30.09.2025]. ↩︎
  32. China Africa Reseach Initative 2025: Data: Chinese Global Foreign Aid, 2003–2024, in: https://ogy.de/74ay [30.09.2025]. ↩︎
  33. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2025: International aid falls in 2024 for first time in six years, says OECD, 16.04.2025, in: https://ogy.de/6uq0 [30.09.2025]. ↩︎
  34. Custer, Samantha / Burgess, Bryan / Sritharan, Narayani 2024: Into the Breach: Will China Step Up as the U.S. Retreats on Global Development?, Policy Brief, 03/2025, S. 5, in: https://ogy.de/ck2l [30.09.2025]. ↩︎
  35. Ebd., S. 21 f. ↩︎
  36. Lingenthal, Lukas 2025: Plötzlich in Führung – Deutschlands neue Rolle in der Globalen Gesundheit, in: Analysen & Argumente 554, Konrad-Adenauer-Stiftung, 31.07.2025, in: https://ogy.de/9g1f [30.09.2025]. ↩︎

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