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Die deutsche Exzellenzinitiative für die Universitäten setzt ihren Erfolg fort

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Ziel der deutschen Exzellenzinitiative für die Universitäten ist es, einzelne deutsche Spitzenuniversitäten und Fakultäten in der weltweiten Gruppe herausragender staatlicher Einrichtungen sichtbarer zu machen und in entsprechenden Rankings zu platzieren. Ein strukturelles Problem der deutschen Universitäten, das sie seit ihrer Gründungsphase beherrscht, ist das Lehrstuhlprinzip: „My chair is my castle!“ Dies hat bekanntlich zur inneren Versäulung der deutschen Universitäten geführt, die durch die äußere Versäulung der deutschen Forschungslandschaft zementiert wurde.

Neben der universitären Forschung spielen die großen Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmholtz-Gemeinschaft eine führende Rolle. In der Nachkriegszeit strebten die US-Universitäten an die Weltspitze, konnten sich Oxford und Cambridge und mit ihnen andere englische Spitzenuniversitäten weiterentwickeln; es kamen Spitzenuniversitäten in Ostasien und Australien dazu und bildeten eine starke Konkurrenz zu den deutschen Universitäten.

Die 68er-Jahre bedeuteten einen Einbruch in der deutschen Universitätsentwicklung. Das Aufbegehren gegen verkrustete hierarchische Strukturen führte jedoch weder zu einer größeren Autonomie der Institutionen noch zu einer Verbesserung der Governance, sondern überwiegend zu kaum noch entscheidungsfähigen Institutionen; es schmälerte auch keineswegs die staatlichen Eingriffsrechte. Dazu kamen zwei weitere entscheidende und verheerende Veränderungen des deutschen Universitätssystems, die letztlich zu einem weiteren Abstieg der deutschen Universitäten im internationalen Vergleich führten.

 

Zwei Fehlentscheidungen

Dies war zum einen der Öffnungsbeschluss, das heißt die Öffnung der Universitäten im Rahmen einer breiten Akademisierung für einen möglichst großen Anteil der Abiturienten eines Jahrgangs. Diese Entwicklung führte zur Massenuniversität, zu reduzierter Forschung und schlechten Ausbildungsrelationen. Die Alternative wäre gewesen, berufsnahe akademische Ausbildungssysteme, also Fachhochschulen, in allen Fächern für eine möglichst große Zahl von Studierenden auszubauen und die Universitäten auf ihre zentrale Rolle in Forschung und Lehre zu beschränken.

Eine zweite gravierende Fehlentscheidung waren die sogenannten Überleitungen von Mitarbeitern auf Professorenstellen. Damit wurden die Qualitätskriterien für Berufungen auf Professorenstellen aufgegeben – mit nachhaltig negativen Folgen. In weiteren Berufungskommissionen dominierten nun die Übergeleiteten, womit eine Bestenauslese für Lehrstühle verhindert wurde. Diese Verfahren wurden nach Ländern unterschiedlich gehandhabt, wie auch die Hochschulgesetze trotz der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes von Land zu Land variierten. Insgesamt entwickelte sich ein Vorteil für die Hochschulstrukturen der süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg.

Waren nun alle deutschen Universitäten nur Mittelmaß, bevor die Exzellenzinitiative gestartet wurde? Durchaus nicht! In der Lehre hatten sie gleiche, überwiegend schlechte Bedingungen mit ungünstigen Betreuungsrelationen und übten in der Mehrzahl kein Recht zur Auswahl von Studierenden aus. Aber in der Forschung gab es große Unterschiede in der Leistungsfähigkeit von Fakultäten und Universitäten, wie die Förderstatistik der Deutschen Forschungsgemeinschaft belegt.

Bereits vor der Exzellenzinitiative kam es zu ersten Initiativen nachhaltiger struktureller Reformen, die die Voraussetzungen für unternehmerische und damit autonome Universitäten gewesen sind. Sie waren die Grundvoraussetzungen für eine im internationalen Kontext gesehene Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten. Das Land Niedersachsen ergriff die Initiative zur Bildung von Stiftungsuniversitäten. Die Universität Mannheim und die Technische Universität München konnten sich mit ihren Strukturen den internationalen angelsächsischen Gegebenheiten anpassen und sich durch eine klare Trennung von Entscheidung und Kontrolle sowie einer eindeutigen Zuordnung von Verantwortlichkeit die Basis für eine größere Autonomie verschaffen.

