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Wie steht es um die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland?

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Gesperrte Brücken, kaputte Schienen und defekte Schleusen: Der sich verschlechternde Zustand der Verkehrswege ist für alle unmittelbar erfahrbar geworden. Für jeden spürbar sind die schwierigen Verhältnisse bei den Straßennetzen. Die schlechteste Gesamtsituation ist jedoch bei den oft übersehenen Wasserstraßen zu beklagen. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft, die im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 durchgeführt wurde, verdeutlicht den politischen Stellenwert, welchen Unternehmer dem Problemfeld „Verkehrsinfrastruktur“ beimessen.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft 2025

Mehr als 1.000 Unternehmen nahmen an dieser Befragung teil. Sie gaben an, was die fünf wichtigsten Aufgabenfelder aus ihrer Sicht sind, die die nächste Bundesregierung in Angriff nehmen muss, um den Wohlstand in Deutschland zu sichern. Abbildung 1 zeigt, dass insbesondere zwei Themen von mehr als der Hälfte der Unternehmen als Top-5-Priorität genannt wurden: die Eindämmung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Ertüchtigung der Verkehrsinfrastruktur. Die Verkehrsinfrastruktur wurde dabei eher selten als die wichtigste Maßnahme eingeordnet, belegte aber beim zweit- und drittwichtigsten Vorschlag jeweils den Spitzenplatz. Das unterstreicht, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland inzwischen zum Problem geworden ist und nicht mehr als Standortvorteil gilt.

Seit Jahrzehnten wurde die Politik gewarnt, dass die Investitionen in die Verkehrswege nicht ausreichen. So wies eine Kommission des Bundes bereits im Jahr 2000 auf erhebliche Investitionsdefizite bei allen Bundesverkehrswegen hin (Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung 2000). Die seinerzeit ermittelten Investitionsbedarfe wurden bis heute nicht erreicht, obwohl als Folge des Kommissionsberichts die Lkw-Maut eingeführt wurde. Das führte allerdings nicht wirklich zu einer Steigerung der Investitionen. Stattdessen wurden Steuermittel für andere Ressorts abgezogen.

Ab dem Jahr 2015 begann der Bund, entschlossener umzusteuern. Damals hatten sich allerdings viele Versäumnisse kumuliert, sodass die Effekte überschaubar blieben. Dabei ist der bauliche Zustand der Bundesverkehrswege weit besser als der von Landes- und Gemeindestraßen, der als ernst zu bezeichnen ist. Das belegen die Daten zur Zustandserfassung und -bewertung (ZEB), die alle vier Jahre auf vielen Straßen ermittelt werden. Im Rahmen einer ZEB wird ein Straßennetz von Messfahrzeugen abgefahren, und die Streckenzustände werden auf einer Skala von eins bis fünf bewertet. Eine Note von 3,5 gilt als Warnschwelle. Strecken in dieser Kategorie müssen beobachtet und Verbesserungsmaßnahmen geplant werden. Ab einer Note von 4,5 ist die Einleitung baulicher und verkehrsbeschränkender Maßnahmen zu prüfen. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, fallen in wichtigen Landesstraßennetzen mehr als die Hälfte aller Strecken in diese kritischen Kategorien. Bei den Bundesstraßen liegen über zwanzig Prozent des Netzes in der schlechtesten Kategorie, während die Autobahnen in einem noch relativ guten Zustand sind.

Quellen: Arndt/Schneider 2023; BMDV 2022; Heller 2021; Heller 2022

Neben den Fahrbahnen gibt auch der Zustand vieler Brücken Anlass zur Sorge, wie der Einsturz der Carolabrücke in Dresden am 11. September 2024 nachdrücklich zeigte. Brückenschäden wirken sich an den stark befahrenen Bundesfernstraßen besonders stark auf den Verkehr aus. Von den gut 40.000 Brückenbauwerken müssen mindestens 4.000 saniert oder auch oftmals komplett ersetzt werden. Besonders betroffen sind die großen Spannbetonbrücken, die in den 1960er- und 1970er-Jahren in Westdeutschland errichtet worden sind. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Brücken nicht für die Nutzungsintensität geplant waren, wie sie inzwischen seit Langem auf sie einwirkt. So hat sich der Straßengüterverkehr im Vergleich zum Jahr 1960 gut vervierfacht. Zudem ist das zulässige Gesamtgewicht der Lkw deutlich gestiegen. Die meistgenutzten Brücken in Deutschland sind über fünfzig Jahre alt, chronisch überlastet und nicht adäquat gepflegt.

