„Die Jugend liebt heute den Luxus, sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte.“ Das soll Sokrates (geboren um 470, gestorben 399 vor Christus) gesagt haben. Der „Clash of Generations“ ist weit davon entfernt, ein ausschließliches Phänomen unserer Zeit zu sein. Naturgemäß sind auch die Erwartungen junger Menschen an ihren Arbeitsplatz andere als bei vorangegangenen Generationen. Das alles sollte uns eigentlich gelassen stimmen. Nur ist die heutige Situation mit Blick auf die demografischen Effekte und wegen des erheblichen Fachkräftemangels, insbesondere bei jungen Mitarbeitern, deutlich schwieriger.
Grundlegend geändert haben sich die Gründe, warum junge Menschen einen bestimmten Arbeitgeber auswählen. Eine Umfrage unter über 1.600 Studierenden der Medizin vor Beginn der Arbeit als Arzt zeigte, dass gutes Arbeitsklima, Breite und Verbindlichkeit der Ausbildung sowie ein familienfreundliches Umfeld heute an erster Stelle stehen (siehe Umfrage in der Zeitschrift HNO laut Literaturverzeichnis). Zur dieser Erkenntnis kommt auch der Workplace Survey von Robert Half.
Für Unternehmen, die künftig verstärkt um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werben müssen, lohnt es sich, die Generation Y, die nach 1981 Geborenen – also die heute Zwanzig- bis Dreißigjährigen –, intensiver zu betrachten. Die Nachkriegsgeneration, Babyboomer und Generation X haben bisher das Arbeitsleben dominiert. Die auf sie folgende Generation Y charakterisiert sich jedoch dadurch, dass die, die ihr angehören, zwar als technisch hoch interessiert und ausgebildet gilt, aber insgesamt weniger gut auf die Arbeitswelt vorbereitet ist als ihre Vorgänger. Das bestätigen aktuelle Studien von Schofield und Honoré von der Ashridge Business School in England. Der Umgang mit diesen sehr selbstbewussten und fordernden Mitarbeitern, die mit hohen Erwartungen an den Arbeitsplatz kommen, fällt vielen erfahrenen Kollegen jedweder Branche oftmals schwer.
Die Generation Y arbeitet gerne mit modernsten Technologien, wobei eher eine Faszination für technische Spielereien als fundiertes IT-Wissen vorhanden ist. Diese Generation ist an Laptops, das Web 2.0 und andere Kommunikationsinstrumente gewöhnt und kann sich schnell in neue Applikationen einarbeiten. Darüber hinaus herrschen große Ansprüche an die Ausstattung des Arbeitsplatzes: Internetzugang, ein eigener Schreibtisch und Ruhezonen sind laut Studien wichtige Forderungen.
Training in Soft Skills gefordert
Die Generation Y kommuniziert sehr intensiv über elektronische Medien, scheint laut aktuellen Untersuchungen aber Defizite bei der direkten Interaktion mit Menschen zu haben. Das betrifft den Umgang sowohl mit Kunden als auch mit Mitarbeitern. Anscheinend fehlenden Jobeinsteigern Kenntnisse in der Teamdynamik und der Unterstützung von Teamzielen. Aktuellen Studien zufolge benötigen diese Mitarbeiter Training in Soft Skills wie aktivem Zuhören und in der arbeitsbezogenen Kommunikation mit Kollegen. Dazu gehört auch das Basiswissen in mündlicher und schriftlicher Präsentation. Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studien besteht darin, dass die Generation Y bei Routineaufgaben schneller gelangweilt ist als vorherige Generationen von Mitarbeitern. Etablierte Prozesse werden daher rasch hinterfragt und entsprechend den eigenen Vorstellungen geändert. Auch hier sind Führungskräfte gefordert.
Mitarbeiter der Generation Y sind an einer gut strukturierten, breiten und stetig begleiteten Ausbildung interessiert. Ihnen fehlt jedoch der Drang, mehr und tiefer gehendes Wissen zu erwerben, zu recherchieren und ihr Wissen weiterzuvermitteln. Das hat Auswirkungen auf die Motivation, in Forschung, Lehre oder Entwicklung mitzuwirken. In diese Bewertung passt der Stellenwert von Promotion und Habilitation, die in ihrer Bedeutung abgenommen haben. Gerade für forschende Unternehmen oder Universitäten ist es jedoch wichtig, den wissenschaftlichen Nachwuchs für Forschungsthemen oder knifflige Produktentwicklungen zu begeistern. Einige Universitäten, wie beispielsweise die Medizinische Hochschule Hannover, haben im Rahmen eines Modellstudiengangs wissenschaftliches Arbeiten zum Ausbildungsinhalt des Medizinstudiums gemacht, um junge Studierende frühzeitig für die Forschung und Entwicklung zu begeistern.
