Asset-Herausgeber

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Unverkennbar schwingt ein zivilisationskritischer Grundton mit, wenn heute vom guten Leben die Rede ist. Ein bloßes „Immer höher, schneller, weiter“ – wer kann das noch wollen? Ein bewussteres Produzieren, Konsumieren und Arbeiten, ein bewussteres Dasein überhaupt – wer wollte sich verschließen? Schädliche Verhaltensweisen zu revidieren und neue Lebensziele zu definieren, kann niemals falsch sein. Notwendig ist nur, sich einen präzisen Blick dafür zu bewahren, was einen ethisch geschärften Realitätssinn von idealistischen Übertreibungen unterscheidet, die die Kluft zu den wahren Bedürfnissen vertiefen, statt sie einzuebnen. Die Geringschätzung ökonomischer Argumente und die saturierte Absage an materielle Güter sind Verdachtsgründe für ein solches verbissenes oder verträumtes Weltverbesserertum.

Wenn sich aktuell nationale wie internationale Institutionen anschicken, die Faktoren unserer „well-beings“ näher zu ergründen, und „Glücksforscher“ neuartige Lebensqualitäts-Indizes – etwa Umwelt, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Bildung betreffend – empfehlen, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Die Wohlstandsmessung allein anhand der Wachstumszahlen war auch zu eindimensional! Wo aber nach einer magischen „Glücksformel“ gefahndet und allen Ernstes behauptet wird, dass es die eigentliche Aufgabe des Staates sei, die Menschen glücklich zu machen, da geraten die richtigen Maßstäbe abhanden. Lauert hinter der berechtigten Debatte um das gute, bewusstere Leben möglicherweise eine expansive Vormundschaftlichkeit, bei der ein umfassend verpflichteter Vater Staat als Tugendwächter auf die Maßlosigkeit unseres Lebensstils antwortet? Es wäre eine schwere Bürde für die liberale Demokratie, die für die freie Entfaltung einen Rahmen setzt, aber für die Seligmachung ihrer Bürger nicht zuständig ist.

Selbst wenn sich der Einzelne nicht immer sozial- und umweltverträglich verhält, vielleicht noch nicht einmal verhalten kann, weil er die Wirkung seiner Verhaltensweise nicht gänzlich zu überschauen in der Lage ist: das Streben nach Glück muss im Kern eine individuelle Kategorie bleiben. Kollektive Glücksvorstellungen, wie sie die großen Ideologien in Stein gemeißelt hatten, haben sich weit weniger als moralisch tragfähig erwiesen.

Heute werden die Grenzen gemeinschaftlicher Glückssuche anhand der Werbung besonders deutlich. Die Fotostrecke in diesem Heft zeigt Abbildungen, die gegen Gebühr aus Bilddatenbanken im Internet heruntergeladen und von jedermann zu Werbezwecken genutzt werden können. Sie lassen spüren, wie trügerisch, schnöde und oberflächlich aufgedrängte Glücksbegriffe sind.

Letztlich wird sich weiterhin jeder selbst auf Glückssuche begeben müssen. Das mag nicht leichtfallen, aber darin verbirgt sich der wichtigste Ansatz für ein gutes Leben.

 

Bernd Löhmann, Chefredakteur

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