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Prima Klima für die Städte?

von Markus Lewe

Klimahaushalte auf kommunaler Ebene

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Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben sich auf allen staatlichen Ebenen seit Jahren als Megathemen etabliert. Trotzdem reichen die Anstrengungen, die vielerorts unternommen werden, nicht aus, um die festgelegten Klimaziele (etwa das 1,5-Grad-Ziel der UN-Klimakonferenz in Paris 2015) in angemessener Zeit zu erfüllen. Aus dieser Feststellung ergeben sich folgende Fragen: Wie können wir mit den verfügbaren Ressourcen so haushalten, dass sie effektiv und effizient eingesetzt werden und dabei das Maximum an Klimaschutz bewirken? Oder konkreter gefragt: In welche öffentlichen (Bestands-)Gebäude investieren wir wie viel, um mit den verfügbaren Finanzmitteln einen möglichst hohen Klimanutzen in Form von CO2-Einsparung zu erzielen? Durch welche Maßnahmen erhöhen wir den Anreiz, in Städten und Gemeinden unter Klimagesichtspunkten günstige Verkehrsmittel zu wählen oder Verkehrsströme zu reduzieren (etwa durch Breitbandausbau und mehr Homeoffice)?

Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen gelingt nur dann, wenn sowohl die Wirksamkeit der Maßnahmen als auch deren Finanzierung in den Blick genommen werden. Oder plakativ mit dem Motto der Stadt Oslo für deren ersten Klimahaushalt ausgedrückt: „Wir zählen Kohlenstoffdioxid genauso wie Geld!“ Wie kann man also Geld und CO2-Budget zusammenführen?

 

Noch kein Vorreiter bei Klimahaushalten

 

Auf internationaler Ebene hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) eine Analyse zum Thema Green Budgeting vorgelegt. Ziel ist die Anwendung von Instrumenten der Haushaltspolitik, um Klima- und Umweltziele zu erreichen. Damit die öffentlichen Haushalte unter ausdrücklicher Berücksichtigung von Klima- und Umweltzielen gestaltet werden können, bedarf es nach Ansicht der OECD einiger grundlegender Entscheidungen: erstens darüber, was als klimaunterstützend beziehungsweise grün anzusehen ist; zweitens, welche Budgetbereiche betrachtet werden sollen; drittens, worauf der Nachhaltigkeitsfokus gelegt werden soll (Klima im engeren oder Nachhaltigkeit im weiteren Sinne); viertens, wie die Maßnahmen im Haushalt auf ihre Klimawirkung gemessen und bewertet werden sollen. Zu allen vier Punkten gibt es Umsetzungsideen und konkrete Konzepte.

Zum ersten Punkt existieren seit Jahren die Green Bond Principles, unverbindliche Leitlinien zur Begebung nachhaltiger Anleihen, der International Capital Market Association; die Europäische Union diskutiert derzeit eine Taxonomie für nachhaltige Finanzierung und hat dazu sechs Umweltziele formuliert, darunter die Eindämmung des Klimawandels sowie die Anpassung an den Klimawandel.

Die zweite Frage, welche Budgetbereiche betrachtet werden sollen, klingt zunächst abstrakt. Mit Blick auf Deutschland lässt sie sich jedoch schnell fokussieren: Geht es um den Bundeshaushalt, die Haushalte der Länder und Kommunen, oder sollen alle öffentlichen Haushalte betrachtet werden? Sollen beide Budgetseiten, also Einnahmen und Ausgaben, oder nur bestimmte Teilbereiche auf Nachhaltigkeit analysiert werden? Nach Einschätzung der OECD ist Deutschland nicht gerade ein Vorreiter in Sachen Klimahaushalt; man könnte auch sagen, einen Klimahaushalt gibt es nach Ansicht der OECD in Deutschland noch nicht. Auf kommunaler Ebene ist das allerdings nur die halbe Wahrheit: Hier gibt es unterschiedliche Ansätze, teilweise unter dem Begriff „Nachhaltigkeitshaushalt“ zusammengefasst, mit dem Ziel, Nachhaltigkeitsaspekte mit der Finanz- und Leistungssteuerung zu verknüpfen. Freiburg im Breisgau ist dafür ein Beispiel; die Städte Köln und Bonn nutzen ebenfalls Nachhaltigkeitszielsetzungen im Haushalt.

Drittens haben sich weltweit einige Länder bereits mit der Frage beschäftigt, worauf sie den Nachhaltigkeitsfokus richten wollen. Hintergrund sind vielfach die internationalen Klimakonferenzen und die dort geführten Diskussionen und getroffenen Verabredungen. Einige Länder beschränken sich auf Haushaltsfolgewirkungen für das Klima, andere wählen einen breiteren Ansatz und versuchen, Budgetwirkungen auf mehrere Nachhaltigkeitsaspekte abzuschätzen.

Was viertens die Messung und Bewertung betrifft, hat Frankreich beispielsweise ein System entwickelt, mit dem die Wirkung der Budgetmittel auf sechs Nachhaltigkeitsziele abgebildet wird. Hierzu werden fünf Kategorien genutzt (zum Beispiel „vorteilhaft“, wenn die Budgetausgaben unmittelbare Nachhaltigkeitswirkung entfalten; „vorteilhaft, aber kontrovers“, wenn die Budgetausgaben kurzfristig sinnvoll, aber längerfristig risikobehaftet erscheinen; „unvorteilhaft“ bei umweltschädigenden Auswirkungen). Eine solche Vorgehensweise ermöglicht es, dass relativ zügig ein Überblick über unterschiedliche Budgetbereiche erstellt werden kann und keine Messmethodik für die Wirkungsmessung aufgebaut werden muss. Denn Zeit ist für die Erreichung von ambitionierten Klimazielen eindeutig der limitierende Faktor.

