In ihrem einflussreichen Werk Vita activa oder Vom tätigen Leben sorgte sich Hannah Arendt Ende der 1950er-Jahre, dass der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgehen könnte. Gegenwärtig stellt sich die umgekehrte Frage: Was tun, wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeitenden ausgehen?
Im Kontext des Fachkräftemangels spitzt sich derzeit die Debatte über unterschiedliche Einstellungen zur Arbeit zu: Vielfach finden sich stereotype Beschreibungen, nach denen die fleißigen Babyboomer nun den Arbeitsmarkt verlassen und in Rente gehen und dafür eine vermeintlich arbeitsscheue und weniger leistungsbereite Generation Z nachrücke. Doch wie stichhaltig ist die These, dass die Generation Z – die zwischen 1995 und 2010 Geborenen – sich von Vorgängergenerationen unterscheidet und weniger leisten will? Tatsächlich gibt es in empirischen Studien kaum Belege für die These klarer Generationenunterschiede bei den Arbeitsorientierungen.
Vielmehr sind es andere gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die die Wahrnehmung der Unterschiede zwischen Generationen verstärken können. Hierzu zählt zum einen ein gesellschaftlicher Trend hin zu einer stärkeren Freizeitorientierung, der sich unabhängig von Generationen vollzieht. Weiterhin zeigt sich ein wachsender Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten und mehr Flexibilität. Statt Generationenunterschiede zu betonen, erscheint es sinnvoller, sich auf die großen Linien des Wandels der Arbeitsgesellschaft zu konzentrieren.
Übereinstimmung zwischen den Generationen
Es scheint ein festes Narrativ über die Arbeitsmoral der jungen Generation, insbesondere der Generation Z, zu existieren. Ihr wird vielfach zugeschrieben, weniger arbeiten, mehr Freizeit und mehr Work-Life-Balance haben zu wollen. Zudem wird vermutet, dass diese Wünsche – verglichen mit denen früherer Generationen wie der Generation X (1965 bis 1980) und Y (1980 bis 1995) und insbesondere der Generation der Babyboomer (1946 bis 1964) – anders und neu sind. Ein Blick auf die Datenlage zeigt, dass die Wünsche der Generation Z an Arbeit gar nicht so anders als die von anderen Generationen sind. Auch finden sich wenig Unterschiede im beruflichen Engagement. Beispielsweise wünschen sich Angehörige der Generation Z eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit, einen sicheren Job, der auch Spaß macht, der Selbstverwirklichung und Zeit für Hobbys und die Familie bietet.
Wenn man diese Wünsche mit denen der Generation Y vergleicht, sind deutliche Übereinstimmungen erkennbar. Auch der Vergleich der Generation Z mit anderen Generationen zeigt: Je genauer in Studien Generationenunterschiede analysiert werden, desto kleiner werden sie. Zugespitzt kann man sagen: Der Konflikt zwischen den Generationen ist ein Scheinriese, und vieles spricht gegen die These unterschiedlicher und klar differenzierbarer Generationen. Vielmehr zeigen sich vielfältige Gemeinsamkeiten bei den Arbeitsorientierungen.
Doch warum erleben so viele Menschen in ihrer alltäglichen Erfahrung große Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Beschäftigten, die sie als Generationenunterschiede deuten? Ein Grund dafür sind stereotype Vorstellungen, die die Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit verstärken: Die eigene Generation wird als ähnlich wahrgenommen und Unterschiede werden ausgeblendet, während die Unterschiede gegenüber anderen Generationen häufig überschätzt werden.
Entsprechend ist es elementar, solche stereotypen Vorstellungen abzubauen, da sie den Blick auf die tatsächlichen Orientierungen verstellen.
Studien zeigen zudem, dass sich zwei Effekte überlagern, die zu dieser Interpretation führen. Erstens gibt es Alterseffekte: Jüngere wie ältere Menschen messen der Arbeit einen geringeren Stellenwert zu als Personen mittleren Alters. Insofern haben jüngere Menschen eine andere Einstellung zur Arbeit; diese hat aber nichts mit der Generationszugehörigkeit, sondern mit dem Alter zu tun, und es ist davon auszugehen, dass sich ihre Einstellung verändert, wenn sie in neue Lebensphasen eintreten. Zweitens gibt es einen langfristigen gesellschaftlichen Trend, der darin besteht, dass die Bedeutung von Freizeit leicht zunimmt und die Zentralität der Arbeit abnimmt. Wenn sich diese Prozesse überlagern, verdichtet sich die Wahrnehmung, dass es sich um Generationenunterschiede handelt (Schröder 2023).
Unterwegs in die Freizeitgesellschaft?
