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Perspektive Wissenschaft: Wonach Studierende streben

Vier individuelle Perspektiven

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Vom Promovieren träumen

Ich stellte mir vor, eine Promotion sei die Kür nach dem Studium. Endlich ausgestattet mit reichlich Forschungsgeldern und eingebettet an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Sie ist das Karrieresprungbrett und die ersten Jobangebote liegen bereits auf dem Tisch. Wer muss sich bei diesen Aussichten noch eigenständig bewerben? Eine zügige Promotion ist der Traum schlechthin.

Szenenwechsel, zurück in die Wirklichkeit. Ich habe nicht gezielt darauf hingearbeitet. Vielmehr hat es sich in der Phase der Magisterprüfungen so ergeben. Seit knapp zwei Jahren lese ich nun auf meinem Studentenausweis: „Angestrebter Abschluss: Promotion, Studienfach: Politische Wissenschaft“. Statt üppige Forschungsgelder einzustreichen, zahle ich weiterhin meinen Semesterbeitrag. Von wegen Kür – es ist die Verlängerung meines Studiums.

Ich bin Promotionsstudent und, zugegeben, als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung in einer sehr glücklichen Lage. Denn so genieße ich das Privileg, vollständig meiner Neugierde nachzugehen und forschen zu dürfen zu einer Fragestellung meiner Wahl. „Sicherheit als Kultur in Israel“ lautet mein Arbeitstitel, und die materialisierten Abgrenzungen in Form von Mauern oder Zäunen sind die Forschungsgegenstände. Jedoch wird deren Relevanz beschränkt, denn die Wissenschaft bleibt in der Universität und findet immer weniger Gehör in der Gesellschaft und in der politischen Landschaft.

Die eingangs erträumte Schnittstelle fehlt, und die Universitäten scheinen darüber hinaus noch keinen Mechanismus gefunden zu haben, um auf neue Einflüsse von außen zu reagieren. Rege Diskussionen über Plagiate setzten fast zeitgleich mit dem Beginn meiner Promotion ein. Teilweise wohl gerechtfertigt, großenteils wohl eher nicht. Doch wirkt sich die öffentliche Auseinandersetzung, angeführt von anonymen und mehr als fragwürdigen Ad-hoc-Zusammenschlüssen im virtuellen Raum des Internets, auf den Wert meines angestrebten Abschlusses aus. Das wissenschaftliche Qualitätsmerkmal eines Doktortitels leidet unter diesen Entwicklungen, und von einem Karrieresprungbrett außerhalb der Universitäten mag man derzeit wohl lieber nicht sprechen. Doch genau das sollte den Universitäten zu denken geben und jene intensiv beschäftigen, die stattdessen Dissertationen aus den 1970er-Jahren anhand der gegenwärtigen Maßstäbe erneut prüfen wollen. Erschöpft sich die Auseinandersetzung innerhalb der Universitäten etwa schon allein in solchen Reaktionen auf den Druck von außen? Oder muss sie nicht aus eigenem Antrieb heraus diesem Aushöhlungsprozess Einhalt gebieten? Ein längerer Forschungsaufenthalt in Jerusalem wird den wissenschaftstechnischen Bereich um die Komponenten Forschung, Praxis und Lehre erweitern. Das ist die eigentliche Ergänzung zu meinem Magisterabschluss und im Hinblick auf meine beruflichen Perspektiven von entscheidender Bedeutung. Diese Qualitäten müssen von den Universitäten verstärkt in die aktuellen Diskussionen eingebracht werden, denn sie sind der wahre Türöffner für spätere Bewerbungsgespräche. Eine Reduzierung von qualifizierender Promotionsbegleitung auf Plagiatsprüfung, so wichtig das Thema auch erscheinen mag, greift zu kurz.


Simon Falke, geboren 1981 in Trier, Promotionsstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung im Fach Politische Wissenschaft

 

Pflegewissenschaft … und was macht man da so?

Das neue Studienfach der Pflegewissenschaften geht darauf aus, neues Wissen in und über die Pflege zu generieren und es in die Pflegepraxis zu übertragen. Forschungsfragen erwachsen aus Erfahrungen in der eigenen beruflichen Praxis (als Krankenschwester) und aus den sich wandelnden Erfordernissen der Gesellschaft. Derzeit wird beispielsweise darüber diskutiert, wie der Pflegebedürftigkeitsbegriff so definiert werden kann, dass die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen in ihm berücksichtigt werden. Es geht aber auch um die Erfassung von Schmerzen bei Menschen mit Demenz, die sich selbst nicht mehr äußern können, um Bewegungsförderung bei Altenheimbewohnern, um Gesundheitsförderung von pflegenden Angehörigen oder darum, wie eine häusliche Pflegesituation so stabilisiert werden kann, dass die Verlegung in ein Heim zu verhindern oder hinauszuzögern ist.

