Die Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung Familienleitbilder in Deutschland wird die politischen Diskussionen über die Ausrichtung der Familienpolitik in einem breiten politischen Diskurs bereichern. Politik muss veränderte Familienleitbilder und Wünsche von Familien konkret in unterstützende Maßnahmen umsetzen und ideologiefrei interpretieren. Überwunden sein muss die Zeit der Debatten über die „Rabenmutter“ oder die „Herdprämie“. Junge Menschen, gerade einer Generation der „neuen Bürgerlichkeit“, wünschen sich praktikable und flexible Lösungen. Die Familienleitbilder haben sich verändert; sie sind vielfältiger.
Selbst wenn die klassische Vorstellung einer Familie im Sinne eines verheirateten Ehepaares mit Kindern noch vorherrschend ist, so wird sie ergänzt um weitere akzeptierte Leitbilder. Das unverheiratete Paar mit Kind hat eine fast ebenso hohe Akzeptanz (97 Prozent). Gleichgeschlechtliche Paare (88 Prozent) mit eigenen Kindern werden häufiger als Familie definiert als Patchwork-Familien (85 Prozent) oder die alleinerziehende Mutter (82 Prozent). Zentral bleibt für 85 Prozent der jungen Menschen die hohe Bedeutung von Kindern.
Stärker als je zuvor ist der Wunsch der jungen Generation ausgeprägt, Erwerbstätigkeit und Familienleben partnerschaftlich zwischen Mutter und Vater aufzuteilen. Wenn 91 Prozent der 20bis 39-Jährigen in Deutschland der Meinung sind, dass sich beide Elternteile gleichermaßen um die Kinderbetreuung kümmern sollten, und 81 Prozent die Ansicht teilen, dass beide Partner gleichermaßen für das Einkommen verantwortlich sind, dann ist das ein Bruch mit dem Familienleitbild der Vergangenheit. Doch noch liegen Wunsch und Wirklichkeit oft weit auseinander. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat zwar weiterhin Priorität, kann aber noch nicht so verwirklicht werden wie gewünscht. Familien leben überwiegend immer noch das Modell des vollzeiterwerbstätigen Vaters und der hinzuverdienenden Mutter.
Gewünscht werden mehr Modelle einer gemeinsamen Teilung von Arbeit und Familie, mit einer Reduzierung der Erwerbstätigkeit des Vaters und einer stärkeren Erwerbstätigkeit der Mutter. Folglich ist das Thema Zeitmanagement, mehr noch Zeitsouveränität, ein zentrales politisches Thema. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung und des Angebotes an Krippenplätzen war insbesondere in Kombination mit der Einführung des Elterngeldes politisch richtig, ja dringend notwendig. Die Erweiterung des Elterngeldes mit den Möglichkeiten der Flexibilisierung und der Einführung von Partnerschaftsmonaten wird als nächster Schritt diesen Bedarfen gerecht. Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit könnte geschlossen werden.
In Zukunft wird es verstärkt um die Qualität der Kinderbetreuung gehen. Nach einer Epoche des Ausbaus wird die Qualitätsfrage im Fokus der Wahrnehmung stehen.
Die Untersuchung Familienleitbilder in Deutschland hat zudem ergeben, dass die vorherrschenden Vorstellungen einer guten, verantworteten Elternschaft mit Ansprüchen an die jungen Eltern überfrachtet sind. Notwendig wird ein Diskurs über die Elternrolle sein. Diese Überfrachtung mit Erwartungen könnte eine Ursache für die „Zeit des Zögerns“ junger Menschen sein, die trotz des großen Wunsches nach Kindern eher Angst haben, sich festzulegen.
Entscheidend wird für Familien sein, die Themen Wahlfreiheit, Chancengerechtigkeit und Lebenswohl im Lebensumfeld zu stärken. Vielfalt braucht vielfältige Maßnahmen. Der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung mit dem Fokus Qualität und die Verstärkung einer flexibleren Erwerbstätigkeit ohne Restriktionen für die Entscheidung für mehr Zeit für Familien wird die politische Diskussion der Untersuchung anregen.
Ferner muss die Familienpolitik perspektivisch neue Modelle der Pflege als Folge des demografischen Wandels entwickeln. Das Fehlen eines klaren strategischen Ansatzes der Familienpolitik, wie im Fazit der Studie beschrieben, ist nur begrenzt zutreffend. Trotzdem ist es wichtig, dass die Familienpolitik ihre Zielorientierungen noch stärker und konsistenter umsetzt. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz war ein gutes Beispiel klarer Zielvorgaben. Die Zersplitterung der familienpolitischen Leistungen ist der Veränderung der Familienleitbilder geschuldet. Vereinfachungen sind sicherlich wünschenswert, allerdings durch die vielfältigen Begründungsmuster für einzelne Maßnahmen schwierig. Es bleibt das dickste Brett, aber ein wichtiges der Familienpolitik.
Marcus Weinberg, geboren 1967 in Hamburg, Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender der AG Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Literatur
Schneider, Norbert F. / Diabaté, Sabine / Lück, Detlev: Familienleitbilder in Deutschland. Ihre Wirkung auf Familiengründung und Familienentwicklung. Herausgegeben von Christine Henry-Huthmacher für die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Sankt Augustin / Berlin 2014.