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Russische Desinformation: Der unsichtbare Krieg gegen die Wahrheit

Wie ukrainische Journalistinnen und Journalisten Fakten verteidigen und Fakes entlarven

Russische Desinformation ist allgegenwärtig. Ukrainische Journalistinnen und Journalisten kämpfen mit Mut und Faktenchecks gegen Propaganda – für die Wahrheit und Europas Demokratie.

Oft nicht auf den ersten Blick erkennbar, und doch sind sie immer präsent: russische Desinformationen. – über die Ukraine, über Europa, über die Welt. Von schlichten Falschmeldungen über „alternative Fakten“, tendenziöse Einordnungen und rhetorische Kunstgriffe bis hin zu historisch unhaltbaren Aussagen.

Ob man sie als solche einzuordnen weiß, hängt auch davon ab, wie man zu dem Konflikt steht, ob man Russland als den Aggressor wahrnimmt. Doch festzuhalten gilt: Die Art und Weise, wie Russland Desinformation betreibt, gefährdet auch die Stabilität Deutschlands und Europas, stärkt sie doch extreme Bewegungen aus dem linken und dem rechten Spektrum.

Um Falschinformationen als solche kenntlich zu machen, braucht es gesicherte, neutrale, objektive Fakten und ein genaues Verständnis der jeweiligen Gegebenheiten. Unter den Bedingungen eines Krieges und den daraus resultierenden Gefahren gestaltet es sich nicht einfach, Journalisten zu finden, die zuverlässige Informationen liefern. Und an dieser Stelle kommen ukrainische Journalistinnen und Journalisten, zivilgesellschaftliche Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und lokale öffentlich-rechtliche Medienunternehmen ins Spiel. Sie alle liefern belastbare Informationen, ohne die der Kampf gegen Desinformation nicht zu gewinnen ist.
 

Die Natur der Desinformation im russisch-ukrainischen Konflikt

Es gibt sehr unterschiedliche Arten russischer Desinformation, die sich jedoch fast alle durch schnelle Verbreitung auszeichnen. In einigen Fällen werden Fakten lediglich verdreht, während andere Geschichten völlig haltlos sind, oft bis zur Absurdität. Es gibt Fake News, angebliche Zeugen, inszenierte Tötungen, Deepfakes, manipulierte Filmaufnahmen oder von Russland gekaufte Politiker oder Pseudoexperten.

Alternative Fakten“ über den Krieg im Donbas

Nach 2014 wurde in russischen Medien immer wieder behauptet, ukrainische Streitkräfte hätten im Zuge „ethnischer Säuberungen“ Massenmorde an der russischen Bevölkerung im Donbas begangen. Diese Behauptungen waren Teil einer gezielten Desinformationsstrategie, die darauf abzielte, das ukrainische Militär zu diskreditieren und die Wahrnehmung der internationalen Gemeinschaft zu beeinflussen. Sie waren der Versuch, den russischen Einfluss in der Region zu legitimieren und die Besetzung der Krim sowie die Unterstützung der Separatisten zu rechtfertigen.

"Der gekreuzigte Junge"

Eines der groteskesten Beispiele russischer Desinformation ist die Geschichte vom „gekreuzigten Jungen“. Im Juli 2014 wurde im Perwy Kanal, dem populärsten russischen Fernsehsender, ein Interview mit einer Frau gezeigt, die behauptete, ukrainische Soldaten hätten in Slowjansk ein dreijähriges Kind gekreuzigt. Die Mutter habe man, bewusstlos an einen Panzer gefesselt, durch die Stadt geschleift. Die Geschichte ist inzwischen vielfach widerlegt, die interviewte Frau als Schauspielerin entlarvt worden. Und doch wurde sie immer wieder berichtet. Mit nur einem Ziel: Empörung zu schüren und antiukrainische Stimmungen zu bedienen.4

