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Eine chinesische Positionierung

Die Beiträge dieser Unterrubrik haben teils rein dokumentarischen Charakter.

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Die Kommentare zum Aufstieg Chinas sind laut und haben weltweit für Besorgnis oder gar Furcht vor einer chinesischen Dominanz oder Hegemonie gesorgt, insbesondere in der westlichen Welt. China selbst aber sieht sich in dieser Zeit lediglich als neue „Wirtschaftsmacht“. Drei Bedrohungsfaktoren für den Westen sind dabei von Beginn an auszuschließen: Es ist zuerst nicht selbstverständlich, dass Chinas Aufstieg, mit einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen, relativ friedlich und stabil abläuft, ohne den Rest der Welt zu belasten. Dabei ist es ferner auch nicht möglich, dass China das Entwicklungsmodell anderer Staaten in der Welt kopiert. Die USA mit ihrem Anteil von fünf Prozent an der Weltbevölkerung verzeichnen zum Beispiel 25 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Würden alle Chinesen den amerikanischen Lebensstil pflegen, dürfte ein globaler wirtschaftlicher Zusammenbruch die notwendige Konsequenz sein. Es ist nicht Chinas Absicht, das vorhandene weltpolitische Gefüge aus den Angeln zu heben. Stattdessen wird China an der Regulierung und Vervollkommnung des globalen Systems der Staaten und Institutionen weiterhin konstruktiv mitarbeiten.[1]

In der Gegenwart spiegelt sich auch die Geschichte Chinas wider. So stellte die chinesische Ökonomie in den vergangenen zwei Jahrtausenden lange Zeit die weltweit größte Volkswirtschaft dar, wobei China durch das Tribut-System in der Region wie eine Hegemonialmacht agierte, aber nicht zu einer weltweiten kolonialistischen Expansionspolitik übergegangen ist. China entspricht damit nicht zuletzt der eigenen traditionellen politischen Kultur. Die konfuzianischen Grundwerte, nämlich „yi ren wei ben“ („der Menschen-orientierte Wert“) und „yi he wei gui“ („die Wertschätzung des Friedens“), die auf eine über zweitausendjährige Geschichte zurückblicken können, sind bis heute bestimmend.

In der traditionellen konfuzianischen Weltanschauung Chinas basiert die Welt als ein geregeltes Ganzes auf einer Hierarchie nicht gleichberechtigter Elemente, während das westliche Prinzip der souveränen Gleichheit zwischen den Staaten, wie es durch das „Westfälische System“ nach dem Westfälischen Frieden 1648 etabliert wurde, letztlich zu einer (dann zu bändigenden) ungeregelten Anarchie der internationalen Gemeinschaft geführt hat. Wenn die beiden Weltsichten von Ost und West, nämlich ein geordnetes Ganzes einerseits und das Gleichheitsprinzip andererseits, sich gegenseitig integriert und der globalisierten Weltentwicklung des 21. Jahrhunderts angepasst haben, lässt sich eine neue Weltordnung von Weltfrieden und gleichberechtigten Kooperationen formieren. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten operativ mindestens zwei Punkte durchgesetzt werden.

Erstens müssen die internationalen beziehungsweise regionalen Konflikte durch friedliche Mittel geregelt beziehungsweise ihnen zu einer Lösung verholfen werden; denn mit Gewalt oder gar Militäreinsätzen lassen sie sich letzten Endes nicht dauerhaft und gründlich beilegen.

Zweitens müssen die globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Energiesicherheit, Wassermangel, Hunger, asymmetrische Sicherheitsbedrohungen, Finanzkrisen, die unsere Welt längst verändert haben, in gemeinsamer Verantwortung und durch allseits gleichberechtigte und ebenbürtige Zusammenarbeit anstatt durch Vorherrschaft bewältigt werden.

Es ist höchste Zeit, „neues Denken“ zu praktizieren, das das obsolete „alte Denken“, wie ideologische Konfrontationen und Ost-Westbeziehungsweise Nord-Süd-Rivalitäten, ablösen soll.


Yu-ru lian, geboren 1954 in Peking (China), Politikwissenschaftlerin, stellvertretende Leiterin des Instituts für Internationale Politik, Fakultät für Internationale Beziehungen, Peking-Universität (China).
 

[1] Die drei Argumente gegen eine mutmaßliche chinesische Bedrohung des Westens stammen aus einer Rede von Le Yucheng, Leiter des Planungsstabs des chinesischen Außenministeriums, vom 11. 06. 2011 im Rahmen eines internationalen Symposiums der Universität Peking, abgedruckt in: Huan Qiu Shi Bao (World News), 21.06.2011.

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