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Mit der Kamera im Krieg. Der Blick einer ukrainischen Fotografin

Ein Gespräch mit der ukrainischen Dokumentarfotografin Kateryna Moskaliuk

Die ukrainische Fotografin Kateryna Moskaliuk spricht über ihre Arbeit im Krieg, die Kraft der Bilder und ihre Verantwortung als Zeitzeugin. Ein Interview über persönliche Motive, menschliche Tragödien und die Macht der Fotografie, das Unsagbare sichtbar zu machen.

Kateryna Moskaliuk ist eine ukrainische Dokumentarfotografin, deren Arbeiten in der Ukraine und weltweit große Bekanntheit erlangt haben. Sie ist Mitglied des Ukrainischen Verbandes der Berufsfotografen und der internationalen Gemeinschaft Women Photograph. Ihre Fotos sind erschienen in Geo, Bloomberg Businessweek, Bird in Flight, Die Zeit, The Ukrainians, Forbes Ukraine, Kunsht, Zaborona und Big Stories Media.

privat

Wie hat die großangelegte Invasion Ihr Verständnis von der Rolle der Fotografie im Krieg verändert?

Kateryna Moskaliuk: Seit Februar 2022 dient die Fotografie nicht mehr nur zur Dokumentation, sie legt Zeugnis ab über unsere Realität. Der Krieg in der Ukraine ist eines der am umfassendsten dokumentierten Ereignisse unserer Zeit. Unzählige Journalisten aus aller Welt sind zu uns gereist, wir ukrainischen Fotografen arbeiten unermüdlich. Wir haben erlebt, dass eine Fotoreportage tief berühren und gleichzeitig wahrhaftig sein kann, wenn sie nicht nur das Kriegsgeschehen zeigt, sondern auch den Alltag der Menschen, ihre Gefühle und ihren Kampf um ein Stück Normalität unter extremen Bedingungen.

Die vergangenen zehn Jahre waren für ukrainische Fotografen eine sehr intensive Zeit. Für viele von uns begann der Krieg schon 2014, doch die großangelegte Invasion hat uns nochmal völlig neu herausgefordert Ich habe am zweiten Tag des großen Krieges angefangen zu fotografieren. Den ersten Tag habe ich gebraucht, um zu begreifen, was da eigentlich geschieht. Mir war sofort klar: Fotografie ist nicht mehr nur ein Bild, sie ist eine Sprache, mit der wir ausdrücken, was Worte nicht erfassen können.

Wie gehen Fotografen mit den Kriegsklischees um, die sich in den Medien immer wieder finden?

Kateryna Moskaliuk: Die gibt es nun mal. Ihnen zu entkommen, ist nicht leicht. Sie drängen sich geradezu auf: Explosionen, Artillerie, Soldaten in den Schützengräben. Ukrainische Fotografen suchen deshalb gezielt nach anderen, tieferen Geschichten – nach persönlichen und menschlichen Momenten, die das Leben und Überleben der Menschen unter Kriegsbedingungen zeigen. Solche Geschichten zeigen die andere Seite des Krieges: Es ist eben nicht nur eine militärische Auseinandersetzung. Krieg ist eine tiefgreifende menschliche Tragödie.

Was treibt Sie persönlich an, den Krieg zu dokumentieren?

Kateryna Moskaliuk: Der russische Einmarsch ließ mir keine Wahl: Das Geschehen zu dokumentieren, wurde zu meinem Beruf. Mehr noch: Ich habe mich dazu verpflichtet gefühlt. Angefangen zu fotografieren habe ich in meiner Heimatstadt Lwiw. Von dort habe ich mich auf den Weg gemacht – in andere Landesteile. Ich fotografiere nicht fürs Archiv. Mir ist es wichtig zu zeigen, welchen Preis unsere Gesellschaft zahlt. Meine Fotos sollen eine Mahnung sein: Krieg ist eine Tragödie. Und er muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Welche Botschaft möchten Sie Ihren Betrachtern mit Ihren Fotografien vermitteln?

Kateryna Moskaliuk:  Meine Fotos zeigen nicht nur Kämpfe oder militärische Operationen. Sie erzählen von zerbrochenen Leben, zerstörten Häusern, verlorenen Träumen und geraubter Kindheit. Sie zeigen, wie das Leben trotz Schmerz und Verlust weitergeht. Ich möchte, dass jeder, der meine Fotos betrachtet, die Folgen und die wahren Kosten des Krieges versteht und nachempfindet. Nur so können wir verhindern, dass sich solche Tragödien wiederholen.

Warum ist es so wichtig, der Welt den Krieg aus der Perspektive der Ukrainer zu zeigen?

Kateryna Moskaliuk:  Der Krieg hat in jedem ukrainischen Haushalt Einzug gehalten. Er hat unsere Leben von Grund auf verändert. Viele Fotografen sind nicht freiwillig, sondern aus Pflichtgefühl Kriegsfotografen geworden. Wir können nicht einfach abseitsstehen. Der Krieg ist Teil unseres Lebens geworden. Die Welt muss verstehen, dass dieser Krieg keine abstrakte Bedrohung ist, sondern eine reale Gefahr, mitten in Europa. Und es ist die Ukraine, die andere Länder vor einer ähnlichen Tragödie bewahrt. Unsere Fotografien appellieren an die Welt, uns zu unterstützen, uns nicht zu vergessen.

Was kann man mit der Fotografie im Kontext des Krieges erreichen?

Kateryna Moskaliuk: Fotografie besitzt eine enorme Kraft – sie kann Gefühle vermitteln, Mitgefühl hervorrufen und in den Herzen der Menschen tiefe Eindrücke hinterlassen. Wenn meine Bilder jemanden zum Nachdenken anregen, wenn sie Schmerz und Tragik des Krieges spürbar machen, haben sie ihren Zweck erfüllt. Wir sollten nicht bloß hinschauen, sondern wirklich sehen und mitfühlen. Nur so können wir unsere Einstellung gegenüber Krieg und seinen Folgen nachhaltig verändern.

Wer mehr über Kateryna Moskaliuk und ihre Arbeit erfahren möchte, findet weitere Eindrücke auf Instagram: @bkathryn_moskalyuk.

Ksenia Yanko

Das Interview führte Danylo Poliluev-Schmidt. Er ist Essayist und Kolumnist und schreibt regelmäßig für deutsche und europäische Zeitschriften. In seinen Beiträgen beschäftigt er sich mit Fragen europäischer Sicherheit, Erinnerungskultur und Medienfreiheit – immer aus einer persönlichen Perspektive, geprägt durch seine Herkunft und Erfahrungen im osteuropäischen Raum. Seit 2022 konzipiert und leitet er den Kurs Die bewaffnete Wahrheit an der Universität Potsdam, in dem es um Medienkompetenz, Kriegsberichterstattung und die Mechanismen hybrider Kriegsführung geht.

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