 

Die Ziele wurden erreicht

Diese Autonomie ist die Grundvoraussetzung für die Leistungsfähigkeit der Institution Hochschule. Denn nur wenn sich Universitäten selbstbestimmt entwickeln können und aus eigener Initiative nach vorn streben, Schwerpunkte setzen und vor allen Dingen im Forschungsbereich die internationale Konkurrenz annehmen können, dann werden sie sichtbare und internationale Exzellenzuniversitäten sein können.

Die Exzellenzinitiative begann mit einer Idee des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und der Fachministerin Edelgard Bulmahn. Sie zielten auf die Bundesförderung einiger weniger attraktiver Spitzenuniversitäten. Allerdings war ihnen wenig bewusst, dass die Verfassung eine Mitwirkung des Bundes bei Universitäten auf Forschung reduzieren und letztlich auf ein Projektvorhaben beschränken müsse. Die folgenden Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern führten einvernehmlich zu einer dreigliedrigen Struktur der Exzellenzinitiative mit dem Ziel der Förderung vor allem forschungsstarker Fakultäten durch Graduiertenschulen und Forschungscluster. Die Förderung von sogenannten Spitzenuniversitäten, also ganzen Institutionen, wurde durch eine sogenannte dritte Linie dargestellt, die sich auf Zukunftsperspektiven beschränkte.

Aufgrund der grundgesetzlichen Einschränkungen musste es bei zeitlich begrenzten Vorhaben bleiben, sodass eine nachhaltige Förderung der Institutionen damals nicht möglich gewesen ist. Dies wurde erst für die jetzt anstehende neue Runde der Exzellenzinitiative durch die Reform des Grundgesetzartikels 91 b möglich und wird damit nach 2017 umgesetzt werden.

Im Prinzip ist die Exzellenzinitiative während der ersten beiden Runden, die bis einschließlich 2016 gefördert haben, unverändert geblieben. Nach einer sehr sorgfältigen Bewertung durch den Wissenschaftsrat, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die „Imboden-Kommission“ der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sowie eine Arbeitsgruppe der Konrad-Adenauer-Stiftung hat die Exzellenzinitiative trotz der relativ geringen Mittel in den ersten beiden Phasen ihre Ziele vollkommen erreicht: Die Mittel betragen etwa nur den halben Etat der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, dennoch konnte die äußere Versäulung der Wissenschaft deutlich reduziert werden. Bei der Hälfte der Forschungscluster sind außeruniversitäre Einrichtungen, vor allem die Max-Planck-Gesellschaft, beteiligt. Die Bildung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ist ein Paradebeispiel des Erfolges der Exzellenzinitiative. Dazu kommen verschiedene Forschungscampi, wie derjenige von Göttingen oder die Verbindung des Helmholtz-Zentrums Jülich mit den Universitäten Köln und Bonn. Die Sichtbarkeit deutscher Spitzenuniversitäten wurde erhöht. Sie stiegen in den internationalen Rankings beziehungsweise waren dort zum ersten Mal vertreten. Viele junge deutsche Wissenschaftler kehrten vor allem aus den USA nach Deutschland zurück. Es gelang, internationale junge Wissenschaftler in die Graduiertenschulen einzubeziehen.

Neben der Forschung wurde die Lehre in den Universitäten internationaler, eine Vielzahl englischsprachiger Studiengänge wurde und wird angeboten, folglich werden die deutschen Universitäten auch zunehmend international von Studierenden wahrgenommen und nachgefragt.

 

Nachhaltige Förderung ab 2017

Die neue Phase der Exzellenzinitiative von 2017 greift diese erfolgreichen Elemente auf. Die Graduiertenschulen sind inzwischen Regel an deutschen Universitäten geworden und können damit in die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft überführt werden. Die Forschungscluster werden flexibler gehandhabt, weisen eine längere Dauer auf und könnten sogar aus dem Projektcharakter in eine nachhaltige Finanzierung überführt werden. Die Exzellenzuniversitäten, welche als ganze Institutionen gefördert werden, können nun nachhaltig ihre Spitzenposition im internationalen Wettbewerb einnehmen und sogar verbessern oder verteidigen.

Eine herausragende Universität zeichnet sich jedoch zudem dadurch aus, dass sie herausragende Professorinnen und Professoren beruft und eine Bestenauswahl von Studierenden möglich ist. Solange diese Möglichkeiten nicht gegeben sind, werden in der Forschung „Spitzenuniversitäten“ genannte Einrichtungen diesem Anspruch in der Lehre nicht gerecht werden können. Die viel zu hohe Lehrbelastung an deutschen Forschungsuniversitäten ist im internationalen Kontext nicht wettbewerbsfähig.