Fälschungen über MH-17

Russische Medien haben zahlreiche Verschwörungstheorien über den Abschuss von Malaysia Airlines Flug MH-17 verbreitet, der sich im Juli 2024 zum zehnten Mal jährte. Zumeist wurde behauptet, ein ukrainischer Kampfjet habe das Flugzeug abgeschossen. Trotz eindeutiger Hinweise, dass sogenannte Separatisten ein russische Boden-Luft-Rakete genutzt hatten, mit der die Passagiermaschine mit 298 Menschen an Bord – viele von ihnen Niederländer – getroffen wurde. Die niederländische Regierung hat die von Russland jahrelang verbreiteten Mythen zu widerlegen versucht. 2022 verurteilte ein niederländisches Gericht den ehemaligen russischen Geheimdienstoffizier Igor Girkin in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Es war überzeugt, dass er maßgeblich an der Einführung des Buk-Raketensystems in die Ukraine beteiligt war – jenes Systems, das zum Abschuss des Flugs MH17 verwendet wurde. Ironie der Geschichte: Igor Girkin sitzt heute in einem russischen Gefängnis. Er war Putin offenbar zu aufmüpfig geworden. 5, 6

Aggressive Leugnung von russischen Gräueltaten in Butscha, Irpin, Mariupol und anderswo

Russische Medien und von Russland gesponserte Kanäle spielen eine zentrale Rolle bei der gezielten Leugnung und Verzerrung der Gräueltaten, die russische Truppen an der Zivilbevölkerung in der Ukraine verübt haben. Orte wie Butscha, Irpin und Mariupol sind Sinnbilder für die ungezügelte Brutalität des russischen Militärs, das in diesen Städten Tausende unschuldiger Zivilisten gefoltert, ermordet und massakriert hat.7  Die Verbrechen sind durch unzählige Augenzeugenberichte, objektive Untersuchungen, Foto- und Videomaterial, Satellitenaufnahmen und Spuren an den Orten der russischen Kriegsverbrechen belegt. Doch in der russischen Berichterstattung werden sie entweder komplett geleugnet oder als inszenierte „Provokationen“ der Ukraine dargestellt. Russische Offizielle, darunter Außenminister Sergey Lavrov und Präsidentensprecher Dmitry Peskov, bestreiten jede Verantwortung und verbreiten stattdessen alternative Narrative, die die Ukraine oder gar westliche Staaten als die „wahren“ Täter darstellen.8

Relativierung der Verbrechen

Auch in europäischen Medien finden solche Fake News Widerhall. Besonders in russischsprachigen Medien in Europa werden die Desinformationen Moskaus unkritisch nacherzählt: Russische Truppen sind grundsätzlich „Befreier“, während Berichte über die Gräueltaten eben dieser „Befreier“ als bloße westliche Propaganda abgetan werden. 1,9,10

Ein spezielles Beispiel ist der Dokumentarfilm „Russians at War“ von der russisch kanadischen Filmemacherin Anastasia Trofimova. Er propagiert gezielt das Narrativ von den angeblich „guten“ russischen Soldaten, die keine Verbrechen begehen und selbst Opfer der Umstände seien. Es wird ein Bild gezeichnet, in dem die Bombenangriffe und Gräueltaten in der Ukraine nicht den russischen Soldaten zugeschrieben werden, sondern als Handlungen mysteriöser, unsichtbarer Mächte. Solche Manipulationen sind nicht nur eine Gefahr für die Wahrnehmung der Realität, sie untergraben auch die Möglichkeit, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Propaganda über die "Nazi-Jüdische" Regierung in der Ukraine

Russische Regierende haben immer wieder behauptet, die Ukraine würde von Neonazis regiert und man wolle das Land entnazifizieren. Außerhalb von Russland verfängt das kaum; es soll vornehmlich innenpolitische Wirkung entfalten. Zudem wird immer wieder die jüdische Herkunft von Präsident Selensky herangezogen, um absurde, sich oft widersprechende Gründe für die Delegitimierung seiner Präsidentschaft zu finden. Gespielt wird auch hier mit antisemitischen Ressentiments, zu denen auch öffentliche Spekulationen Sergey Lavrovs gehörten, Hitler habe möglicherweise jüdisches Blut gehabt, und die größten Antisemiten seien oft Juden. Auch Lavrov spielt auf der Klaviatur des latenten Antisemitismus in Russland. 15,16,17,18,19
 

