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Wenn Staatsführung Familiensache wird

In der Fortsetzung der Reihe werden erneut dynastische Machtstrukturen analysiert – diesmal anhand dreier prominenter Familienkonstellationen: Hun Sen und Hun Manet (Kambodscha), Nawaz Sharif und Shehbaz Sharif (Pakistan) sowie Gnassingbé Eyadéma und Faure Gnassingbé (Togo).

Hun Sen und Hun Manet

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39 Jahre war Hun Sen, Jahrgang 1952, Premierminister von Kambodscha und die bestimmende Figur der kambodschanischen Politik, bevor er 2023 die Macht an seinen Sohn Hun Manet übergab. Ihre Lebensläufe könnten nicht unterschiedlicher sein: Der Vater wurde in Armut geboren und schloss sich während des kambodschanischen Bürgerkriegs den Roten Khmer an. Er wurde mehrmals verwundet und verlor infolge der Kämpfe ein Augenlicht. 1977 verließ er die Roten Khmer, und lief zu den Vietnamesen über. Er distanzierte sich von den Gräueltaten des Pol-Pot-Regimes, deren grausame Herrschaft von 1975 bis 1979 1,7 Millionen Kambodschaner das Leben kostete. Nach der erfolgreichen Invasion Vietnams wurde Hun Sen schnell eine zentrale Figur in der kambodschanischen Regierung und 1985 schließlich zum Premierminister ernannt.

Sein Sohn Hun Manet, geboren 1977, trat schon in jungen Jahren in die kambodschanischen Streitkräfte ein. Er setzte seine militärische Ausbildung in den USA fort und ist der erste kambodschanische West-Point-Absolvent Die Stellung seines Vaters ermöglichte ihm ein unbeschwertes Leben. Mit voranschreitender Amtsdauer seines Vaters wuchs auch das Vermögen der Familie. In den USA erwarb Hun Manet einen weiteren Masterabschluss und promovierte in Wirtschaftswissenschaften. Dass er auch über diplomatische Fähigkeiten verfügte, konnte er 2008 unter Beweis stellen: Als ein bewaffneter Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha fast unausweichlich schien, gelang es Manet, beide Seiten zu besänftigen und zu einer Einigung zu führen. Seine Ernennung zum Premierminister war vermutlich von langer Hand geplant. Zuvor war er bereits zum Vier-Sterne-General befördert worden, um seine innenpolitische Position zu stärken.

Dass der Vater den Sohn für seine Nachfolge als Premierminister auswählt, ist für kambodschanische Verhältnisse nicht ungewöhnlich. Korruption und Vetternwirtschaft sind in dem Land allgegenwärtig. Laut Korruptionsindex von Transparency International steht Kambodscha auf 158. Platz – von 180. Dass der kambodschanische König den Machttransfer vom Vater auf den Sohn abgesegnet hat, war wohl eher ein symbolischer Akt. Und doch zeigt er, über welchen Einfluss Hun Sen verfügt, hatte er doch 37 Jahre Zeit, ihn auszubauen.
 

Nawaz Sharif und Shehbaz Sharif

 

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"In anderen Ländern hat der Staat ein Militär, in Pakistan hat das Militär einen Staat.“ – ein geflügeltes Wort in Pakistan. Denn ohne Rückendeckung des Militärs ist es so gut wie unmöglich, das Land zu regieren. Und dann gibt es noch die Clans, die mit eben jenen Militärs in Symbiose leben.

Die Sharifs sind neben den Bhuttos die einflussreichste Familie in Pakistan; beide dominieren seit den 70er Jahren die pakistanische Politik. Die Brüder Nawaz, Jahrgang 1949, und Shehbaz, Jahrgang 1951, hatten viele Jahre höchste politische Ämter inne. Shebaz ist der derzeit amtierende Premierminister.

Nawaz Sharif hat es auf drei Amtszeiten als Premier gebracht: Keine von ihnen endete regulär. Das erste Mal wurde er entlassen, dann trat er zurück und zu guter Letzt enthob ihn das Oberste Gericht des Amtes. 2018 wurde er wegen Korruption in zwei Prozessen zu jeweils sieben und zehn Jahren Haft verurteilt. Er durfte das Gefängnis verlassen, um sich in Großbritannien medizinisch behandeln zu lassen. Im Oktober 2023 kehrte er nach Pakistan zurück und lebt dort als freier Mann.