Pflegewissenschaft kann man in Deutschland erst seit knapp zwanzig Jahren studieren. Im Ausland ist das Fach schon seit rund hundert Jahren etabliert, zum Beispiel in Großbritannien oder den USA. Inzwischen gibt es die Studiengänge Pflegewissenschaft, Pflegepädagogik und Pflegemanagement an circa siebzig Hochschulorten in Deutschland. Universitär ist die Pflegewissenschaft nur an wenigen Orten verankert.

Ich selbst hatte das große Glück, nach dem Abitur 2001 und dem Krankenpflegeexamen 2004 am Department für Pflegewissenschaft der Fakultät für Gesundheit an der Universität Witten/Herdecke studieren zu können. Die Universität wird als das „pflegewissenschaftliche Mekka“ in Deutschland bezeichnet und bot damals den ersten universitären Studiengang dieser Art (seit 1996) an. Ich begann mein Studium im Oktober 2004 mit dem Ziel, den Abschluss als Bachelor of Science in Nursing zu machen. Mein Forschungsinteresse war auch durch mein politisches Interesse bedingt. Entsprechend befasste ich mich in meiner Bachelorarbeit mit dem „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen“.

2007 schloss ich mein Bachelorstudium ab und wechselte in den dreisemestrigen Masterstudiengang, in dem die zuvor angerissenen Forschungsmethoden vertieft und eingeübt wurden. Das Besondere war, dass wir Studierenden durch Forschungswerkstätten (Evidence-based Nursing Projects) die Gelegenheit bekamen, in konkreten Studien mitzuarbeiten, um so alle Projektschritte kennenzulernen.

In meiner Masterarbeit beschäftigte ich mich mit dem Thema „Pflegende als politische Akteure“ und interviewte Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die selbst eine Pflegeausbildung absolviert hatten. Die darauf folgende Promotion gab mir wiederum Gelegenheit, mich mit dem politischen Interesse von beruflich Pflegenden auseinanderzusetzen. In der Arbeit geht es nicht um politisch tätige Pflegende, sondern um „ganz normale“ Pflegende und ihre Anknüpfungspunkte zur Politik.

Seit Abschluss der Promotionsförderung bin ich an der Universität Witten/Herdecke als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt „Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger“ – kurz „Quart-UpA“ – tätig.


Tanja Segmüller, geboren 1982 in Wuppertal, ehemalige Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung, seit Ende Februar 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Witten/Herdecke im Fach Pflegewissenschaft


Integriert, aber nicht angekommen

Meine persönlichen Erfahrungen beziehe ich aus den Hochschulbildungssystemen zweier europäischer Länder: aus Bosnien-Herzegowina und aus Deutschland.

Als ich mich Ende des Jahres 2002 entschloss, das Studium an der Universität Sarajevo abzubrechen und nach Deutschland zu wechseln, war ich nicht sicher, welche Veränderungen auf mich zukommen würden. Der Wille, ein stark vom Klientelismus bestimmtes Bildungssystem zu verlassen, überwog die zu erwartende Ungewissheit. Für meinen Entschluss war auch die Bindung zu Deutschland, die sich während meines Flüchtlingsaufenthalts von 1992 bis 1997 entwickelt hatte, entscheidend. In Deutschland angekommen, war ich zunächst völlig überrascht von der reflektierenden und offenen Kommunikation zwischen Dozenten und Studenten. Neu für mich war auch die Möglichkeit, sich im Magisterstudiengang durch Wahlfächer selbst einen Schwerpunkt schaffen zu können. Als geschichtliche Ironie erschien mir der einfache Zugriff auf Literatur im Gegensatz zu den Möglichkeiten in Sarajevo: 1992 wurde dort der Zugang zur weltbekannten Nationalbibliothek Vijećnica durch die Kriegseinwirkungen auf Dauer zerstört.