Geheimhaltung des Izolatsiia-Foltergefängnisses

Das Izolatsiia-Foltergefängnis, betrieben von den sogenannten Separatisten, lag auf einem ehemaligen Fabrikgelände am Stadtrand von Donezk. Es wurde 2014 eröffnet und war bis ca. 2021 in Betrieb. Die den Russen nahestehenden Separatisten versuchten den Ort lange Zeit geheim zu halten. Bekanntheit erlangte das Isolatsiia-Foltergefängnis u. a. durch den Bericht eines dort drei Jahre lang inhaftierten ukrainischen Journalisten. In seinem Buch „Heller Weg, Donezk“ beschreibt Stanislaw Assejew detailliert die unmenschlichen Zustände: grausamste körperliche und psychische Folter. 20,21 Real existierende, aber strategisch unliebsame Dinge geheim zu halten oder bei Bekanntwerden unkommentiert zu lassen, ist ein weiteres Element der russischen Desinformation.
 

Deepfake über einen Jungen mit Trisomie, der gezwungen wurde, in den ukrainischen Streitkräften zu dienen

Ende 2023 tauchte ein Deepfake-Video auf, das einen Jungen mit Trisomie 21 zeigt, der angeblich gezwungen worden war , in den ukrainischen Streitkräften zu dienen – verbunden mit der Behauptung, die Ukraine habe ein Gesetz erlassen, nach dem Menschen mit Behinderung oder Kinder eingezogen werden könnten. Das Deepfake wurde auf russischen Propagandakanälen und in den Sozialen Medien verbreitet. Es zielte darauf ab, die Ukraine zu diskreditieren und starke emotionale Reaktionen zu provozieren. 22,23

Quellen und Motive hinter der Verbreitung falscher Informationen

Üblicherweise verbreiten sich Falschinformationen über soziale Medien wie TikTok, Chats auf Telegram und Viber oder bekannte russische Medien wie Russia Today, RIA Novosti, Izvestia, Rossiyskaya Gazeta und Voice of Europe. Gut gemachte TikTok-Videos gehen innerhalb weniger Stunden viral. Telegram und Viber vermitteln – dank ihrer verschlüsselten Nachrichtenfunktionen – ein Gefühl von Privatsphäre und Sicherheit: Der Nutzer fühlt sich in der Gemeinschaft Gleichgesinnter und ist Inhalten gegenüber weniger kritisch. Zudem gibt es für Telegram-Kanäle keinerlei Teilnehmerbegrenzung. So werden tausenden von Mitgliedern in Sekundenschnelle Falschinformationen zugespielt, die sie ihrerseits weiterleiten. Telegram ist in Russland sehr populär – man vermutet etwa 30 Millionen Nutzer. Seine Reichweite ist auch deshalb so groß, weil andere Soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn nach Kriegsbeginn in Russland entweder vollständig blockiert wurden oder nur sehr eingeschränkt zugänglich sind.23

Traditionelle Medien wie Russia Today (RT) und RIA Novosti haben große Online-Auftritte. Sie sind technisch sehr gut ausgestattet und in der Lage, qualitativ hochwertige – glaubwürdig erscheinende – Inhalte zu produzieren. So wurde Russia Today immer wieder als Schlüsselakteur identifiziert, wenn es um die Verbreitung staatlicher russischer Narrative ging. Eine häufig angewandte Methode zielt darauf ab, Zweifel zu säen: Man nehme reale, objektiv und allgemein anerkannte Tatsachen und mische sie mit irreführenden oder falschen Informationen, um Verwirrung zu stiften. Die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwimmen.24, 40-43

Russische Politiker sind maßgeblich an der gezielten Verbreitung von Falschinformationen beteiligt. Figuren wie Außenminister Sergey Lavrov und der Chef der Präsidialverwaltung Dmitry Peskov liefern regelmäßig fragwürdige Aussagen oder offensichtliche Lügen, die von Medien und Online-Plattformen systematisch verstärkt und so in Windeseile verbreitet werden.