Vor dem Hintergrund des Bedeutungsgewinns von Freizeit lässt sich fragen, ob wir nun unterwegs zur „Freizeitgesellschaft“ sind. Ein Blick in einschlägige Studien zeigt, dass die Zentralität der Arbeit, also die Wichtigkeit von Arbeit im Leben, in Deutschland hoch ist. Arbeit bleibt gleich nach der Familie der wichtigste Lebensbereich (Hardering/Will-Zocholl 2022). Gleichzeitig gibt es einen leichten Trend des Bedeutungsverlustes von Arbeit über die letzten Jahrzehnte. Zudem wird die Freizeit wichtiger. Darüber hinaus wird es laut Daten des World Values Survey von Befragten positiv bewertet, wenn Arbeit in Zukunft einen geringeren Stellenwert hätte. Arbeit ist also immer noch wichtig, sie ist aber im Leben nicht mehr so relevant wie vor ein paar Jahrzehnten. Dieser Trend ist unabhängig von Generationen, sondern er hängt mit dem Zeitverlauf zusammen. Je später im Verlauf der Zeitachse der vergangenen Jahrzehnte man befragt wird, desto eher misst man der Arbeit einen geringeren Wert zu.
Ein ähnlicher Trend zeigt sich bei den Arbeitszeitwünschen: In den letzten Jahren finden sich vermehrt Wünsche nach kürzeren Arbeitszeiten. Diese schließen an einen lang anhaltenden historischen Trend zur Reduzierung der Arbeitszeiten an und sind keineswegs neu. Während der Corona-Pandemie hat sich dieser Trend fortgesetzt. Wichtig ist allerdings, zu sehen, dass die Wünsche nach einer moderaten Kürzung der Arbeit auf veränderte partnerschaftliche Rollenmodelle und eine andere Verteilung von Erwerbsund Sorgearbeit zurückzuführen sind. Noch mehr als um die Verkürzung geht es in diesem Kontext um die Flexibilisierung von Arbeitszeiten auch über verschiedene Lebensphasen hinweg und um mehr Gestaltungsspielräume bei der Arbeit (Wanger/Weber 2023). Die Wünsche zielen somit nicht nur auf Freizeit im Sinne von Erholung oder Hobbys, sondern auch auf eine andere Verteilung von Sorgetätigkeiten und mehr Zeitgerechtigkeit.
Arbeitsgesellschaft im Umbruch
Deutlich wird, dass die Diskussion über Generationenunterschiede ein falsches Bild der gegenwärtigen Veränderungsprozesse erzeugt. Denn der Wandel von Arbeitsorientierungen hat wenig mit Generationen und dafür umso mehr mit Vorstellungen eines anderen Arbeitens zu tun, bei denen es um zeitliche Gestaltungsmöglichkeiten von Arbeit und Leben und sinnvolles Tätigsein geht, die gesamtgesellschaftlich seit langer Zeit bedeutsamer werden.
Entscheidend für eine fruchtbare Diskussion über die Gestaltung der Arbeitswelt wird sein, die hier skizzierten Wünsche nach einer veränderten Bedeutung von Erwerbsarbeit nicht als Wunsch einer Generation abzutun, sondern sie als gewachsene Wünsche unterschiedlicher Gruppen zu deuten. Erst vor diesem Hintergrund kann sinnvoll darüber nachgedacht werden, wie diese Wünsche mit den Herausforderungen des Arbeitskräftemangels im Kontext einer sich transformierenden Gesellschaft in Ausgleich gebracht werden können.
Friedericke Hardering, geboren 1980 in Krefeld, Professorin für Zukunft der Arbeit und Digitalisierung, FH Münster, mit den Forschungsschwerpunkten Arbeitssoziologie, digitale Transformation der Arbeitswelt, Sinn der Arbeit, New Work und neue Führung.
Literatur
Hardering, Friedericke / Will-Zocholl, Mascha: „Stichwort: Arbeitsgesellschaft“, in: Bohn, Rainer / Hirsch-Kreinsen, Hartmut / Pfeiffer, Sabine / Will-Zocholl, Mascha (Hrsg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie, edition sigma in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022, S. 71–75.
Hardering, Friedericke: „Die Generation Z und die Bedeutung von Arbeit. Über die Arbeitsorientierungen der Generationen“, in: BKK Gesundheitsreport 2023, 07.12.2023, S. 223–227, www.bkk-dachverband.de/publikationen/bkk-gesundheitsreport [letzter Zugriff: 21.03.2024].
Schröder, Martin: „Work Motivation Is Not Generational but Depends on Age and Period”, in: Journal of Business and Psychology, 06.11.2023, https://doi.org/10.1007/s10869-023-09921-8 [letzter Zugriff: 21.03.2024].
Wanger, Susanne / Weber, Enzo: Arbeitszeit: Trends, Wunsch und Wirklichkeit. IAB-Forschungsbericht, Nr. 16/2023, https://doku.iab.de/forschungsbericht/2023/fb1623.pdf [letzter Zugriff: 21.03.2024].