Da es viele Ursachen für die marode Verkehrsinfrastruktur gibt, existieren auch keine einfachen Lösungen. Im Wesentlichen lassen sich drei miteinander vernetzte Problemfelder identifizieren, die eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur erschweren: unzureichende Finanzierung, ausufernde Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein beträchtlicher Fachkräftemangel. Diese Probleme wurden bereits vor einem Jahrzehnt identifiziert. Versuche, ihnen entgegenzusteuern, zeitigten nur einen begrenzten Erfolg. Was sind heute die Grundbedingungen, um die Lage nachhaltig zu verbessern?
 

Erstens: Mehr Geld – darin liegt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. In der Zeit nach der Jahrtausendwende waren fehlende Gelder das Hauptproblem. Das galt insbesondere für die Jahre nach 2005, da in dieser Zeit stagnierende Haushaltsansätze für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur mit steigenden Baupreisen auf diesem Sektor zusammenfielen. Infolgedessen sanken die realen Investitionen merklich. Nach einem Anstieg der Investitionen im Rahmen der Konjunkturprogramme der Jahre 2009 und 2010 setzte sich der reale Investitionsrückgang bis etwa 2015 fort. Danach kam es zuerst auf Bundesebene zu einer Trendumkehr. Wie Abbildung 3 zeigt, war das Wachstum der bereitgestellten Haushaltsmittel durchaus bemerkenswert. Im Haushalt 2024 lagen die geplanten Investitionen in die Bundesfernstraßen fast sechzig Prozent über dem Vergleichswert von 2014. Im Schienenwesen stiegen die bereitgestellten Investitionsmittel um 300 Prozent, wenn man die Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn AG einrechnet. Ohne diese betrug die Steigerung siebzig Prozent. Größtenteils wurde dieser Investitionshochlauf durch die Ausweitung der Lkw-Maut finanziert, die inzwischen weit mehr als nur die Mittel für den Erhalt und Ausbau der Bundesfernstraßen einbringt.

Quellen: BMF 2025; Statistisches Bundesamt 2025; eigene Berechnungen

Der Investitionshochlauf war zwar deutlich, aber dennoch unzureichend, da steigende Baupreise die finanziellen Zuwächse neutralisiert haben. Nach einer Preisbereinigung (siehe Abbildung 3) liegen die realen Investitionen inzwischen wieder auf dem Niveau von 2015. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine kontinuierliche Ausweitung der Investitionshaushalte eine notwendige Bedingung zur Lösung der Probleme der deutschen Verkehrsinfrastruktur darstellt.

Zweitens: Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Die Bereitstellung von Haushaltsmitteln bedeutet nicht zwangsläufig, dass Bauvorhaben tatsächlich realisiert werden können. Damit das möglich wird, muss zunächst ein Baurecht hergestellt werden. In der Praxis bedeutet das bei größeren Projekten, dass zumeist ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen werden muss. Dessen Dauer ist kaum vorherzusagen, und es gibt hierzu auch nur in geringem Maße belastbare Daten. Laut Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage (Deutscher Bundestag 2021) dauerte der Neubau eines Bundesschienenweges von mindestens dreißig Kilometer Länge im Durchschnitt etwa 23 Jahre. Davon entfielen allein vierzehn Jahre auf die Planungsphase. Beim Neubau von Bundesfernstraßen betrug die Planungsdauer sogar fünfzehn Jahre – alle Angaben exklusive möglicher Gerichtsverfahren.

Bei dem drängenden Problem der notwendigen Brückensanierungen gehen Experten derzeit von Zeiträumen für die Realisierung einzelner Projekte zwischen fünf und achtzehn Jahren aus.