 

Fiskalischer Fokus auf das Klima

 

Daher sollte man die Vor- und Nachteile reflektieren, die mit der Einführung eines Klimahaushalts verbunden sind, und bei Überwiegen der Vorteile den Klimahaushalt einführen – und zwar unabhängig von der Gebietskörperschaftsebene!

Der Nutzen eines Klimahaushalts liegt insbesondere darin, den fiskalischen Fokus auf das Klima zu legen und dabei die Qualität der Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen. Dies geschieht durch Priorisierung und Auswahl besonders geeigneter Maßnahmen. Etatberatungen ohne Klimafokus können ein deutlich anderes Ergebnis beim Haushaltsbeschluss zur Folge haben. Alle Akteure in Politik und Verwaltung werden sich bei einem Klimahaushalt an der Erreichung der Zielpfade zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen orientieren. Ohne Klimahaushalt konkurriert dieses Thema mit einer Vielzahl anderer Themen im Hinblick auf die Finanzmittel.

Noch gibt es keinen verbindlichen Rechtsrahmen für die Etablierung von Klimahaushalten. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis über Spezialregelungen für einzelne Bereiche (etwa nachhaltige Finanzierung, nachhaltige Beschaffung und so weiter) ein genereller Rahmen geschaffen wird. Die Europäische Union sieht sich in diesem Punkt als Vorreiter und möchte Europa zu einer unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vorbildlichen Region weiterentwickeln.

 

Umweltberichterstattung und Budgeterstellung

 

Vielfach wird eine Berichterstattung über unterschiedliche Nachhaltigkeitsaspekte als erster Schritt in Richtung auf einen Klima- oder Nachhaltigkeitshaushalt erachtet. Einen Vorschlag, wie ein Berichtsrahmen für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung aussehen kann, hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung kürzlich vorgelegt; er wird derzeit von mehreren Städten und Gemeinden erprobt. Nachhaltigkeitsberichterstattung ist im Übrigen ein probates Mittel, um Status und Fortschritt in der nachhaltigen Entwicklung einer Gebietskörperschaft einzuschätzen. Aber nicht nur dort: Bereits seit 2017 sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen und Finanzdienstleister durch die Corporate Social Responsibility-Richtlinie zu einer Berichterstattung unter anderem zu sozialen und ökologischen Aspekten verpflichtet.

Wirft man einen Blick über die Landesgrenzen hinaus, ist die norwegische Stadt Oslo beispielhaft. Mit dem Klimabudget 2021 liegt mittlerweile der fünfte Budgetbericht vor, der integraler Bestandteil des städtischen Haushalts ist. Darin werden die CO2-Emissionen der Stadt in ähnlicher Weise dargestellt und budgetiert wie die Stadtfinanzen. Die Erstellung des Klimabudgets erfolgt im Rahmen des regulären Budgetzyklus, Klimabudget und Haushalt werden jährlich zeitgleich vom Stadtrat verabschiedet.

Paris, das 2015 die UN-Klimakonferenz ausgerichtet hat, versucht ebenfalls, durch die Verknüpfung von Umweltberichterstattung und Budgeterstellung Investitionsentscheidungen nach Fortschritt und Erfolg der Klima- und Energiemaßnahmen entsprechend anzupassen.

Die Anknüpfung an Investitionsentscheidungen kann ein erster Schritt sein, um einen Klimahaushalt zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Für jede Investitionsmaßnahme im städtischen Haushalt ist abzuschätzen, ob mit ihr eine positive Wirkung auf das Klima (respektive eine CO2-Einsparung) einhergeht, ob die Maßnahme klimaneutral ist oder eine zusätzliche CO2-Belastung darstellt. Auch neue Maßnahmen sind in dieser Weise zu untersuchen, bedarfsweise unterstützt durch Kosten-Nutzen-Analysen, sodass mit dieser Grobeinteilung – idealerweise verbunden mit der damit einhergehenden CO2-Einsparung – finanzielle und organisatorische Ressourcen zielgerichtet gesteuert und ein nachhaltigeres Maßnahmenprogramm zusammengestellt werden kann. So kann dem Beschluss über den städtischen Haushalt und den darin enthaltenen Investitionsmaßnahmen eine seriöse Abschätzung vorangehen, welche Maßnahmen in Summe zu einer möglichst großen Klimawirkung beziehungsweise CO2-Einsparung führen.

Stufenweise lässt sich ein solcher Klimahaushalt ausbauen, indem der Blick von den Investitionsmaßnahmen auf alle übrigen städtischen Finanzmittel geweitet wird. Dazu müssten auch die konsumtiven Budgetansätze im Hinblick auf ihre Klimaschutzwirkung bewertet werden. So leicht dieser Satz geschrieben ist, so komplex wird sich die Umsetzung darstellen. Dass zu jedem Budgetansatz eine Klimawirkung (positiv, negativ oder neutral) ermittelt werden kann, ist unbestritten. Es ist dennoch wichtig, ein geeignetes Verhältnis von erforderlichem Ressourceneinsatz zu Erkenntnisgewinn auszutarieren.

Als Oberbürgermeister von Münster möchte ich einen Klimahaushalt für das kommende Haushaltsjahr in meiner Heimatstadt einführen. Denn Münster soll bis 2030 klimaneutral werden. Damit das gelingt, sind noch viele Anstrengungen erforderlich. Ein geeignetes Instrument, das uns auf diesem Weg begleitet, kann und soll der Klimahaushalt werden.

 

Markus Lewe, geboren 1965 in Münster, seit 2009 Oberbürgermeister von Münster, 2018 bis 2019 Präsident, 2019 bis 2021 Vizepräsident und seit 2021 erneut Präsident des Deutschen Städtetages.

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