Nicht wenige Influencer und Pseudo-Experten beteiligen sich am Spiel der Desinformation. Sie treten als unabhängige Analysten auf, verbreiten von Russland gesteuerte Narrative und propagieren gezielt Geschichten im Interesse des russischen Staates. Die Kombination aus offiziellen Verlautbarungen, gezielt gesteuerten Medienberichten und der massenhaften Verstärkung durch soziale Medien schafft ein widerstandsfähiges und omnipräsentes Desinformations-Ökosystem, dem nur schwer entgegenzuwirken ist.

Und dann sind da noch Desinformationskampagnen, die mittels Bots und Trollfarmen das Netz mit falschen Narrativen und kremlfreundlichen Kommentaren überschwemmen. Ziel ist es nicht nur, das Meinungsklima im eigenen Land, sondern auch das im Ausland zu beeinflussen. Unter Zuhilfenahme automatisierter Konten werden zunächst Unwahrheiten platziert, um anschließend mit einer eigens produzierten Kommentarflut den Eindruck großer Zustimmung zu erwecken: Die vermeintliche Anhängerschaft solcher Falschinformationen kann nach Belieben künstlich aufgebläht werden. Für Faktenprüfer und seriöse Medienunternehmen ist es kaum möglich, die kalkulierte massenhafte Manipulation zeitnah nachzuweisen. Sind die Desinformationen erst einmal in der Welt, sind sie schwer wieder einzufangen. Doch da westliche Medien sehr wohl um die Gefahren wissen, finden sie nur sehr selten Eingang in öffentliche Nachrichtenkanäle. Internettrolle bevölkern zumeist die einschlägigen Plattformen und die Sozialen Medien.
 

Strategien ukrainischer Journalisten zur Entlarvung von Falschinformationen

Nach der Revolution der Würde, wie die Maidan-Proteste auch genannt werden, und dem Beginn des russisch-ukrainischen Krieges im Jahr 2014 standen ukrainische Journalisten vor Problemen, wie sie sie bis dahin, und vor allem in dem Ausmaß, nicht kannten: der Kampf gegen die russische Propaganda – gegen eine Flut von Desinformation und Manipulation, die an Absurdität und Böswilligkeit nicht zu überbieten war. Die ukrainischen Medien veränderten ihre Arbeitsweise, neue, unabhängige Medien gründeten sich.

So ist Slidstvo.Info28 für seinen investigativen Journalismus bekannt: Vor dem Krieg hat man Korruption und Missbrauch durch ukrainische Beamte aufgeklärt. Heute berichten sie über Russlands Verbrechen gegen die Ukraine. Sie drehen in Städten, die von Russlands Militär zerstört wurden, identifizieren russische Kriegsverbrechen und enttarnen ukrainische Kollaborateure.

Der ukrainische Verband der Berufsfotografen (UAPP)29, gegründet 2013, versammelt ukrainische Fotografen, die im In- und Ausland arbeiten. Fotografen begleiten den russischen Krieg gegen die Ukraine von Beginn an – auch an der Front. Ihre Arbeiten dokumentieren den Krieg, und sie werden nicht selten herangezogen, wenn es gilt, Beweise zu sichern.

VoxUkraine30 bezeichnet sich selbst als unabhängige und unparteiische Analyseplattform; sie werde weder von Oligarchen noch von Parteien finanziert. Neben Analysen der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen findet sich in Ihrem Webauftritt auch eine Seite, auf der Fake-Nachrichten entlarvt und die tatsächlichen Sachverhalte dargestellt werden.

HromadskeUA31, laut Selbstauskunft eine „gemeinnützige, unabhängige zivilgesellschaftliche Organisation, die 2013 von Journalisten gegründet wurde“, bietet ausführliche Berichterstattung und widerlegt mit geprüften und seriösen Informationen Falschnachrichten.