Die Nutzung der Vorteile des deutschen Bildungssystems ist jedoch vor allem mit finanziellen Hürden verbunden für jemanden, der weder Deutscher noch EU-Bürger, also nicht BAföG-berechtigt ist: Das heißt, sich zuerst Gedanken über existenzielle Grundbedürfnisse machen zu müssen. Erst danach kann man sich dem Studium widmen. Bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten half es mir, mich an meine Herkunft zu erinnern; sie spornte mich zum Erfolg des Studiums und zur Optimierung meiner Berufschancen an. Die Finanzierung des Studiums ist mit gesetzlichen Einschränkungen verbunden. Das Studentenvisum gestattete es nach Paragraf 16 Aufenthaltsgesetz, 120 Tage im Jahr für den Lebensunterhalt zu arbeiten. Die Verlängerung des Visums ist mit Anspannung verbunden, auch bei hervorragenden Studienleistungen.

Unter diesen Bedingungen, bei denen man einerseits durch das Studium beansprucht wird und andererseits hofft, dass der Aufenthalt verlängert wird, gelang mir der Studienabschluss mit überdurchschnittlichen Noten. Wie sollte es aber weitergehen? Der Abschluss der Hochschulausbildung durch die Promotion erschien mir als gute Option. Damals wie heute stehen Fragen zur Finanzierung meines wissenschaftlichen Vorhabens im Raum. Nach meiner Aufnahme in die Deutsche Graduiertenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung ist die Frage der Finanzierung für mich vorerst geklärt. Zum ersten Mal in meiner wissenschaftlichen Laufbahn habe ich die Möglichkeit, mich voll und ganz dem (Promotions-) Studium zu widmen. Meine sprachliche und kulturelle Integration kann ich wohl als geglückt betrachten. Das Gefühl, angekommen zu sein, kann ich aufgrund meines rechtlichen Status und der damit verbundenen Probleme dennoch nicht entwickeln. Nach meinen bisherigen Erfahrungen fürchte ich, dass ich auch nach meiner Promotion behördlich und rechtlich nicht als „Kandidat für eine vollwertige Mitgliedschaft“ in der deutschen Gesellschaft anerkannt sein werde.


Kerim Kudo, geboren 1981 in Gorazde (Bosnien-Herzegowina) Promotionsstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung im Fachbereich Europapolitik und Europäische Integration

 

Wie sich eine Berufsperspektive konkretisiert

Neue berufliche Perspektiven eröffnete mir ein Kurs während meines Masterstudiums, der sich mit strategischer Verhandlungsführung befasste. Während dieses Kurses lernten wir Teilnehmer in stetig komplexer werdenden Simulationen Techniken zwischenmenschlichen und internationalen Verhandelns. Das Masterstudium hat mein Interesse an der Verhandlungsdiplomatie geweckt, dem ich in der Promotion vertieft nachgehe. Anhand des Themas „Die Rolle und Strategie der Europäischen Union in multilateralen Verhandlungen“ untersuche ich, wie erfolgreich Europa in seinen Außenbeziehungen verhandelt.

Ich habe das Glück, am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg ideale Bedingungen vorzufinden. Die intensive Begleitung durch meinen Doktorvater sowie der regelmäßige Austausch über die Forschungsergebnisse in einem Doktorandenkolloquium sind hilfreich. Weiterhin trägt zu der positiven Konstellation bei, dass die vielen Interviews, welche die Fallstudien meines verhandlungsstrategischen Themas erfordern, mich dazu zwingen, den vermeintlichen akademischen Elfenbeinturm wieder und wieder zu verlassen. Die Bereitschaft auch höchster politischer und administrativer Vertreter der Bundes-, Europaund UN-Ebene, ausführliche Gespräche zu führen, ist erstaunlich. Die natürliche Schwellenangst hat sich infolge dieser Erfahrungen verflüchtigt.

Durch die regelmäßige persönliche Begegnung mit der Verhandlungswelt kann ich gleichfalls prüfen, ob meine berufliche Perspektive, in der Verhandlungsdiplomatie zu wirken, tatsächlich meinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Heute weiß ich, dass eine Tätigkeit als Mittler von Interessen deutlich eher meiner Person entspricht, als dies ein Verhandeln für eine Partei je sein könnte.

Die entscheidende Frage lautet für mich: Ist das, was ich tue, echt? Echt nicht nur im Sinne originärer Forschungsbeiträge, sondern und vor allem im Sinne der Authentizität. Die Konfrontation mit anderen Forschungsprojekten ist eine ständige Versuchung, andere zu kopieren oder deren Weg nachzuahmen. Nichts spricht dagegen, von anderen zu lernen. Noch mehr spricht allerdings dafür, dem einmal eingeschlagenen Weg treu zu bleiben. Denn: Es gibt für jeden Forscher einen einzigartigen wissenschaftlichen Weg.
 

Andreas Isensee, geboren 1982 in Bonn, Promotionsstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung im Fach Internationale Beziehungen

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