Die Skandale, in die auch die Kinder von Nawaz verwickelt waren, minderten jedoch keineswegs den Einfluss der Familie Sharif: 2022 wurde Premierminister Imran Khan abgesetzt, und nun übernahm der andere Bruder, Sharif, das Amt. Doch Imran Khan, obwohl entmachtet, erfreute sich weiterhin großer Beliebtheit in der Bevölkerung, und die Sharifs symbolisierten für sie Vetternwirtschaft und die jahrzehntelange Herrschaft des Militärs, das mit Gewissheit Shehbaz Sharifs Aufstieg abgesegnet hatte. Die Probleme rissen nicht ab. 2022 wurde Pakistan von einer verheerenden Flut heimgesucht, und Khans Anhänger taten alles, um das Land zu destabilisieren. Nichtsdestotrotz wurde Shehbaz 2024 für eine zweite Amtszeit gewählt und konnte die Macht der Sharifs ein weiteres Mal sichern.
 

Gnassingbé Eyadéma und Faure Gnassingbé

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Gnassingbé Eyadéma, geboren 1935, kam 1967 im Zuge eines Militärputsches an die Macht. Er regierte Togo fast vier Jahrzehnte bis zu seinem Tod im Jahr 2005. Nach seiner Machtübernahme etablierte er mit der Rassemblement du Peuple Togolais (RPT) eine autoritäre Ein-Parteien-Herrschaft. In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft galt er als äußerst unbeholfen. Ob seiner Unerfahrenheit in Verwaltungsfragen, so sagte man, sei das Land von Charles de Gaulles Afrika-Berater telefonisch regiert worden. Zugleich entwickelte der aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Gnassingbé Eyadéma einen Personenkult und galt als angsteinflößend und rücksichtslos.

In den 1970er und 1980er Jahren trieb Eyadéma die wirtschaftliche Entwicklung Togos voran – mit Infrastrukturprojekten und der Förderung von Landwirtschaft und Phosphatindustrie. In der westafrikanischen Politik war er eine wichtige Figur und engagierte sich sehr in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Er stand ihr mehrfach als Vorsitzender vor.

Zugleich unterdrückte er die politische Opposition und schränkte die Pressefreiheit ein. Das erste Mal wählen ließ er 1979. Er bewarb sich als einziger Kandidat um das Amt des Präsidenten und ging mit fast 100 Prozent der Stimmen als Sieger vom Feld. In einer letzten Verfassungsänderung ließ er 2002 die Begrenzung seiner Amtszeit aufheben, die drei Jahre später, im Jahr 2005 mit seinem Tod ihr natürliches Ende fand.

Sein Sohn, Faure Gnassingbé, Jahrgang 1966, wurde noch am Todestag seines Vaters vom Militär als sein Nachfolger ausgerufen. Die Umstände dieses Machtwechsels waren so fragwürdig, die Rede war von einem Staatsstreich, dass sie für großes Aufsehen und internationale Kritik sorgten. Faure Gnassingbé trat von seinem Amt zurück. Die kurz darauf stattfindenden Wahlen gewann er, und trotz massiver Vorwürfe, Wahlbetrug begangen zu haben, wurde Faure Gnassingbé im Mai 2005 als Präsident Togos vereidigt.

In seiner bis heute währenden Amtszeit förderte Faure Gnassingbé die Wirtschaft; er brachte Infrastrukturprojekte und Initiativen zur landwirtschaftlichen Produktion auf den Weg, die das Land modernisierten und stabilisierten. Straßen, Brücken und öffentliche Einrichtungen wurden instandgesetzt oder neu gebaut. Zudem versuchte er, die Wirtschaft zu diversifizieren und die Abhängigkeit von der Phosphatindustrie zu verringern.

Er stieß einige politische Reformen an, die allerdings von Seiten der Opposition stark kritisiert wurden. Und obwohl er auch Wahlprozesse reformierte, hieß es von den Wahlen 2010, 2015, 2020 und 2024 sie seien manipuliert worden. Menschenrechtsverletzungen, Versammlungsverbote, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen von Journalisten – die Methoden der politischen Repression in Togo sind ungezählt.

Teil 1 verpasst? Dort analysieren wir die dynastischen Machtverhältnisse von Justin und Pierre Trudeau (Kanada), Ilham und Heydər Əliyev (Aserbaidschan) sowie Idriss und Mahamat Déby (Tschad). Hier klicken!

Jona Thiel, geboren 1999 in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen), ist studierter Geschichts- und Politikwissenschaftler. Er publiziert als freier Journalist und fungiert als Sprecher, sowie Autor der Forschungsgruppe "Afrika" des Think Tanks "Kölner Forum für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik". Zudem ist der Historiker als Autor für die Forschungsgruppe "Friedens- und Konfliktforschung" tätig, bis 2025 war er stellvertretender Vorstand des BSH Trier (Bundesverbandes Sicherheitspolitik an Hochschulen und ist derzeit für die GIZ tätig. Thiel führt einen Blog, welcher sich primär historischen und außenpolitischen Themen zuwendet (Instagram: @gepo.global).

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