The Kyiv Independent32 ist eine unabhängige englischsprachige Online-Zeitung, im November 2021 von ukrainischen Journalisten gegründet, um der Ukraine eine Stimme in der Welt zu geben. Mit Beginn der großen Invasion im Februar 2022 wurde The Kyiv Independent zu einer wichtigen Nachrichtenquelle für die Welt, bietet er doch detaillierte glaubwürdige Berichte und aufschlussreiche Analysen.40

Das Zentrum für Bürgerrechte, Center for Civil Liberties33, erhielt 2022 als erste ukrainische Organisation den Friedensnobelpreis. 2007 gegründet, setzt es sich für Menschenrechte, Demokratie und Solidarität in der Ukraine ein – Aufgaben, die nach Beginn der Invasion von noch größerer Bedeutung sind. So dokumentiert man die von Russland gefangengenommenen ukrainischen Zivilisten und Soldaten und befasst sich mit Ihrer Rückkehr und Reintegration. Auch die in Russland „Verschwundenen“, Familien oder Kinder, die illegal in den vorübergehend besetzten Gebieten festgehalten werden, sind vom Zentrum für Bürgerrechte nicht vergessen. All diese Aktivitäten dienen dem Kampf gegen Desinformation und sind für die Aufarbeitung der russischen Verbrechen nach dem Krieg entscheidend.

Schemes (Skhemy)34 ist ein Nachrichtenprojekt, das für seine investigativen Arbeiten bekannt ist. Es wird vom ukrainischen Ableger von RadioFreeEurope/Radio Liberty betrieben und hat sich dem Kampf gegen die Korruption auf „höchster Ebene“ verschrieben und der oft auf den ersten Blick nicht erkennbaren russischen Einflussnahme. Gegründet wurde Schemes im Zuge der Maidan-Proteste 2014.

Neben den genannten Medienunternehmen und Organisationen gibt es viele unabhängige Journalisten, die oft unter schwierigsten Bedingungen arbeiten. Nicht nur an der Front, wo sie unter Einsatz des eigenen Lebens mit Verletzungen, Traumata und Tod konfrontiert sind, auch in Städten, die bombardiert werden, ist ihre Arbeit oft mühselig. Ihre Unermüdlichkeit ist in einer Welt, in der Unwahrheiten sich oft schneller verbreiten als die Wahrheit, von unschätzbarem Wert.
 

Techniken zur Faktenprüfung und Verifizierungsprozesse

Zur Überprüfung von Fakten bedient man sich einer Reihe von Techniken: Man verifiziert Quellen, sucht nach Augenzeugen oder beschafft sogenannte harte Beweise wie Bilder, Videos oder Tonaufnahmen. Eine wichtige Methode ist die Analyse von Metadaten von Dokumenten, Bildern oder Videos, um ihre Herkunft zu authentifizieren. Häufig wird auch in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Polizei, den Sicherheits- und Geheimdiensten ermittelt, um belastbare Beweise für die Echtheit von Informationen zu sammeln. Auch die Kooperation mit internationalen Faktenchecker-Organisationen und -Initiativen, hat die Standards der ukrainischen Faktenchecker deutlich verbessert.
 

Herausforderungen für Journalisten

Während ukrainische Journalisten zumeist vor Repressionen geschützt sind, ist ihre Situation in den vorübergehend von Russland besetzten Gebieten eine ganz andere: Seit 2014 gibt es unzählige Fälle von durch die russischen Besatzer entführten, inhaftierten und gefolterten ukrainischen Journalisten. Das Schicksal von Stanislaw Assejew aus dem Foltergefängnis Izolatsiia wurde bereits erwähnt. Zu 15 Jahren verurteilt, kam er nach zwei Jahren durch einen Gefangenenaustausch frei. Journalisten, die aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt sind, berichten von Misshandlungen, ständigen Todesdrohungen, Folter.35,36

Zuverlässige Quellen in den besetzten Gebieten zu finden, ist schwer. Viele Journalisten sind geflohen oder verstummt. Einige arbeiten heimlich, verwenden Pseudonyme und kommunizieren über verschlüsselte Kanäle. Ukrainische und internationale Medien arbeiten mit Informanten und kommunizieren über Telefonate oder verschlüsselte Nachrichten. In den besetzten Gebieten haben russische oder prorussische Medien die Meinungshoheit. Es sind Propagandamaschinen: Aus Besetzern werden Befreier; die russischen Besatzer sind vermeintliche Beschützer. Einige ukrainische Medien, Aktivisten, aber auch Bürgerjournalisten versuchen, die russischen Falschinformationen zu widerlegen und ihrerseits die ukrainische Sicht zu verbreiten. Doch begeben sie sich unter den Besatzungsbedingungen auch immer in große Gefahr.35