Diese Laufzeiten sind in Anbetracht der heutigen Probleme nicht mehr tragbar, und die Politik hat bereits einige Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung durchgesetzt. So wurde etwa 2023 beschlossen, die Genehmigungspflicht für Erweiterungen im Rahmen von Brückensanierungen abzuschaffen – ein Schritt in die richtige Richtung, der jedoch kaum ausreichen wird, um die Komplexität der Verfahren ausreichend zu reduzieren.
 

Drittens: Fachkräftemangel in den Straßenbauämtern. Zu dem gestiegenen Aufwand bei Planung und Genehmigung kommt der Mangel an Fachpersonal für die Abwicklung der Verfahren. Nach der Jahrtausendwende ging die Zahl der umzusetzenden Projekte zurück. Daher erhielten die meisten Straßenbauverwaltungen die Vorgabe, entsprechend Personal abzubauen. Dies geschah typischerweise durch den Verzicht auf Neubesetzungen. Bis etwa 2015 sank in den meisten Behörden die Zahl der Planstellen für Bauingenieure. Zeitgleich baute sich bei dem verbliebenen Personal eine unausgewogene Altersstruktur auf. Auch an dieser Stelle ist seither eine Trendwende zu beobachten. Die Zahl der Planstellen für Ingenieure zur Planung und Überwachung von Verkehrswegen steigt wieder. Allerdings ist der Arbeitsmarkt für diese Fachkräfte praktisch leergefegt.

In der relativ kleinen Berufsgruppe „Ingenieure für die Planung von Verkehrswegen und -anlagen“ kamen am Stichtag 30. Juni 2024 bundesweit auf 435 offene Stellen 27 Arbeitssuchende. Es können demnach derzeit theoretisch nur bis zu sechs Prozent der offenen Stellen besetzt werden. Betrachtet man die deutlich größere Gruppe „Ingenieure für Bauplanung und -überwachung“, verbessert sich die Relation von offenen Stellen zu Arbeitssuchenden nur geringfügig: Bis zu elf Prozent der offenen Stellen sind rechnerisch besetzbar.

Quelle: Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA.de) 2025

Wie Abbildung 4 zeigt, besteht diese Mangelsituation bereits seit Jahren und zeigt keine Tendenz zur Besserung. In Anbetracht einer laufenden Pensionierungswelle in den Behörden ist davon auszugehen, dass der Personalmangel in den Straßenbauämtern bestehen bleiben wird. Zieht man zudem in Betracht, dass die Behörden mit der Bauindustrie im Wettbewerb um die knappen Fachkräfte stehen, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass ein Aufbau der Kapazitäten kaum möglich sein wird. Damit bleibt nur der Weg, die knappen Ressourcen effizienter einzusetzen, was unter anderem durch vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren erreicht werden könnte.

 

Thomas Puls, geboren 1974 in Preetz, Senior Economist im Themencluster Digitalisierung und Klimawandel, Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln.

 

Quellen

Arndt, Wulf-Holger / Schneider, Stefan: „Investitionsbedarfe für ein nachhaltiges Verkehrssystem – Schwerpunkt kommunale Netze“ in: Difu Impulse, Bd. 7, Berlin 2023, S. 55.

Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): Verkehrsinvestitionsbericht für das Jahr 2022, Berlin, S. 187.

BMDV: Verkehr in Zahlen 2024/2025, Berlin 2025, S. 244–245. Bundesministerium der Finanzen (BMF): Bundeshaushalt Digital, Berlin 2025. Deutscher Bundestag: Drucksache 19/27459, 2021, Berlin 2021.

Heller Ingenieurgesellschaft mbH: Zustand der Fahrbahnbefestigungen und Brücken der Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen, Ausgabe November 2021, Gelsenkirchen 2021, S. 23.

Heller Ingenieurgesellschaft mbH: Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Landesstraßen in Rheinland-Pfalz 2022, Mainz 2023, S. 40.

Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung: Schlussbericht, 5. September 2000, www.vifg.de/_downloads/service/infrastrukturfinanzierung-und-ppp/2000-09-05_Abschlussbericht-der-Paellmann-Kommission.pdf [letzter Zugriff: 05.03.2025].

Statistisches Bundesamt: Baupreisindex Straße, Genesis-Datenbank (612610003), Wiesbaden 2025.

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