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Von Olympe de Gouges zum Mädchen Malala

Das westliche Frauenbild erreicht alle Teile der Welt

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220 Jahre ist es her, da wurde in Frankreich eine Frau geköpft. Olympe de Gouges hieß sie, und sie war wohl die erste moderne Frauenrechtlerin Europas, die damals forderte: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen.“ Freiheit und Gleichheit waren in der Französischen Revolution für Frauen nicht vorgesehen – de Gouges, hingerichtet als Royalistin und unbequeme Frauenrechtlerin, war zu früh mit ihren Ideen. Mehr als hundert Jahre sollte es dauern, bis die ersten Frauen in Europa wählen oder eine Universität besuchen durften. Und mehr als 200, bis sie die großen Bühnen der Welt zu erobern begannen.

Heute haben sie es geschafft: Die Frauen sind auf dem Vormarsch. Nicht nur in Frankreich, Deutschland, in Europa und Amerika. Auch in vielen anderen Teilen der Welt. Das mag gelegentlich aus dem Fokus geraten, wenn hierzulande wieder hitzig über die Einführung der Quote diskutiert wird, über die „Herdprämie“ und die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, das sogenannte gender pay gap. Da schleicht sich bisweilen das ungute Gefühl ein, es sei noch gar nichts erreicht worden für die Rechte der Frau. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Gleichberechtigung der Frau ist in den westlichen Kulturen weit vorangekommen. Frauen können Bundeskanzlerin werden, können Schulen und Konzerne leiten, Banken beaufsichtigen und Fußball spielen. Sie dürfen studieren, was sie wollen, und arbeiten, wo sie wollen. Sie dürfen wählen, sie dürfen heiraten, wen sie wollen, und sich scheiden lassen. Sie können Männer verklagen, die sie belästigen, und müssen sich nicht mehr mit Haushaltsgeld vom Mann abspeisen lassen.

 

„Mit den Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“

Das alles ist längst nicht so selbstverständlich, wie es uns mittlerweile scheint, denn viele dieser Errungenschaften sind erst wenige Jahrzehnte alt. In der Schweiz besitzen Frauen erst seit 1971 das volle Wahlrecht, erst 1990 wurde es überall auch tatsächlich umgesetzt. Bis 1984 war die Frau ihrem Manne dort untertan. Auch in Deutschland konnte der Mann bis 1977 seiner Frau verbieten zu arbeiten, wenn dies nicht „mit den Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Über ihr Vermögen durfte er bis 1957 verfügen.

Die Zeiten sind vorbei. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, mit dem aufblühenden Wohlstand der Nachkriegszeit durch Demokratie, Marktwirtschaft und Globalisierung sowie mit der Frauenbewegung der 1970er-Jahre hat sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Westen – unumkehrbar – in der Gesellschaft verankert.

Auch andernorts wird die Welt sich für Frauen und Männer ändern. In Afrika und Asien, in Indien und irgendwann vermutlich sogar in Ländern wie dem Tschad, Pakistan, Syrien oder dem Jemen. Auch Frauen aus diesen Ländern kämpfen mittlerweile für ihre Rechte, für Rechtsreformen und ein Ende der häuslichen Gewalt, für Demokratie und Toleranz. Viele jedoch müssen dies heute noch aus Angst vor Verfolgung vom Ausland aus tun. Allerdings teilen diese Auffassung nicht alle Frauen: Es gibt auch Stimmen von Musliminnen, die die Werte der westlichen Moderne rigoros ablehnen, die fürchten, dass Emanzipation und Freiheit zu gesellschaftlichem Chaos, zu Prostitution und dem Zerfall der Familie führen, während sie in der Ehe, so wie sie traditionell geregelt ist, vom Mann beschützt und finanziell abgesichert seien.

 

Frauen, die durch die Hölle gehen

Doch das Thema Gleichberechtigung ist von den großen Bühnen der Welt nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 2011 wurden erstmals drei mutige Afrikanerinnen aus dem Jemen und Liberia mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – für ihren Einsatz für Demokratie und Frauenrechte. Eine von ihnen, Leymah Gbowee aus Liberia, sagte damals: „Wir sind starke Frauen, die durch die Hölle gehen und trotzdem aufrecht auf eigenen Füßen stehen.“

Solche Vorbilder finden Nachahmerinnen. Über das Internet gelangen ihre Botschaften in die fernsten Winkel der Welt und ermutigen andere Frauen, ihnen nachzueifern. Zumal die Frauen heute international Gehör und Anerkennung finden. Davos ist dafür ein gutes Beispiel. In dem Schweizer Skiort treffen sich auf dem World Economic Forum einmal im Jahr die Lenker der Welt, Regierungschefs, Monarchen, Manager und Milliardäre, um über die Lage der Welt zu diskutieren. Das war seit den Anfängen 1971 eine Domäne der Männer. Die mitgereisten Damen konnten sich beim Fondueessen oder Huskyrennen vergnügen oder den Männern zuhören, wie sie die Welt erklärten und gedachten, sie besser und schöner zu machen. Selbst zu reden, das blieb ihnen zumeist verwehrt.

 

Weibliche Stimmen – selbst in Davos

2013 aber waren die wichtigsten Stimmen in Davos weibliche. Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beispiel. Die von weiblichen Firmenchefs wie Marissa Mayer von Yahoo und Sheryl Sandberg, der First Lady von Facebook.

Wieder war es eine Französin, die sich für die Rechte der Frauen starkmachte: Christine Lagarde, Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), eröffnete das Forum vor versammelter Wirtschaftselite mit den Worten: „Ich widme diesen Moment Malala, der Tochter Pakistans, und einer Tochter Indiens.“ Die Schicksale hatten die Welt schockiert: das des Mädchens Malala, das in den Kopf geschossen wurde, weil sie in Pakistan für ihr Recht auf Bildung demonstrierte, und das einer indischen Studentin, die in einem Bus mehrfach vergewaltigt wurde.

Es sei Aufgabe des Forums, so fuhr Lagarde fort, „die Erwartungen der jungen indischen und pakistanischen Frauen an die Gleichberechtigung zu erfüllen“. Im Publikum saßen nicht nur Europäer und Amerikaner. Nein, es waren Männer und Frauen aus allen Teilen der Welt anwesend. Und sie waren ergriffen davon, dass eine Frau „Davos 2013“ den unterdrückten Frauen gewidmet hat.

 

Bettina Weiguny, geboren 1970 in Freiburg, seit 2001 feste freie Mitarbeiterin für den Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.