Einige ukrainische Journalisten haben zwar Kontakte zu ausländischen Medien, doch der Umgang westlicher Medien mit der Berichterstattung über die Ukraine zeigt nach wie vor erhebliche Defizite. Besonders auffällig ist, wie lange die deutsche Medienlandschaft gebraucht hat, um die Bedeutung der Ukraine als eines der größten Länder in Ost- und Mitteleuropa angemessen zu berücksichtigen. So hatte die ARD, das führende öffentlich-rechtliche Mediennetzwerk Deutschlands, über Jahre hinweg kein Büro in Kyjiw – ein Versäumnis, das angesichts der immer deutlich werdenden, künftig zentralen Rolle der Ukraine in der europäischen Sicherheitsarchitektur schwer wiegt. Erst ein Jahr nach Beginn der groß angelegten Invasion durch Russland, im März 2023, eröffnete der WDR ein ARD-Studio in Kyjiw – in den Augen vieler Beobachter viel zu spät.

Viele der Informationen werden immer wieder ungeprüft nachgedruckt oder gesendet. Einer der Gründe liegt darin, dass selbst die großen Medienunternehmen oft nur wenige Reporter vor Ort haben. Auch Kriegsreporter, die direkt von der Front berichten, gibt es nur sehr wenige. Sie benötigen spezielle, von der Regierung oder dem Militär ausgestellte Akkreditierungen. Aus militärstrategischen Gründen ist Außenstehenden der Zugang zu bestimmten Gebieten untersagt. Die Ukraine ist bemüht, Informationen, die die Sicherheit der eigenen Truppen gefährden könnte, zu kontrollieren. Und natürlich ist es im Interesse der Ukraine, das Narrativ über den Krieg mitzubestimmen, indem sie Einfluss auf die Kriegsberichterstattung nimmt.39-42
 

Und nun?

Russische Narrative sind tief in unsere Gesellschaften eingedrungen. Die dahinterstehenden Absichten sind glasklar: unsere Gemeinschaften zu spalten und Chaos zu stiften. Ihre Tarnungen sind oft perfide, und doch gelingt es immer wieder, sie zu demaskieren. Guter Journalismus ist der Wahrheit verpflichtet – auch und gerade in Zeiten des Krieges. Ein Credo, dem die Mehrzahl der ukrainischen Journalisten folgt. Und sie haben dazugelernt: Sie verfügen inzwischen über sehr viel bessere Techniken, die Lügen der russischen Propaganda aufzudecken. Es steht zu erwarten, dass Russland seine Methoden weiter perfektionieren wird, dass die Angriffe auf unsere Demokratien fortgesetzt werden. Darum sollten wir uns zusammentun, unsere Kräfte bündeln, unsere Techniken, Fake News zu enttarnen, verfeinern. Wir sollten Netzwerke bilden und gemeinsam mit den ukrainischen Experten und Journalisten, über russische Desinformation aufklären.

Ksenia Yanko

Danylo Poliluev-Schmidt ist Essayist und Kolumnist und schreibt regelmäßig für deutsche und europäische Zeitschriften. In seinen Beiträgen beschäftigt er sich mit Fragen europäischer Sicherheit, Erinnerungskultur und Medienfreiheit – immer aus einer persönlichen Perspektive, geprägt durch seine Herkunft und Erfahrungen im osteuropäischen Raum. Seit 2022 konzipiert und leitet er den Kurs Die bewaffnete Wahrheit an der Universität Potsdam, in dem es um Medienkompetenz, Kriegsberichterstattung und die Mechanismen hybrider Kriegsführung geht.

