Zäune der Zukunft? Ausgerechnet „FUTURE“ heißt ein Fabrikat der rot-weißen „Absperrschrankengitter“, die scheinbar inflationär Straßen und Wege in Deutschland versperren. Die meisten unter uns nähmen die Absperrlabyrinthe bereitwillig in Kauf, wenn absehbar wäre, dass sie auch wieder verschwinden. Doch nicht selten setzen die Barrieren Moos an und sichern weniger die Baufortschritte denn den Stillstand ab.
Editorial

Wäre es möglich, dass es hierzulande neben der gesellschaftsdiagnostisch viel diskutierten „Veränderungserschöpfung“ verschärfend eine „Verharrungserschöpfung“ gibt? Das Mantra der Zeitenwende und andere Dringlichkeitsdeklarationen zu überfälligen Reformen haben jedenfalls bisher zu keinen entsprechenden Veränderungen geführt. Immer mehr Deutsche hadern, ob die Parteien der Mitte überhaupt noch in der Lage sind, ihre Rufe nach Taten einzulösen. Ist – in Anlehnung an ein soziologisches Wortkompositum – „Problembewältigungsverzweiflung“ verantwortlich für die Abwendung von der Mitte und die Hinwendung zu den politischen Rändern?
An offenen Baustellen mangelt es in Deutschland wahrlich nicht. Oft fragt man sich, warum sie zwar installiert, aber dann lange offengelassen werden. Auch die Politik der vergangenen Jahre ist den zentralen Defiziten und Krisen nur zögernd begegnet, hat ihren Aktionismus auf Nebenschauplätze gelenkt und ihn noch dazu moralisch überhöht. Diese Suggestion überlegener Handlungsenergien hat in Behörden und Institutionen zahlreiche Nachahmer gefunden, aber die Wähler nicht überzeugt. Andernorts kommen deshalb Kräfte an die Macht, die vorgeben, gordische Knoten mit Kettensägen zertrennen zu können.
„Why nothing works“ heißt das Buch eines amerikanischen Autors, der Trumps Wahlerfolg auf die Enttäuschung über die Leistung der vorherigen US-Regierung zurückführt. Amerika beschreibt er als ein Land, das einst Großes geleistet habe, aber heute vor einer Vielzahl drängender Probleme stehe: Wohnungsnot, Klimakrise, marode Infrastruktur et cetera – und die Amerikaner fühlten sich festgefahren, unfähig, etwas zu bewegen.
In Deutschland, der Heimstatt expandierender Absperrschrankengitter, sollten uns die Ohren klingeln. Wenn demnächst – bei Redaktionsschluss befanden sich die möglichen Koalitionspartner noch in Verhandlungen – eine neue Regierung ins Amt kommt, sollte sie sich bewusst sein, dass die Deutschen konkrete Projekte und sichtbare Verbesserungen auf den zentralen Politikfeldern erwarten. Die Probleme lassen sich nicht mehr bemänteln oder wegmoderieren.
Bernd Löhmann, Chefredakteur