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Donald Trump, der Pazifikraum und die Chaostheorie

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Das erste Urteil ist schnell formuliert und scheint naheliegend. „Indonesien und ASEAN sind besorgt über die Aussicht auf eine zweite Trump-Regierung“, so Shafiah F. Muhibat, stellvertretende Exekutivdirektorin für Forschung des Center for Strategic and International Studies (CSIS), bei einer gemeinsamen Konferenz mit der Konrad-Adenauer-Stiftung am 18. November 2024 in Jakarta, zwei Wochen nach der Wiederwahl des America First-Politikers in den USA.

Allerdings gibt es in der Politik keine Ereignisse, die innerhalb eines Landes oder einer Region „für alle negativ“ sind oder im Umkehrschluss „nur positive Auswirkungen“ haben. Zwar lässt sich behaupten, dass die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus für den gesamten indopazifischen Raum neue Unsicherheiten mit sich bringt. Seine isolationistischen Tendenzen, gepaart mit robustem Auftreten, sind aus der ersten Legislaturperiode in Erinnerung und sorgen in den Hauptstädten der indopazifischen Region für Sorgenfalten.

Das betrifft etwa Japan und Südkorea, von denen Trump höhere Verteidigungsbeiträge verlangte und denen er für den Fall einer Weigerung mit dem Abzug der US-Truppen drohte – was ebenso für Tokio wie Seoul angesichts der permanenten Drohkulisse in Gestalt von China oder Nordkorea eine bedrückende Perspektive wäre.

 

Strategischer Rivale Peking

Aber das Phänomen nichtlinearer Dynamiken, auch als Chaostheorie bekannt, zeitigt zugleich gegenläufige Konsequenzen: So sieht sich im japanischen Okinawa ausgerechnet die linke Bewegung, die den Abzug oder zumindest die massive Ausdünnung der amerikanischen Truppen fordert, durch den Trump-Triumph im Aufwind. Und sogar eine engere Verständigung zwischen so unwahrscheinlichen Partnern wie Südkorea und China zeichnet sich angesichts einer möglichen militärischen Ausdünnung der amerikanischen Präsenz in der Region unter einem eher isolationistischen Präsidenten im Weißen Haus ab: Erstmals seit zwei Jahren hielten Südkoreas (inzwischen nach seinem kurzzeitig verhängten Kriegsrecht suspendierte) Präsident Yoon Suk-yeol und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping kurz nach der Trump-Wahl ein Gipfeltreffen am Rande eines Forums in Lima ab. Yoon warb angesichts der militärischen Zusammenarbeit von Nordkorea und Russland um engere Stabilitätsbemühungen, und Xi versicherte, auch er wolle keine militärischen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel.

Die Konsequenzen für China selbst scheinen nach den US-Wahlen offensichtlich: Washington sieht Peking als seinen gefährlichsten geoökonomischen und strategischen Rivalen. Das galt bereits unter Präsident Joe Biden, jedoch scheint Trump die Großmachtauseinandersetzung noch verschärfen zu wollen: Im Wahlkampf hat er Zölle von bis zu sechzig Prozent auf chinesische Waren angekündigt. Sollten der künftige Präsident und sein alter wie neuer Handelsbeauftragter Robert Lighthizer damit Ernst machen, wäre das kurzfristig ein schwerer Schlag für Chinas Wirtschaft.

Doch auch China ist für einen Handelskrieg gerüstet: Während des mutmaßlich letzten Treffens von Xi mit Biden im November 2024 ließ Peking die Verschärfung von Exportkontrollen auf kritische Mineralien wie Wolfram und Magnesium verkünden; beide essenziell für die Produktion von Halbleitern und damit von Mikrochips. Die weltweiten Vorkommen werden nahezu komplett von China kontrolliert. Diese und andere Mineralien sind für die heutige Weltwirtschaft so wichtig wie einst Amphoren für den Handel im antiken Griechenland. Auch zur Produktion von amerikanischen F-35-Stealth-Kampfflugzeugen, Windturbinen und von jenen Elektroautos, denen Trump-Freund Elon Musk nunmehr einen Boost für den US-Markt verschaffen möchte, werden diese Seltenen Erden benötigt. Damit hängt das Damoklesschwert über den weltweiten Lieferketten, und ob das Rosshaar reißt, hängt von der Frage ab, ob wir einen Handelskonflikt oder einen regelrechten Handelskrieg erleben werden.