Diese Art der Lerneinstellung hat mehrere Auswirkungen. Zum einen wächst das Interesse an problembasiertem Lernen, zum anderen wird weniger analysiert und mehr ausprobiert, was den Handlungsgewohnheiten des Computerspielens ähnelt. Als Folge sinkt die Aufmerksamkeitsspanne. Das bedeutet wiederum, dass dort, wo Wissen vermittelt wird, kürzere Zeiteinheiten für die Wissensvermittlung sinnvoll sind. Wöchentliche Fortbildungen gewinnen somit an Bedeutung. Bei den Lerninhalten zählt, dass sie relevant für den Arbeitsalltag sein müssen, Erlebtes besser verständlich machen und bei der Lösung konkreter Probleme hilfreich sind. Daher sollten Kurse und Seminare für diese Mitarbeiter weniger das klassische Konsumieren und Zuhören, sondern mehr die aktive Teilnahme fordern beziehungsweise „Hands-on“-Charakter haben.
Für die Weiterbildung sieht sich die Generation Y kaum selbst in der Verantwortung. Vielmehr treten diese Mitarbeiter als fordernde Konsumenten auf, die von ihrem Arbeitgeber Bildungsangebote und Unterstützung erwarten. Die Berufseinsteiger wollen dazulernen, denn in Untersuchungen werteten sie die berufliche Weiterbildung als einen der fünf wichtigsten Jobfaktoren. Für Arbeitgeber ist es daher wichtig, relevante Fortbildungen mit Kostenübernahme anzubieten und zusätzlich darauf zu achten, dass soziale Kommunikations- und Managementfähigkeiten weiterentwickelt werden können.
Familie geht vor Gehalt
Wegen des hohen Frauenanteils steht das familienfreundliche Umfeld bereits an vierter Stelle. Gerade hier bleibt für zahlreiche Arbeitgeber viel zu tun. Die Anzahl der Kitaplätze nimmt mittlerweile zu, aber das Problem besteht im mangelnden Betreuungsangebot für Grundschüler, um Müttern die Berufstätigkeit zu ermöglichen. Wie eine durch das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebene Studie feststellt, könnten in Deutschland derzeit 460.000 nicht erwerbstätige Mütter bei einer flächendeckenden Ganztagsbetreuung, wie in Skandinavien, in ihren Beruf zurückkehren. Nach dieser Studie würden 77 Prozent der Eltern zwischen 25 und 39 Jahren für mehr Familienfreundlichkeit die Arbeitsstelle wechseln. Über neunzig Prozent der Beschäftigten zwischen 25 und 39 Jahren mit Kindern ist Familienfreundlichkeit bei der Arbeitgeberwahl sogar wichtiger als das Gehalt.
Die derzeitigen Defizite bei der Kinderbetreuung konnte der „Grundschulcheck“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages bestätigen: Nicht einmal jede vierte Grundschule bietet eine durchgehende Betreuung an, sodass die Ferienzeit – dreizehn Wochen – berufstätige Eltern vor erhebliche Schwierigkeiten stellt. Auch die Nachmittagsbetreuung ist unzureichend. Nur jedes zwölfte Kind in Deutschland wird dreißig Stunden und mehr in der Schule betreut. Dabei bieten in den neuen Bundesländern immerhin 98 Prozent der Grundschulen Programme an, während in den alten Bundesländern nur 85 Prozent eine Nachmittagsbetreuung zur Verfügung stellen. In Schweden sind dagegen alle Grundschulkinder ganztags versorgt, in Italien bis zu neunzig Prozent, in Großbritannien und in Frankreich knapp siebzig Prozent.
