Donald Trump hat die Präsidentschaftswahlen 2024 unerwartet deutlich gewonnen. Er gewann die Mehrheit der Wählerstimmen und konnte einen deutlichen Vorsprung im Wahlmännergremium (312 zu 226 Stimmen) gegenüber seiner Konkurrentin Kamala Harris verbuchen. Ein solches Ergebnis hat seit zwanzig Jahren kein Republikaner erreicht. Trump gewann alle sieben umkämpften Bundesstaaten (battleground states). Zudem machte er in demokratisch geprägten Bundesstaaten wie Kalifornien und New York erheblichen Boden gegenüber Harris gut. Trump gewann auch deshalb, weil die Wähler einen Wechsel wollten, und Kamala Harris versprach keinen Wechsel. Für einen Wechsel waren viele Wähler bereit, Trump in Kauf zu nehmen.
Die Republikaner konnten nicht nur das Präsidentenamt für sich reklamieren, sondern erreichten auch Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses. Im Repräsentantenhaus konnten sie ihre Mehrheit verteidigen. Die Republikaner erreichten eine ideale Konstellation für die Durchsetzung des Trump’schen Programms, die sogenannte trifecta – die Beherrschung der drei Instanzen des amerikanischen Regierungssystems. Außerdem kann Donald Trump auf eine konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof der USA bauen. Die Demokraten dagegen sind führungslos und nicht in der Lage, den Trump’schen Ansprüchen eine positive Agenda entgegenzusetzen.
Der neu gewählte Präsident und seine Mitstreiter in den ihm gewogenen Medien und in der Zivilgesellschaft haben seinen auf persönlichem Charisma beruhenden Sieg als umfassendes, ja beinahe unumschränktes Mandat interpretiert, die amerikanische Gesellschaft nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Das wirft die Frage auf, worin dieses Mandat konkret besteht. Donald Trump hat seine Bewegung seit seinem Erscheinen auf der politischen Bühne der USA auf drei Standbeinen aufgebaut: auf der Ablehnung der Globalisierung, der drastischen Beschränkung der Einwanderung und dem isolationistischen Rückzug der USA aus der weltpolitischen Verantwortung.
Fraglich bleibt, ob diese politischen Ziele 2024 wahlentscheidend waren. Denn die Umfragen zeigen vielmehr, dass die Wähler aus zwei Gründen Trump ihre Stimme gaben: wegen der Höhe der Lebenshaltungskosten seit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden und der unkontrollierten Einwanderung an der Südgrenze der USA. Den gesamten Themenkomplex Deglobalisierung hatte Trump dagegen nur sehr unspezifisch angesprochen, indem er sich als Mann für Zölle („I am a Tariff Man“) ausgab. Den Umfragen zufolge waren Außenzölle keine Priorität für die Wähler. Auch spielten außenpolitische Themen trotz der angespannten weltpolitischen Lage kaum eine Rolle. Streng genommen erwarten die Wähler, dass die neue Administration die Inflation in den Griff bekommt und die irreguläre Einwanderung beschränkt. Der nun erneut gewählte Präsident geht jedoch davon aus, dass er sein Mandat selbst definieren und auf eine automatische Zustimmung der Republikaner im Kongress bauen kann.
Trump reklamiert umfassenden Anspruch für sein Mandat
Dieser Einschätzung von Donald Trump lässt sich jedoch entgegenhalten, dass sein Wahlsieg nicht so überragend war, wie es scheint. Es war sicherlich kein Erdrutschsieg, wie ihn Ronald Reagan 1984 errang. Trump gewann 49,9 Prozent der abgegebenen Stimmen gegenüber 48,4 Prozent für Vizepräsidentin Harris – ein Unterschied von gerade mal 1,5 Prozentpunkten. Hillary Clintons Vorsprung gegenüber Donald Trump 2016 betrug 2,1 Prozent. Sein Vorsprung in den sieben umkämpften Staaten war noch geringer. Im Repräsentantenhaus beläuft sich der Vorsprung der Republikaner auf knappe 220 zu 215 Stimmen, und der Sieg der Republikaner im Senat ist darauf zurückzuführen, dass strukturell republikanische Staaten wie Montana und West Virginia demokratische Amtsinhaber abwählten. Tatsache ist jedoch, dass Donald Trump ein umfassendes, an seinen eigenen Vorstellungen ausgerichtetes Mandat für seine Administration reklamiert, das von einer knappen Hälfte der Wählerschaft nicht unterstützt wird. Die Akzeptanz des umfassenden Trump’schen Anspruchs ist also durchaus anfechtbar.
Personalentscheidungen und Kabinettsbildung
Die bisher bekannt gewordenen Personalentscheidungen deuten darauf hin, dass Donald Trump Entscheidungen nach Maßgabe unbedingter Loyalität zu seiner Person und zu seinem Programm trifft. Dabei spielen Gesichtspunkte wie die Eignung für eine Position und die Aussicht auf eine leichte Zustimmung durch den Senat eine untergeordnete Rolle. Das wird exemplarisch an vier Berufungen deutlich: Pete Hegseth als Verteidigungsminister, Robert F. Kennedy Jr. als Gesundheitsminister, Tulsi Gabbard als Koordinatorin für die Geheimdienste und zunächst Matt Gaetz als Justizminister. Alle vier haben vor dem Wahlsieg unbedingte Loyalität zu Donald Trump gezeigt. Nach ihrer Nominierung wurden allerdings ernsthafte Bedenken an ihrer Qualifikation für das jeweilige Amt geäußert.