 

Konsequenzen von Handelszöllen

Sollten hohe Zölle den Export sonstiger chinesischer Produkte nach Amerika verhindern, könnten die asiatischen Nachbarn einerseits profitieren, weil amerikanische Firmen entgegen Trumps eigentlicher Hoffnung aufgrund der höheren Personalkosten nicht in der Lage sein werden, vergleichsweise billige Waren, angefangen bei Textilien, herzustellen. Das dürfte die Nachfrage nach Gütern aus Vietnam oder Thailand nochmals erhöhen – und damit den Handelsüberschuss beider Länder erneut steigern.

Allerdings will Trump aus Sorge um das amerikanische Handelsdefizit auch Importe aus anderen Ländern mit Zöllen belegen. Zwar sollen sie in diesen Fällen lediglich zehn Prozent betragen, doch auch das ist für Waren beispielsweise aus Thailand und vor allem aus Vietnam, ebenfalls ein Exportriese mit enormen Ausfuhrzahlen in die USA, eine Herausforderung, der ohne höhere Preise und einen reduzierten Warenaustausch kaum zu begegnen ist. Eine weitere mögliche Konsequenz: Wenn das wirtschaftlich angeschlagene China seine zumeist subventionierten Waren – von Textilien über Elektronikgeräte bis zu Computern – weiterhin produzieren lässt, um eine höhere Arbeitslosigkeit zu vermeiden, könnten Länder in Südostasien von diesen Produkten überflutet werden. Für die dortigen Konsumenten würde das auf mehr Angebote und gesunkene Preise hinauslaufen – doch die einheimischen Firmen gerieten unter massiven Druck. Viele dieser lokalen Firmen könnten übrigens längst Ableger chinesischer Konzerne sein, die ihre Produktion angesichts amerikanischer Debatten über höhere Zölle präventiv diversifiziert und ausgelagert haben.

 

US-Militär für die Freiheit Taiwans?

Und schließlich die militärische Seite des Farbwechsels im Weißen Haus: In der ersten Trump-Legislatur gab es im Südchinesischen Meer und rund um Taiwan doppelt so viele Freedom of Navigation Operations (FONOP) der US-Marine wie unter der anschließenden Biden-Regierung, „und wir sollten unter der zweiten Trump-Administration etwas Ähnliches erwarten“, sagt Adrian Ang, Research Fellow und Koordinator des amerikanischen Programms an der S. Rajaratnam School of International Studies in Singapur: „Im Fall von Spannungen wird die Trump-Administration sehr wahrscheinlich Länder in der Region auffordern, sich zwischen den Vereinigten Staaten und China zu entscheiden, etwas, von dem die Länder gesagt haben, dass sie das nicht tun möchten.“

Der bisherige Fox News-Moderator Pete Hegseth, den Donald Trump zum Verteidigungsminister auserkoren hatte und der wegen mangelnder Pentagon-Erfahrung sowie diverser Vorwürfe zu seinem Lebenswandel im Januar 2025 im Senat scharf befragt wurde, ist überzeugt: „China baut eigens eine Armee auf, um Amerika zu besiegen.“ Auch der neue Außenminister und Ex-Senator Marco Rubio, ist ein ausgemachter China-Falke, vor allem wegen Pekings Umgang mit den Uiguren. Aber auch hier gibt es eine andere Seite der Medaille: Joe Biden hatte, anders als alle seine Vorgänger, zweimal einer militärischen Intervention der USA für den Fall eines chinesischen Angriffs auf Taiwan das Wort geredet. In beiden Fällen bemühte sich das Weiße Haus, die Worte des Präsidenten wieder einzufangen und zu versichern, es gebe diesbezüglich keine neue Haltung. Donald Trump wiederum hat in seinen Wahlkampfveranstaltungen nie den Eindruck aufschimmern lassen, er werde das amerikanische Militär für die Freiheit Taiwans in den Kampf schicken. Darum verknüpft sich aus der Perspektive Chinas auch die eine oder andere positive Erwartung mit dem neu-alten Präsidenten. Nichtlineare Dynamiken eben.

 

Ansgar Graw, geboren 1961 in Essen, Leiter des Medienprogramms Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Singapur und als einstiger Washington-Korrespondent der WELT, Autor von „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“ (Langen Müller Verlag, München, 240 Seiten, 22,00 Euro, erscheint im Februar 2025).