Als Folge haben zahlreiche Großunternehmen in Deutschland selber nachgebessert. Beispielhaft sind Ferienprogramme von Siemens, Boehringer Ingelheim und BASF zu nennen. Auch einige Universitäten bieten mittlerweile entsprechende Programme an (zum Beispiel die Medizinische Hochschule Hannover). Gerade für Arbeitgeber wie Krankenhäuser, die einen hohen Frauenanteil aufweisen, ist das von Bedeutung, denn der Frauenanteil wird dort weiter zunehmen. Will ein Unternehmen diese Karrieregruppe nachhaltig anwerben und binden, sollte es seine Familien- und Qualifizierungsprogramme rasch anpassen.
Engmaschiges Coaching
Interessant an der Generation Y ist die Widersprüchlichkeit beim Thema Führung. Auf der einen Seite werden Hierarchien abgelehnt, gleichzeitig jedoch ein engmaschiges Coaching und eine Anleitung beziehungsweise Unterstützung beim Arbeitsalltag gewünscht. Akzeptiert wird fachliche Kompetenz, was sich in der Auswahl des Arbeitgebers nach Ausbildungsqualität widerspiegelt. Der Generation Y fällt jedoch die angemessene Einforderung einer guten Ausbildung schwer. Diese Mitarbeiter gehen davon aus, dass jeder streng nach seinen Leistungen befördert wird und das Dienstalter keine Rolle spielt. Diskussionen über diese Themen sind mit der Generation Y in vielen Branchen Alltag, was ältere Kollegen häufig vor Herausforderungen stellt. Insgesamt wird das Führen anspruchsvoller, denn neben der Rolle als Mentor und Coach gilt es, die Arbeitsinhalte der jungen Mitarbeiter sinnvoll zu gestalten. Die Generation Y will ernst genommen und mit anspruchsvollen Aufgaben beauftragt werden. Darüber hinaus werden kontinuierliches Feedback und regelmäßige Personalentwicklungsgespräche, in denen Perspektiven für die Ausbildung besprochen werden, erwartet. Ohne ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum, lebensabschnittsadaptierte Arbeitszeiten beziehungsweise flexible Auszeiten (wie Elternzeit und unbezahlter Urlaub) werden viele dieser Mitarbeiter nicht zu halten sein. Das stellt schließlich auch erhebliche Anforderungen an die Planung der Arbeitsbeziehungsweise Einsatzzeiten, vor allem für Branchen wie Krankenhäuser, die 24 Stunden Personal vorhalten müssen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich der Anteil der Menschen zwischen zwanzig und fünfzig Jahren in den nächsten zwanzig Jahren um 25 Prozent verringern. Daher wird es künftig einen noch größeren Fachkräftemangel geben. Die Bedeutung der sogenannten Generation Y als Arbeitnehmer steigt weiter. Diese Generation der Zwanzig- bis Dreißigjährigen ist durch ein hohes Selbstbewusstsein und eine eingeschränkte Kritikfähigkeit gekennzeichnet. Die Mitarbeiter dieser Generation „leben beim Arbeiten“ und lehnen Hierarchien ab, obwohl sie gleichzeitig eng geführt und hervorragend durch ihre Mentoren ausgebildet werden wollen. Ihre Kommunikationswege basieren auf Netzwerken, Internet und Computer. Deshalb ist es sinnvoll, diese Mitarbeiter für den Kundenkontakt weiter zu schulen. Das stellt völlig neue Anforderungen an die Ausbildung, denn sowohl die eingesetzten Lernmedien als auch die Lerninhalte müssen angepasst werden.
Die Entwicklung dieser Mitarbeiter durch erfahrene Fachkräfte wird aufwendiger, wenn das Potenzial dieser Generation voll erschlossen werden soll. Doch gerade aktuelle Themen, wie die kontinuierliche Technisierung, passen gut mit den Fähigkeiten der Generation Y zusammen. Die Weiterentwicklung eines Unternehmens kann mit den Stärken der Generation Y gut gelingen, denn diese Mitarbeiter stellen viele Strukturen und Prozesse infrage, insbesondere weil die Repräsentanten der Generation Y für Veränderungen aufgeschlossen sind. Die Generation Y kann also zur Professionalisierung und damit zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beitragen.
Christian Schmidt, geboren 1967 in Münster, seit 2009 Medizinischer Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln gGmbH
Literatur
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Statistisches Bundesamt: Im Blickpunkt: Jugend und Familie in Europa, Wiesbaden 2009, www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Publikationen/Querschnittsveroeffentlichungen/ImBlickpunkt.psml
[Link nicht mehr abrufbar, Stand 20.03.2025].