 

Quelle, Link und Zugriffsdatum

  1. Nabozhniak, O., Tsekhanovska, O., Castagna, A., Khutkyy, D., Melenchuk, A. (2023). Revealing Russian influence in Europe: Insights from Germany, France, Italy and Ukraine. Kyiv: Institute of Innovative Governance.Revealing Russian Influence in Europe, S. 31; https://www.gmfus.org/sites/default/files/2024-01/revealing-russian-propaganda-3%5B71%5D.pdf ; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  2. EEAS, https://www.eeas.europa.eu/delegations/china/disinformation-about-russias-invasion-ukraine-debunking-seven-myths-spread-russia_en?s=166 ; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  3. UN News, https://news.un.org/en/story/2016/07/534392; Zugriffsdatum: 2025-03-02
  4. EUvsDisinfo, https://euvsdisinfo.eu/anniversary-the-crucified-boy-turns-two/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  5. Süddeutsche Zeitung, https://www.sueddeutsche.de/politik/russische-versionen-vom-mh17-absturz-verschwoerungstheorien-und-grusel-maerchen-1.2058183; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  6. Government of Netherlands, https://www.government.nl/topics/mh17-incident/news/2024/06/10/flight-mh17-european-court-of-human-rights-the-netherlands-inter-state-application-russian-federation; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  7. CENTER FOR COUNTERING DISINFORMATION, https://cpd.gov.ua/en/warnings/russians-have-returned-to-the-fake-atrocities-in-bucha-are-staged/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  8. Spravdi-Natos Aid to Ukraine, https://spravdi.gov.ua/en/ake-alert-natos-aid-to-ukraine-only-embitters-russia; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  9. Spravdi-inside pro russian Check News, https://spravdi.gov.ua/en/inside-pro-russian-czech-news-websites-how-kremlin-narratives-influence-european-audiences/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  10. Rossotrudnichestvo:The Unbearable Harshness of Soft Power. Prepared by the Information & Analytics department of the Ukrainian Institute, Nadiia Koval, Maryna Irysova, Serhiy Tytiuk, Denys Tereshchenko, 2022, https://ui.org.ua/en/sectors-en/rossotrudnichestvo-the-unbearable-harshness-of-soft-power-2/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  11. Kyiv Independent, https://kyivindependent.com/is-russians-at-war-propaganda-we-asked-7-people-in-film-who-saw-it/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  12. Reuters, https://www.reuters.com/world/europe/un-experts-probing-possible-war-crimes-ukraine-say-no-contact-yet-with-russia-2022-06-15/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  13. Amnesty International, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/05/ukraine-russian-forces-must-face-justice-for-war-crimes-in-kyiv-oblast-new-investigation/ ; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  14. BBC, https://bbc.com/news/world-europe-61667500; Zugriffsdatum: 2025-03-02
  15. DW, https://p.dw.com/p/4K3IO; Zugriffsdatum: 2025-03-02
  16. Correctiv-Asow Bandera, https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2022/05/05/asow-bandera-und-co-was-steckt-hinter-putins-narrativ-von-nazis-in-der-ukraine/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  17. SRF.CH, https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/vier-behauptungen-im-check-putins-ukraine-propaganda-aus-dem-maerchenbuch; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  18. Cicero, https://www.cicero.de/aussenpolitik/russland-propaganda-nazis-juden-hitler-sergei-lawrow; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  19. Focus, https://www.focus.de/politik/ausland/was-an-der-propaganda-ueber-die-ukrainische-nazis-stimmt-und-was-nicht_id_180406454.html#:~:text=Russische%20Propagandisten%20verbreiten%20immer%20wieder,%20dass; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  20. Harvard, https://hir.harvard.edu/donetsks-isolation-torture-prison/#:~:text=Being%20a%20secret%20institution%2C%20this,created%20a%20military%20base%20there; Zugriffsdatum: 2025-01-03
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  38. Spravdi - NATO, https://spravdi.gov.ua/en/ake-alert-natos-aid-to-ukraine-only-embitters-russia/ Zugriffsdatum: 2025-01-03 
  39. The Kyiv Independent, https://kyivindependent.com/fact-checks-ukraine-war-propaganda/; Zugriffsdatum: 2025-01-03
  40. BBC - Misinformation, https://bbc.com/news/world-europe-66113460; Zugriffsdatum: 2025-04-02
  41. Amnesty - Atrocities, https://www.amnesty.org/ukraine-atrocities-documents/; Zugriffsdatum: 2025-04-02
  42. Spravdi - Butscha, russians-have-returned-to-the-fake-atrocities-in-bucha-are-staged https://cpd.gov.ua/en/warnings/russians-have-returned-to-the-fake-atrocities-in-bucha-are-staged/; Zugriffsdatum: 2025-04-02

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