Hegseth ist als Fox News-Kommentator bekannt geworden, diente als Soldat in Afghanistan und Irak, hat aber keinerlei Erfahrung in der Leitung einer Großbehörde wie der des Pentagons. Tulsi Gabbard ist als Koordinatorin für die Geheimdienste vorgesehen. Sie vertrat als demokratische Abgeordnete Hawaii im Kongress. Sie hat keine Erfahrung in Geheimdienstfragen und ist vor allem dadurch aufgefallen, dass sie Provokationen der USA für den russischen Angriff auf die Ukraine verantwortlich macht. Robert F. Kennedy Jr. ist ein ebenso problematischer Personalvorschlag. Er ist Impfskeptiker und macht Impfungen für Autismus verantwortlich. Er stammt aus der demokratischen Politikerdynastie Kennedy und ist wie Gabbard ein Konvertit zum Trumpismus. Alle drei werden Schwierigkeiten haben, eine Mehrheit im Senat zu erhalten. Alle drei haben problematische Episoden in ihrer Biographie, die bei einer öffentlichen Anhörung offen zutage treten werden.
Allerdings gibt es auch einige konventionellere Vorschläge für das Kabinett: Dazu gehören Senator Marco Rubio als Außenminister und der Abgeordnete Michael Waltz als Nationaler Sicherheitsberater. Sie gehören eher dem nicht-isolationistischen Flügel der Republikaner an und unterstützen die Aufrechterhaltung traditioneller Allianzen. Für gemäßigte Positionen steht auch der Kandidat für das Finanzministerium, der Hedgefonds-Manager Scott Bessent, der für Moderation und Verhandlungen in der Zollpolitik eintritt. Nicht überraschen kann, dass Trump mit Chris Wright als Energieminister einen Kandidaten vorschlägt, der für eine völlige Freigabe der Produktion fossiler Energieträger eintritt.
Insgesamt erscheinen die Personalvorschläge Trumps wenig strategisch und vor allem getrieben von der Impulsivität des neuen Präsidenten. Problematisch könnten auch Berufungen sein, die allein das Ziel haben, Vergeltung an den vermeintlichen Feinden des Präsidenten („the enemy within“) zu üben.
Das Mandat, das Präsident Trump für sich in Anspruch nimmt, bedeutet in der Praxis, dass er daraus das Recht ableitet, seiner eigenen Impulsivität freien Lauf zu lassen. Damit bricht er mit einigen roten Linien, die er sich selbst gesetzt hat, wie mit dem Verzicht auf militärische Interventionen, also dem Isolationismusparadigma. Kurz vor seiner Amtseinführung sprach Trump davon, dass er die Anwendung militärischer Gewalt zur Übernahme des Panamakanals oder der Einverleibung von Grönland – sollte ein Kauf scheitern – nicht ausschließen könne.
Chaos ist vorprogrammiert
Inkohärent sind auch seine Aussagen zur Zollpolitik. Mexiko und Kanada sollen mit Zollsätzen von 25 Prozent bestraft werden, vor allem aufgrund mangelnder Kontrolle des Fentanylhandels und der Einwanderung. Zwanzigprozentige Zölle sollen global verhängt werden, gegenüber China soll der Zollsatz auf sechzig Prozent steigen. Gegen Dänemark sollen ebenfalls Zölle verhängt werden, sollte Dänemark Grönland nicht verkaufen wollen, auch wenn Zölle nur gegen die Europäische Union als Ganzes erhoben werden könnten. Trump tritt neuerdings für eine Erhöhung des Anteils an den Verteidigungsausgaben der NATO-Mitgliedsländer am Bruttoinlandsprodukt von fünf Prozent ein, auch wenn die USA bei ihrem hohen Verschuldungsstand und aufgrund der weiteren geplanten Steuersenkungen dieses Ziel selbst kaum realisieren könnten.
Massenabschiebungen und Zölle dürften den Inflationsdruck in der amerikanischen Volkswirtschaft erhöhen. Trump ist aber gewählt worden, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Chaos ist für die nächsten zwei Jahre vorprogrammiert. Dabei könnte es auch eine Rolle spielen, dass Trump mit 78 Jahren historisch der älteste Präsident bei Amtsantritt und daher eine Wiederholung des Biden-Szenarios nicht auszuschließen ist.
Was können die Europäische Union und Deutschland tun? In der Sicherheitspolitik kann man vielleicht auf das Duo Rubio-Waltz setzen. Im Übrigen sollte man Prinzipientreue und Gelassenheit zugleich demonstrieren und darauf warten, dass die Trump-Administration verhandlungsfähige Angebote unterbreitet. Empörungsrituale auf deutscher Seite über Donald Trumps extreme Positionen und seine realitätsfernen Phantasien sind dagegen wenig hilfreich.
Andreas Falke, geboren 1952 in Berlin, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Auslandswissenschaften, Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg, Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts Nürnberg.