Es gibt international kaum Spitzenuniversitäten, die keine Studiengebühren erheben. Ohne Studiengebühren wird die Grundfinanzierung auch der deutschen Spitzenuniversitäten auf Dauer defizitär bleiben. Niemand denkt an prohibitive Gebühren, aber doch an einen Beitrag der Studierenden zu den Kosten der Universität mit entsprechenden ordnungspolitischen Schlussfolgerungen.

Ein weiteres Problem ist die immer noch unzureichende Autonomie der Universitäten in vielen Bundesländern. Am besten ist diese Autonomie in Baden-Württemberg realisiert worden. In Nordrhein-Westfalen hat es einen erheblichen Autonomierückbau gegeben, auch Bayern entwickelt sich neben der Technischen Universität München zu einer autonomeren Hochschul- und Universitätslandschaft. Aber gerade die Finanzministerien müssten Eingriffsrechte aufgeben, dazu gehören Stellenpläne und damit auch die Einführung von Globalbudgets für Gehälter und Pensionen.

In der Personalstruktur gibt es ebenfalls wichtige Stellschrauben, die korrigiert werden müssten. Der gesamte wissenschaftliche Bereich unterhalb der Professoren- und Professorinnenebene ist problematisch. Es gibt nur zeitlich befristete Stellen. Alle Stellen in Dauerstellen umzuwandeln, würde das System blockieren. Auf der anderen Seite gibt es zu wenig Karriereperspektiven, kaum eine Planbarkeit akademischer Karrieren; so wächst die Bereitschaft vieler junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dieses gerade im angelsächsischen Bereich zu suchen. Zum ersten Mal begegnet man diesem Phänomen mit wirklichen Tenure-Track-Strukturen – am beispielhaftesten an der Technischen Universität München und auch in den Hochschulgesetzen des Landes Baden-Württemberg. Jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Karriereperspektiven zu eröffnen, ist aber die Voraussetzung dafür, sie im System der deutschen Universität zu halten und dieses System für ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv zu machen. Alle soziologischen Leistungsstudien von Universitäten belegen, dass gerade eine hohe ethnische Mischung von Forschungsteams und die Beteiligung beider Geschlechter die Grundvoraussetzung von Höchstleistungen in der Forschung ist. Warum sollte es in Deutschland nicht möglich sein, Verträge unterhalb der Professorenebenen so zu gestalten, dass sie weder statisch auf Lebenszeit ausgerichtet sind noch zeitlich strikt befristet werden? Man dürfte den Institutionen eine angemessene Entscheidung im Einzelfall durchaus zutrauen!

Eine weitere Problematik hat sich aus der ersten Föderalismusreform ergeben: Die Übertragung der Bauzuständigkeit allein auf die Länder hat dazu geführt, dass in den Ländern zunehmend weniger Mittel für den Hochschulbau bereitgestellt worden sind. Eine Korrektur könnte etwa eine Art Deutsche Hochschulbaugemeinschaft vornehmen, in die alle Länder und der Bund einzahlten und die dann nach objektiven Kriterien Mittel vergeben sollte.

 

Hausaufgaben für die Länder

Für die Länder muss gelten, dass auch sie noch einige Voraussetzungen für die Entwicklung von Spitzenuniversitäten zu erfüllen haben. Dazu gehört eine ausreichende Grundfinanzierung aller Hochschulen, damit das deutsche Hochschulsystem nicht aus der Balance gerät. Außerdem müssten die Länder zu den so wichtigen Programmpauschalen, die alle forschungsstarken Hochschulen unterstützen, ihren Anteil beitragen und diese Programmpauschalen entsprechend auf mindestens vierzig Prozent erhöhen. Und letztlich wäre es auch wichtig, dass die Länder im internationalen Kontext wettbewerbsfähige Gesetze erlassen, die den Hochschulen möglichst große Freiräume einräumen, sich selbst zu definieren, zu strukturieren und damit auch Entscheidungswege ermöglichen, die klare Verantwortlichkeiten zuweisen, die Kontrolle durch nicht Betroffene beinhalten und die die Universitäten in die Lage versetzen, selbst gravierende Strukturentscheidungen zu treffen. Das ist die mögliche und notwendige Voraussetzung für eine Fokussierung auf ihre besten Leistungsbereiche, ohne dass einige Universitäten ihren Anspruch von Voll-Universitäten aufgeben.

 

Peter Frankenberger, geboren 1947 in Bad Honnef, von Oktober 1994 bis 2001 Rektor der Universität Mannheim, von 2001 bis 2011 Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Vorstand der Heinrich-Vetter-Stiftung.

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