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Sankt Nikolaus mal anders. Ausgerechnet der gütigste aller Heiligen soll handgreiflich geworden sein? Beim ersten Konzil der Christenheit – vor 1.700 Jahren in Nicäa – verlor der Bischof von Myra die Beherrschung. Vor den versammelten Würdenträgern der damaligen Welt verpasste er einem anderen Kleriker eine Ohrfeige.

Nikolaus von Myra ohrfeigt Arius auf dem Konzil von Nicäa. Detail einer spätmittelalterlichen griechisch-orthodoxen Ikone, Foto: © Eraza Collection / Alamy

Sankt Nikolaus mal anders. Ausgerechnet der gütigste aller Heiligen soll handgreiflich geworden sein? Beim ersten Konzil der Christenheit – vor 1.700 Jahren in Nicäa – verlor der Bischof von Myra die Beherrschung. Vor den versammelten Würdenträgern der damaligen Welt verpasste er einem anderen Kleriker eine Ohrfeige, so die Legende.

Diese Episode fügt sich nicht in das heutige Bild von „Santa“ und wirft ein Licht auf die idealisierten Vorstellungen von Frieden, wie sie insbesondere in der Weihnachtszeit gepflegt werden. So verständlich die Sehnsucht nach Frieden und Harmonie sein mag, so selten hält sie der Realität stand. Wer jemals versucht hat, zu festlichen Anlässen in familiären Kontexten Spannungen zu vermeiden, weiß um die Vergeblichkeit solcher Bemühungen.

Friede auf Erden ist kein Zustand ohne Streit. Er setzt Auseinandersetzung voraus, begrenzt sie – und bewältigt sie im besten Fall. Dieses paradoxe Zusammenspiel von Friede und Streit wird nirgendwo deutlicher als im demokratischen Diskurs: Er lebt vom Streit, darf dabei aber weder den Frieden noch das Ziel, dessentwegen er geführt wird, aus den Augen verlieren.

Wenn Regierungspartner, wie einst in der Ampelkoalition, in der öffentlichen Wahrnehmung mehr streiten als entscheiden, verliert der Streit seine produktive Funktion. Umgekehrt ist die Umgehung von Konfliktebenen („Kettensäge“) kein Beitrag zum Frieden, sondern Ausdruck von Machtkonzentration. Besonders problematisch wird es, wenn Streit ideologisch überhöht oder religiös aufgeladen wird. Dann gibt es Frieden nur zu den eigenen Bedingungen. Absolut und dennoch verloren ist der monolithische Friede in der Diktatur, die jeglichen Streit unterdrückt.

Die hiesige Polarisierungsdebatte zeigt, dass das Verhältnis zwischen Friede und Streit gestört ist. Diese Ausgabe widmet sich daher der Frage, wie die Balance wiederhergestellt werden kann. Das Ziel ist nicht Pazifizierung, sondern eine konstruktive Auseinandersetzung in Friede und Streit.

Die Politische Meinung verortet sich in der Tradition Konrad Adenauers, dessen 150. Geburtstag bevorsteht. Adenauer hat politische Auseinandersetzungen nie gescheut – etwa bei der umstrittenen Westbindung und Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Es war eine Entscheidung, mit der andere erst weit später ihren Frieden gefunden haben und die sie hoffentlich weiter mit vertreten.

Übrigens: Das Konzil ließ Nikolaus die Ohrfeige nicht durchgehen. Er wurde seines Amtes enthoben und ins Gefängnis gesteckt. Erst ein Marienwunder verhalf ihm zur Rehabilitierung. Auch das zeigt: Frieden braucht Streit, aber auch Grenzen.

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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